2015: Maria Peters: Bis aufs Wiedersehen? – Der 1. Weltkrieg und dessen Folgen für eine junge Familie in Bad Westernkotten

Erstabdruck: Peters, Maria, Bis aufs Wiedersehen? Der 1. Weltkrieg und dessen Folgen für eine junge Familie in Bad Westernkotten; in: HB 2015 (95. Jg.), S. 129-144. [Sellmann betreffend; ich habe den Text tlw. der heutigen Rechtschreibung angepasst und etwas mehr gegliedert. Gewisse Mängel bei der Transkription nicht auszuschließen. WM, 17.03.2024]]

In diesem Beitrag soll an die täglichen Ängste der Frauen um ihre Ehemänner an der Front, die Behütung der oft noch kleinen Kinder, die zusätzlichen Sorgen um das tägliche Brot – wenn auch auf dem Dorfe keine direkte Hungersnot bei den Einwohnern zu spüren war – erinnert werden.

Die Gedanken und Gebete der Frauen und Mütter waren voller Ängste. Oft waren es flehende Stoßgebete, die sie während der Tagesarbeit zum Himmel sandten und abends am Bett der Kinder mit ihnen beteten.

Wie ein „roter Faden“ ziehen sich diese Ängste, aber auch das Gottvertrauen durch die zahlreichen Briefe, die die Eheleute Sellmann während des eigentlich nur kurzen Fronteinsatzes des Johannes Sellmann austauschten.

Aus der Zeit vom 28.12.1914 bis zum 1.6.1915 geben zahlreiche Briefe oder auch kurze Sätze auf Feldpostkarten, Zeugnis von den täglichen Ängsten, des in den Krieg geschickten Familienvaters und der Sorge, ob er seine Frau und die kleinen Söhne Adolf und Johannes wieder sieht. Diese schriftlichen Lebenszeichen und die Benachrichtigung durch seine Kameraden an die Ehefrau – nach dem tödlichen Fronteinsatz – sollen hier wiedergegeben werden. Auch viele Fragen und auch Antworten, wie es Freunde und Verwandte in der Heimat und an der Front erging, finden sich in dieser Feldpost-Sammlung, die bis heute von den Nachkommen aufgehoben wird.

Im Dezember 1914 ging die Einberufung zum Militärdienst bei Johannes Sellmann in Westernkotten ein. Er habe sich am 28.12.1914 in der Kaserne in Köln-Meerheim einzufinden.

Die erste, von ihm geschickte Feldpostkarte vom 28.12.1914 kündigt an: „Liebe Frau. Bin jetzt eingestiegen, jetzt geht’s nach Köln“. Anderntags folgt ein längerer Brief aus Köln-Meerheim. „ (…) Heute haben wir unser Soldatenzeug bekommen. Du solltest mal sehen, was dein Johannes ein schneidiger Kerl ist. (…). Wir schlafen alle in einer Stube mit 24 Mann. Das Essen ist vorzüglich (…). Grüß mir die Kinder vielmals und lass Adolf diesen Brief lesen (…). Es grüßt Dein Mann Johannes Sellmann.“

Bis einschließlich 19.2.1915 folgen weitere Briefe aus der Kaserne Köln-Meerheim.

3.1.15

„Liebe Frau. Hiermit übersende ich Dir den Ausweis über die Familienunterstützung. Ich bin Bursche geworden beim Feldwebel. Dienstag geht es zum Schießen (…). Wenn es so weiter geht, so ist das Soldat Sein doch schön. Es grüßt Johannes. Grüße die Kinder.“

7.1.15

„Liebe Frau und Kinder. (…). Ich habe überhaupt nicht gejammert, nur wenn Du von unserem Adolf schreibst, so kommen mir jedes Mal die Tränen in die Augen. Der August Köhne hat auch mal Heimweh. Für das Paket besten Dank. (…). Wir liegen hier im Gasthof zur Post. (…). Das Essen ist nicht besonders. Morgens kriegen wir nur Kaffee, wer Butter und Wurst hat, der lebt gut. (…). Das Mittagessen das geht. Des Abends, das ist nichts, es gibt Kaffee und so ein kleines Stückchen Wurst und eine halbe Schnitte Brot. Wenn man da nicht selbst was hat, ist man übel dran. Ich habe schon mal Löhnung gehabt. 7,10 Mark Putzgeld. Wir kriegen den Tag 53 Pf. (…). Es grüßt Dein lieber Mann Johannes.“

15.1.15

„Liebe Frau und Kinder. (…). Es ist doch etwas Schönes, wenn man was von zu Haus bekommt. Die Wurst war schon am Dienstag alle. (…). Wir haben am Dienstag die erste Übung geschossen und morgen schießen wir die 2te. (…). Heute sind wir gegen Cholera geimpft. (…). Wenn Engelbert Schröer noch nicht ausrückt, so wollen wir Westernkötter ihn besuchen. (…). Grüß mir besonders Adolf und Johannes. Es grüßt Dein lieber Mann.“ Außerdem teilte er seiner Frau mit, dass sein Bruder Joseph geschrieben habe und verwundet sei. Er könne seine Schmerzen aber gut ertragen.“

17.1.15

„Liebe Frau und Kinder. (…) hoffentlich ist der Krieg bald zu Ende, dass ich wieder in euren Kreis zurückkomme, wenn uns der liebe Gott nur gesund und munter erhält, so geht die Zeit auch rum. Ich denke jetzt jeden Abend andauernd an unseren Adolf, wie der mich immer so schön in den Arm nimmt, wenn wir zu Bett gingen. Wenn ich wieder gesund und heil zurückkehre? Wir haben schon viel erlebt. Ich habe kaum noch Zeit zum Schreiben. (…). Wenn wir des Mittags ½ 12 einrücken, dann muss ich zum Feldwebel Stiefel putzen, wenn ich das vorbei habe, muss ich meine Schuhe, Helm, Tornister und Koppel wieder putzen, dann ist es höchste Zeit zum Raustreten. Des Abends muss ich mich gewöhnlich selbst beköstigen. Aus der Küche gibt es nur ein Stückchen Wurst mit einer Schnitte. Wenn es eben geht so schicke mir doch 5 Mark denn mein Geld ist alle und wir bekommen Freitag erst wieder was. (…). Also Mutter schick Butter, Wurst und Geld, dass ich es hier noch aushalte, sonst komme ich zu Fuß nach Westernkotten, ob sie mich einsperren oder nicht.

Wir haben schon 3 Übungen geschossen – 150 m, 200 m und 300 m, das ist schon viel. (…). Von Gockel und Deinen Eltern habe ich noch nichts gehört, ob die mich schon ganz vergessen haben? Dann habe ich doch wenigstens euch noch meine Lieben, betet nur, dass wir uns noch einmal wenigstens sehen – denn ich glaube nicht, dass wir Urlaub bekommen. Jetzt will ich schließen in der Hoffnung, dass alles in Erfüllung geht, was ich gewünscht habe. Es grüßt Dein Mann Johannes. Grüße besonders die Kinder.“

26.1.1915

„Liebe Frau und Kinder. (…). Jetzt will ich Dir auch etwas mitteilen. Du darfst aber von diesem Brief nichts sagen. Wir sollen wohl am 6ten Februar in die Senne rücken, dann sind wir 4 Tage dort. Wenn wir wieder abrücken, dann soll ich wohl 1 bis 2 Tage Urlaub bekommen. Der Herr Feldwebel, für den ich putze, sagte, ich solle ihn nur sorgen lassen. Am 15ten Februar sollen wir schon ins Feld abrücken. Wir sind am Samstag wieder geimpft worden, jedenfalls geht es nach Russland, aber stillschweigen, ich bin es so von ungefähr gewahr geworden. (…). Jetzt liebe Frau noch einige Worte über das Heimweh. Hier sind wohl nur Remscheider, die lassen jeden Sonntag ihre Frauen und ihre Kinder hierhin kommen, wenn man das sieht, dann wird einem das Herz schwer. Am Sonntag habe ich gebeichtet. Viele Grüße an die Kinder und alle Bekannte.“

28.1.1915

„Liebe Frau und liebe Kinder. Zuerst möchte ich euch mitteilen, was wir gestern am Geburtstag des Kaisers erlebt haben. Am Morgen um ½ 8 Uhr war ein Hochamt für den Kaiser mit Tedeum, wir waren alle hin. Dann um 11 Uhr Appell, danach gegessen und um ½ 2 Uhr abmarschiert nach Bocklemünd. Dann wurden wir um 3 Uhr vereidigt, dann um 6 Uhr zum Kinotheater geführt. Da wurden Kriegsbilder gezeigt. Als wir zurückkamen um ½ 9 war unser Saal fertig dekoriert. Dann bekamen wir von unserm Wirt, in dessen Saal wir liegen, ein herrliches Abendessen, Kartoffeln, Braten, eingemachte Gurken und Preiselbeeren, zum Nachtisch gab es Butterbrot mit Holländer Käse und Apfelsinen, dabei bekamen wir 3 Glas Bier. Die anderen Wirte haben nichts gegeben. Da fühlte man sich erst mal wieder wohl. Das ist doch was anderes als des Abends das trockene Kommissbrot. Wir kriegen alle 5 Tage nur ein Brot, da heißt es einteilen, wenn man auskommen will, besonders wenn man nichts dabei hat. (…).“

2.2.1915

„Liebe Frau unserer Kinder (…). Hunger habe ich bis jetzt noch nicht gelitten, ich hatte ja noch Geld, dann kann man alles bekommen. Es ist hier ziemlich kalt, mir fehlt nichts anderes an Zeug als ein Paar Fingerhandschuhe. Ein Paar hatte ich schon gekauft, die sind aber wieder kaputt. Sonst bin ich noch gesund und munter, aber der Dienst ist stramm. Gestern haben wir einen Marsch von über 30 km gemacht mit vollem Gepäck, das ist eine schöne Leistung. Wir marschierten morgens um 7 Uhr los und kamen um 1 Uhr wieder an, dabei haben wir noch ein Gefecht gemacht mit Hinlegen, das ist was in dem Schnee. Mein Bruder hat schon wenigstens 5 – 6 Karten geschrieben. Jetzt will ich schließen, unter vielen Grüßen verbleibe ich Dein Dich liebender Mann Johann. Grüße mir bitte die Kinder, besonders Adolf. Sage Deinen Vater und Mutter, dass ich den Brief erhalten hätte, ich sagte auch meinen besten Dank, schreibe bald wieder.“ 2.2.1915 „Liebe Frau und Kinder. Da ich gerade Zeit habe und allein bin, will ich Dir ein paar Zeilen schreiben. Wenn man so allein ist, denkt man doch über seine Lage nach. (…). Ich bin vorläufig nur Garnisonsdienstfähig geschrieben, ich rücke nicht sofort aus. Du darfst Dir aber keine großen Hoffnungen machen, wir werden jeden Samstag untersucht, gestern sind wir wieder geimpft worden. Wir sind jetzt 6 x geimpft worden, 2 x auf den Arm gegen Cholera und 2 x gegen Typhus. Hoffentlich habt ihr das Bild erhalten, lass es einrahmen und häng es auf die Stube (…), hoffentlich kennt mich Adolf auch. Die Bilder, ich habe nämlich noch 12 Karten dazu bekommen, dann sollen alle Bekannte und Verwandte eine erhalten. Du wirst doch wohl darüber nicht böse werden, dass ich mich habe abnehmen lassen, sie kosteten 2 Mark, denn wenn ich nicht wiederkommen sollte, was Gott verhüten möge, so habt ihr doch wenigstens ein Andenken. So, betet nur fleißig für mich. Der Dienst fällt mir ziemlich schwer. Joseph hat mir auch geschrieben, er fragt ob ich schon tot wäre, ehe ich tot ginge, sollte ich aber erst noch ein paar Franzmänner oder Engländer totschießen. Was hat dein Bruder Joseph denn angefangen, als er ausrückte, was sagt die Mutter, war er auch wohlgemut oder hat er geweint? (…). Viele Grüße an die Kinder und an alle Bekannte und Verwandte.“ 3.2.1915 „Liebe Frau und Kinder. (…) nur Zigarren und Butter brauchst Du nicht mehr zu schicken, da geht es auch ganz ohne. Bei diesem Paket war aber kein Brief, (…). Heute sind wir das erste Mal in einem Schützengraben gewesen, wir mussten einen Sturmangriff daraus machen. Viel Neues gibt es hier nicht, nur bei uns lernen wir jeden Tag was Neues. (…). Viele Grüße an alle Verwandte und Bekannte, besonders an meine beiden Söhne Adolf und Johannes.“ 4.2.1915 Feldpostkarte „Liebe Frau und Kinder. Soeben habe ich euer Paket erhalten und Gockel von Oestereiden hat mir auch eins geschickt. (…). Unter vielen Grüßen verbleibe ich Dein lieber Mann Johannes. Viele Grüße an die Kinder.“ Auerbach Hessen (Anm. Lazarett?) den 11.2.1915 – Abs. Josef Sellmann „Liebe Schwägerin und Kinder – Bruder Johannes hat mir auch geschrieben, ihr könnt Gott danken, dass er nicht Felddienstfähig ist, denn dann braucht ihr keine Angst zu haben, dass er totgeschossen wird, ihr müsst euch das nicht so leicht vorstellen, es fallen jeden Tag hundert Kameraden und wie leicht können wir da auch bei sein. Wenn ich jetzt wieder ins Feld komme, habe ich keinen Glauben mehr, dass ich gesund wieder zurückkomme. Wenn man zurück denkt, was man für ein großes Glück gehabt hat, wo Millionen von Kugeln herumfliegen. Wenn ich jetzt das Glück habe, noch mal die Heimat zu sehen (…), auf Wiedersehen. Gruß Josef Sellmann“ 19.2.1915 (Anm.: Letzter Brief aus Köln-Meerheim) „Liebe Frau und Kinder. Das Paket habe ich gestern erhalten. Von Gockel aus Oestereiden habe ich auch eins erhalten. Ich kann ihnen nicht sofort wieder schreiben, ich habe kein Briefpapier. Ich bin jetzt seit 3 Tagen im Revier, ich hatte mich sehr erkältet, aber es geht mir jetzt wieder besser. In die Senne fahren wir Montag, eher wie Dienstag kann ich Dir nicht schreiben. (…). Hier sind gestern alle Garnisonsdienstfähigen Felddienstfähig geschrieben worden, die müssen alle mit ins Feld. Wenn es so weiter geht mit dem Siegen, so wird doch bald Frieden sein. Johannknecht hat heute Hochzeit. Du musst aber nichts davon sagen. Er ist am Mittwochabend von hier gefahren. Samstag muss er wieder da sein. Sonntag haben wir zu tun, dann müssen wir alles packen. Wir sind ungefähr um 11 – 12 Uhr in Lippstadt. Ob wir da halten, weiß ich nicht, wenn ich kann, so gebe ich Nachricht. (…). Wenn Du kommst so bringe, wenn es geht Adolf mal mit, das ich ihn noch mal sehe. Sind von den Landstürmern denn keine wieder zurückgekommen, wann müssen denn die anderen zur Ziehung? Wo ist Wilhelm Kemper denn hingekommen? – Der liebe Gott wird euch und mich beschützen, dass wir uns gesund und munter wiedersehen. Viele Grüße sendet Dein Dich treu liebender Mann. Viele Grüße an die Kinder …“ 27.2.1915 „(…). Dies ist der letzte Brief aus der Senne. (…). Wir fahren morgen früh um 8 Uhr hier ab und sind um 3 Uhr wieder in Köln-Meerheim. Vielleicht rücken wir nächste Woche schon ins Feld. Wenn wir am Sonntag noch in Köln sind, so musst Du unbedingt dort hinkommen, mit Adolf. (…). Ich sähe euch gern noch einmal wieder. Ich rücke ganz bestimmt mit aus. Wenn Du kommst, so kannst Du mit dem ersten Zug von Lippstadt fahren. (…). Wenn wir aber eher als Sonntag ausrücken, so bekommst

Du auch Bescheid. Ich bitte Dich, erfüll mir die Bitte, die ich auch auf der Karte ausgedrückt habe, wenn es eben geht, ich weiß ja noch nicht, ob ich je wieder etwas davon habe, einmal ist mir der Urlaub schon abgeschlagen, ich will ihn aber noch einmal wiederholen, vielleicht glückt es. Denn ich sähe euch noch einmal sehr gern, mach Dich nur nicht bange für die Fahrt. (…). Dann wenn Du mit dem ersten Zug fährst, bist Du um 11 Uhr in Köln. (…). Diesen Brief werfe ich hier in den Postkasten, wenn Du ihn bekommst, sind wir schon in Meerheim. Wenn ich bei der Durchfahrt in Lippstadt einen sehe, so will ich einen Gruß bestellen. Jetzt will ich schließen und beten zu Gott, dass er uns glücklich nach dem Feldzug wieder zusammenführt, sieh nur zu, dass dort alles gut geht, bis aufs Wiedersehen. Es grüßt Dein Dich liebender Mann – Johannes Sellmann“

Hamm 02.03.1915 (Feldpostkarte)

„Liebe Frau. Theile Dir eben mit, dass ich auf der Fahrt nach Russland bin. Dein Dich liebender Mann Johannes Sellmann Gruß Franz Hense, J. Johannknecht“ (Anm.: mit an die Front reisende Westernkötter)

Gardeleben 04.03.1915 (Feldpostkarte)

„Liebe Frau und Kinder. Von Gardeleben, wo wir abgefüttert wurden, am 3ten des Mittags um 12 Uhr, sende ich Dir die besten Grüße.

Morgen Abend sind wir in Thorn, dort bekommen wir Gewehre und Seitengewehre, auf Wiedersehen – Dein lieber Mann.“

Russland 07.03.1915

„Liebe Frau und Kinder. Wir sind gestern Nachmittag hier angekommen und liegen ungefähr 600 Meter hinter der Schlachtfront. Jetzt möchte ich Dir auch schreiben, was ich noch nötig habe, eine Taschenlampe mit 2 Ersatzbatterien, dann schick bitte ein paar Kerzen mit. Adresse: Gefr. d. Res. Sellmann

7. Kgl. Inf. Reg. N 141- 2. Bat. 35 Div., 17. Armeekorps – Russland Bis jetzt geht es mir noch gut. Gott wird mich wohl beschützen. (…). Am Dienstagabend sind wir um ½ 6 in Köln eingestiegen und am Samstagmorgen in Lowitsch (?) ausgestiegen. Das waren 3 Tage und 4 Nächte. Es grüßt vielmals Dein lieber Mann und treuer Papa Johannes.“

Bolinow 20.3.1915 – Feldpostkarte –

„Liebe Frau und Kinder. Da ich jetzt gerade Zeit habe, will ich euch eine Karte schreiben. Ich habe kein Briefpapier – einen Brief kann ich nicht schreiben. (…). Die anderen Karten habt ihr hoffentlich erhalten, hoffentlich ist der Krieg bald zu Ende, betet nur, dass ich gesund wiederkomme. Es grüßt vielmals Dein Dich treu liebender Mann Johannes. Viele Grüße von Engelbert Johannknecht – Josef Hense.“

Bolinow 20.03.1915 – Feldpostbrief –

„Liebe Frau und Kinder. Jetzt gerade habe ich einen Briefbogen und Umschlag erwischt (…). Wir liegen hier mit 4 Mann von unserer Heimat zusammen, 3 Westernkötter und einer aus Lippstadt. Es geht uns ganz gut. Uns fehlen nur Kerzen und Schmalz, Tabak und eine Pfeife. (…). 1 Paar Strümpfe und Fußlappen könnte ich auch gebrauchen. (…). Ich kann hier nicht viel schreiben, denn das Schreibmaterial ist rar. Hier ist es sehr kalt (…). Der Krieg wird nicht mehr lange dauern, denn sie sind es alle leid, man sehnt sich nach der Familie zurück. Wenn wir gesund und munter wieder zurückkehren, dann wollen wir Gott danken und bitten, das nicht sobald wieder Krieg ausbricht, denn das ist nichts schönes. Wie geht es den beiden Kindern denn, sind sie noch gesund und munter, gern sähe ich sie mal. Es ist jetzt bald ein viertel Jahr her, das ich von zu Hause bin, die Zeit vergeht doch schnell – in einem Vierteljahr werden wir wohl wieder zu Hause sein. Was fängt der Vater und Mutter an, sind sie alle noch gesund und munter. Hier wird man nicht gewahr, was es eigentlich so gibt – ob bald Frieden wird oder ob es noch weiter geht. In den Karpaten soll es heiter abgehen. Hier wird nicht mehr vorgegangen – wir liegen hier fest.

Es grüßt vielmals dein lieber Mann Johannes. Grüße an Kinder und alle.“

Bolinow 23.3.1915 – Feldpostkarte –

„Liebe Frau und Kinder. Euren Brief habe ich heute Morgen erhalten, man ist doch immer gespannt auf etwas Neues aus der Heimat. (…). Der Krieg wird wohl bald zu Ende sein (…). Du musst es nicht übelnehmen, ich kann nicht regelmäßig schreiben. Es grüßt Dein Dich treu liebender Mann Johannes Herzliche Grüße sendet Hense.“

Bolinow 24.3.1915 – Feldpostbrief –

„Liebe Frau und Kinder. Heute war die Kantine hier, da hab ich etwas Briefpapier bekommen nun will ich auch sofort schreiben. (…). Da hab ich mir heute eine Wurst gekauft, die wog 3 Pfd. – die kostet 6 M, etwas Speck und Schmalz bekommen wir vom Regiment. (…). Wir 4 Kameraden sind immer noch zusammen. Hoffentlich bleiben wir alle am Leben, wenn wir wiederkommen, gibt es einen Freudentag. (…).

Ich schreibe nach nirgends hin als bloß nach Dir, denn wenn man Ruhe hat, so will man sie auch genießen, man wird so ziemlich müde, denn man bekommt nicht viel Schlaf. (…). Hoffentlich sind wir zur Ernte wieder zurück. Es ist doch gut, dass der Krieg nicht bei uns geführt wird, Du sollst hier die Länder mal sehen, hier sieht es aus. Das Land bekommen sie hier in 2 Jahren nicht wieder zurecht, denn die Schützengräben sind über 2 Meter tief. (…). So lange wie wir hier sind, sind wir noch nicht richtig im Gefecht drin gewesen. (…).

Russland 27.3.1915 – Feldpostbrief –

„Liebe Frau und Kinder. Soeben habe ich das Paket mit der Wurst und Kerzen und Zucker erhalten. Am meisten gefreut haben mich die Kerzen, denn die kann man am besten gebrauchen, (…). Der Zucker ist auch sehr willkommen. (…). Es gibt alle Tage 53 Pf., das macht für jeden Tag nicht ganz ½ Pfund Wurst oder Fleisch.

Wenn der Frieden nur bald käme, denn wir sind es alle leid, bei unserer Kompanie sind noch 7 Mann, die von Anfang an mitgemacht haben und noch nichts abgekriegt haben, nun kannst Du Dir denken, was die 141 haben dran glauben müssen. Von unserem Ersatz von Köln sind schon 2 Mann verwundet – alle beide an den Knien. Die Kerzen konnte ich heute Abend schon gebrauchen, denn wenn ich sie nicht gehabt hätte, hätte ich den Brief nicht schreiben können. Wir liegen hier in einem Unterstand, 1 m tief in der Erde, über uns ist Holz gelegt und über das Holz Erde, damit die Kugeln nicht durchschlagen. (…). Viele Grüße an alle Bekannte und Verwandte, besonders an die Kinder, sendet Dein Dich liebender Mann Johannes.

Ich bete fast jede Nacht auf Posten 2 x den Rosenkranz. Auf Wiedersehen.“

Westernkotten 28.3.1915

„Lieber Mann. Heute ist Sonntag, dann hat man wohl Zeit dazu. Deine beiden Karten habe ich am Freitag erhalten, eine vom 1. und eine vom 20. Man freut sich jedes Mal, wenn ein Lebenszeichen ankommt. Die beiden Kinder sind noch recht munter. Johannes ist tüchtig gewachsen, den kennst Du nicht wieder. Adolf erzählt mir schon oft was Du ihm mitbrächtest – Hauptsache ist Schokolade. Dein Bruder schrieb diese Woche, dass er käme, wir warten jeden Tag darauf. Hier sind wieder zwei gefallen, die beiden Brüder Feldewert-Aschenpeters – einer in Frankreich und einer in den Karpaten.

Mein Bruder schreibt auch traurige Briefe – seine linke Hand wäre ihm verfroren. Der Krieg bringt doch ein schreckliches Elend in die Welt. Wir können nichts tun wie beten, dass Dich der liebe Gott beschützt. Diese Woche ist wieder Ziehung, bis zum 46. Jahre müssen sie jetzt hin, der gediente Landsturm ist weg bis 45. Hier ist fast nichts mehr wie alte Leute, man sollte doch meinen, dass der Krieg nicht mehr lange dauert. Neulich wurde erzählt, am 28. April gäbe es Frieden. Gäbe der liebe Gott, dass es wahr würde. Jetzt geht es wieder in die Gärten, Bohnen und Erbsen habe ich gepflanzt. (…). Diese Woche sind unsere Ziegen melk geworden, die beiden Kinder freuen sich über die Milch, die schmeckt ihnen gut. (…). Viele Grüße senden Dir Deine Dich liebende Frau und die lieben Kinder. Gruß an Nachbar Hense, auch von seinen Eltern.“

Westernkotten 1.4.1915

„Lieber Mann – (…), gestern habe ich eine Karte von Dir gekriegt, die Du am 23. geschrieben hast. (…). Gestern habe ich Dir etwas Schmalz geschickt, was Du nötig hast, musst Du schreiben. (…). Pütter ist immer noch in Minden, der hat doch Glück. Gestern mussten sie wieder zur Ziehung, bis 46 Jahren sind sie jetzt hin gewesen. Duwentester und Peters Heinrich sind bei der Artillerie geschrieben. Johannes Linnemann bei der Infanterie, von den anderen weiß ich noch nichts genau. Es will noch gar nicht warm werden, des Nachts friert es noch immer. Bei euch soll es wohl viel kälter sein. Man muss immer denken, nach dieser Leidenszeit schickt der liebe Gott eine bessere. In dieser Kriegszeit hat man richtig beten gelernt, hoffentlich gibt es bald Frieden, dann gibt es aber ein fröhliches Wiedersehen. (…). Viele Grüße Deine liebende Frau und Deine Kinder. Soeben erhalte ich Deinen Brief vom 20ten. Ich schicke gleich noch ein Paket mit Strümpfen ab.“

Westernkotten 4. April 1915 (Anm.: POST VON DEN SCHWIEGERELTERN)

„Lieber Johannes (…). Es ist heute der erste Ostertag, aber man denkt kaum daran, mit den Gedanken ist man immer im Kriege. Ihr sollt auch wohl nichts von Osterfreude spüren, man dachte immer um diese Zeit wäre Frieden, aber man sieht und hört nichts davon, wenn doch diesem grausamen Spiel bald ein Ende gemacht würde. (…). Unser Vater ist jetzt gerade mit den Schafen raus gezogen (…), die Lämmer haben wir jetzt alle, es sind lauter schöne. Euer Adolf hat da jetzt viel Arbeit mit, der kommt jetzt immer von eurem Hause allein nach uns, dass ist ein „dicker Kollege“ von unserem Adolf.

Unser Joseph hat am 24. März das letzte geschrieben, dem geht es in den Karpaten auch nicht gut. Die sind da verfroren und Hunger mussten sie auch leiden. Er hatte erst 4 Tage Revier und dann ging es wieder los.

Lieber Johannes, wir wollen fest auf Gott vertrauen, dass er unser Gebet erhören wolle und schenke uns den Frieden. Dann werdet ihr bald alle in die Heimat zurückkehren. (…). Diese Woche waren hier viele im Urlaub, sind  aber schon wieder fort, bloß Schrop hat länger Urlaub. (…). Sei vielmals gegrüßt von Deinen Schwiegereltern – auch ein Gruß an Franz Hense – Auf ein frohes Wiedersehen.“

Bolinow 4.4.1915

„Liebe Frau und Kinder. Heute Morgen habe ich das Paket mit Wurst erhalten – meinen besten Dank. Den Brief habe ich auch erhalten – vom 28.3. Es fällt doch mancher in diesem Kriege. In den Karpaten soll es heiter hergehen, bei uns ist es nicht so schlimm. Heute haben wir wieder 200 Gefangene gemacht, die kamen zu uns rüber gelaufen. Wenn wir hier bleiben, so kann man wohl hoffen, dass ich gesund und munter zurückkehre, wenn er nur bald zu Ende wäre. Dieses ist doch kein Leben, wenn man immer so in der Erde liegt. Da sind Löcher von einem Meter tief in der Erde, da ist etwas Stroh drin, da liegt man drauf.

(…) Liebe Frau, Tabak brauchst Du nicht schicken, aber eine Pfeife möchte ich gerne und Zucker und von dem Öl gegen die Läuse – wir haben sie alle hier. Hier in Russland sitzen in jedem Winkel welche. Wie geht es Fritz Fortmann denn, ist er noch immer gesund und munter? Es sind bis jetzt 7 gefallen nicht wahr? Wie geht es Franz Merschmann, ist der noch nicht wieder gesund? Haben sie von Lorenz Hilwerling noch nichts wieder gehört, ist der wohl tot? (…). Fröhliche Ostern – Auf Wiedersehen – Viele Grüße an die Kinder, an alle Verwandte und Bekannte, besonders an die Schwiegereltern.“

Westernkotten 5.4.1915

„Lieber Mann. Heute am zweiten Ostertage habe ich Deinen Brief bekommen, den Du am 24. geschrieben hast. (…). Jetzt geht die Arbeit draußen los. Dein Bruder ist noch nicht hier. Er schrieb, diese Woche würde er entlassen. Dein Paket von Köln-Meerheim habe ich nicht bekommen. Wenn Du dasselbe dort selber abgeschickt hast, dann ersetzt es die Post. Am Donnerstag hat mir Herr Ferdinand einen Brief aufgesetzt, den hab ich in Meerheim an die Post geschickt und angefragt, wie es mit dem Paket ist. (…). Du wirst doch wohl hoffentlich auch was bekommen haben, ich habe bis jetzt 9 Pakete abgeschickt, im zweiten war die Taschenlampe, um die Du schriebst.

Franz Merschmann hat mich dieser Tage auch besucht (…), er sieht wieder recht frisch aus. Sein Bruder Wilhelm ist in den Vogesen, muss Schützengräben machen. Dirks (? Duricks) Wilhelm (Anm. Wilhelm Kemper ?) war zwei Tage auf Urlaub hier, der sieht schlecht aus, er ist in Münster. Lüning, Kleine Schrop und Eickmann waren auch auf Urlaub hier, die rücken diese Woche ins Feld. Maas, der bei Dir auf der Bahn war, ist auch vor 14 Tagen ins Feld gerückt. Der Schneider Gödde war ein Tag auf Urlaub hier, der ist jetzt an der holländischen Grenze und wird dort ausgebildet. Es ist wenigstens ein Trost für mich, das alle weg müssen, dass ihr es nicht alleine seid. Fritz Dietz ist auch bei der Infanterie geschrieben, der ist jetzt mit den ersten, die weg müssen. Viele Grüße senden Dir Deine liebe Frau und Deine Kinder, die liegen jetzt in süßer Ruh und träumen vom lieben Papa. Ich träume jede Nacht von Dir …“

Westernkotten 8.4.1915 Postkarte „Deutsche Ostergrüße“ – Abs. Familie Pöttker

Westernkotten 9.4.1915

„Lieber Mann. (…). Heute habe ich Deinen Brief vom 27. und die Karte vom 1. erhalten. Gestern bekam ich die Karte, die Du am 31. geschrieben. Das ist jedes Mal eine Freude, wenn Du geschrieben hast. Ich bin froh, dass Du erst Pakete bekommen hast, gestern habe ich Dir etwas Zucker geschickt, morgen schicke ich etwas Tabak und Kerzen. (…). Vater sagte heute, wir hätten schönes Korn im Felde.

Gestern schrieb Dein Bruder, Du hättest ihm noch nicht geschrieben. Adr.: Musketier Joseph Sellmann, Waldmichelbach im Odenwald. Mein Bruder hat heute auch wieder geschrieben, der hat 8 Tage Schonung bekommen, an der linken Hand sind ihm drei Finger erfroren und an einem Fuß die große Zehe. Er hätte sich einen Schuh abgeschnitten, das er noch gehen kann.

Adresse: Musk. Schröer 3. Komp. Inf. 41. 1. Armeekorps 1. Div. Heute haben uns Linnemanns eingeladen, auf Samstagnachmittag, dann kommuniziert Joseph.

 Hier wird erzählt, Lorenz Hilwerling sollte auch noch leben, der wäre in Algier in Gefangenschaft. Was sollte sich seine Frau freuen, wenn es Frieden gibt und er auch ankäme. Wir können auch nur so am Beten bleiben, dann wird Dich der liebe Gott auch wohl gesund zu uns zurückführen. Die Kinder und ich sind recht gesund und munter.

Johannes hat rote Bäckchen bekommen. Adolf ist zufrieden, wenn er nur gehen kann, er geht schon ganz alleine und holt mir was. (…). Deine Dich liebende Frau und Kinder.“

Bolinow 9.4.1915

Liebe Frau und Kinder. Das schöne Osterfest ist vorüber, hoffentlich habt ihr es in bester Gesundheit erlebt. Mir geht es hier noch ganz gut und meinen Kameraden auch. Das Paket mit Tabak und Pfeife habe ich erhalten. Die Pfeife konnte ich gut gebrauchen, denn meine war schon länger kaputt. Aber Tabak brauchst Du nicht mehr zu schicken, den bekommen wir hier genug. Die Familie Gockel hat mich auch wieder bedacht, sie schickten mir ein Paket mit Speck, Wurst und Zucker, den Zucker kann man hier am besten gebrauchen. Dein Paket mit Wurst habe ich jetzt auch er- halten. Ich bekomme überhaupt jetzt alles. Du hast mir im letzten Brief viel Neues geschrieben, die alle Soldaten werden mussten, die sollen aber Augen machen, wenn die mal in Feindesland kommen.

Was fangen die Schwiegereltern denn an, sind sie alle noch gesund und munter oder sind sie auch verzagt. Sie dürfen die Hoffnung nicht sinken lassen, denn so lange man noch am Leben ist, solange geht’s immer noch.

Mein Bruder Joseph hat mir auch geschrieben, dass er wieder fortmüsse. Ich glaube bald, der Krieg wird geführt bis auf den letzten Mann.

Von dem Öl gegen die Läuse kannst Du auch noch mal schicken, das tut gut (…). Mit meinen Füßen geht es auch wieder besser, die Zehen waren mir erfroren. (…). Viele Grüße an die Kinder und an alle Bekannte und Verwandte, Dein Dich liebender Mann Johannes.“

Zusätzlicher Zettel: „Oestereiden 12. April 1915 von Familie Gockel und Sophia – Gruß an Franz Hense.“

Westernkotten 14.4.1915

„Lieber Mann. Gestern habe ich Deinen Brief und die Karte erhalten, die Du am 4. geschrieben hast. (…), ich schicke Dir noch einmal was gegen die Läuse, meinem Bruder haben sie auch schon oft was geschickt, der war auch steif voll, der hat jetzt drei Wochen nicht mitmachen brauchen, weil er nicht gehen konnte. Dein Bruder ist noch im Odenwald. August Möllers ist in französische Gefangenschaft geraten. Das Wetter ist jetzt schön, unsere Erbsen und Bohnen sind am Aufgehen. Gestern habe ich Kartoffeln gepflanzt, nun bin ich am Runkeln drin machen (Anm.: SÄEN). Man hat doch jetzt mehr Arbeit, seit Du weg bist, sonst halfst Du des Abends noch. Die Hauptsache ist, dass man noch gesund ist und tüchtig was kann. So wie es heißt, soll es bald Frieden geben, was müsste das schön sein, wenn ihr jetzt zurückkämet. Wir müssen nur eifrig am Beten bleiben, dann beschützt Dich auch der liebe Gott. Lieber Mann, lasse nur den Mut nicht sinken, einmal kommt der Freudentag, wo die Siegesglocken läuten.

Es grüßt Dich vielmals Deine Dich liebende Frau. Auf ein frohes Wiedersehen.

An Hense sollst Du noch einen Gruß bestellen von seinen Eltern. Seine Mutter will ihm Sonntag schreiben, die sind auch flott am Graben und noch beide gesund.“

Bolinow 16.4.1915

„Liebe Frau und Kinder. Ich bin jetzt gerade von der Wache zurückgekehrt und habe 2 Stunden Ruhe – es ist nachts 11 Uhr – um 1 Uhr muss ich wieder raus. Diese 2 Stunden will ich benutzen, Dir einen Brief zu schreiben. (…). Jetzt will ich Dir auch schreiben, dass ich schon oft im Schützengraben gewesen bin. Du musst aber nicht erschrecken, das ist so schlimm nicht. Wir haben ja wohl täglich Verluste, aber Gott hat mich noch immer beschützt. Er wird mich auch hoffentlich weiter beschützen. Hier im Graben hat man auch Zeit zum Beten. Ich bete täglich nachts den Rosenkranz. Wenn wir hier bleiben, werden wir hoffentlich die Heimat wieder sehen. Mein Bruder hat mir auch eine Karte geschrieben, dass er am 7. wieder ins Feld rückte, ich dachte doch, der braucht überhaupt nicht wieder los. Franz Hense ist abkommandiert, der braucht nicht mehr mit in den Schützengraben, der ist bei dem Baukommando.

Das Paket mit Pfeife und Tabak und Schmalz habe ich erhalten. (…). Dass meinem Schwager Joseph die Hand verfroren ist, kann ich mir wohl vorstellen, denn dort ist es noch kälter wie hier. Von Gockel (Oestereiden) habe ich schon wieder ein Paket erhalten, der denkt doch öfter an seinen Schwager, ich werde es ihm nicht vergessen. (…).

Die Schwiegereltern haben mir auch einen Brief geschrieben, unser Adolf käme allein dahin, dass ihm aber unterwegs nichts passiert. Das wäre schrecklich, wenn man nach Hause käme und eins von den Kindern fehlte. Kommst Du auch aus mit dem Gelde, was Du bekommst, schreib doch mal bitte darüber.

Jetzt will ich schließen, die 2 Stunden sind bald rum. (…). Dein Dich liebender Mann Joh. Sellmann.“

Westernkotten 18.4.1915

„Lieber Mann. Jetzt ist Sonntagnachmittag, dann hat man Zeit zum Schreiben. Deine Karte vom 6. habe ich erhalten. Mit Sehnsucht sieht man den Briefträger entgegen und freut sich jedes Mal, wenn man was kriegt. Diese Nacht kam Dein Bruder Joseph an, musste heute Morgen aber schon wieder weg. Er musste nach Salzuflen in die Garnison, dort würde er untersucht, dann kommt er vielleicht ein paar Tage auf Urlaub. Er konnte wieder ganz gut gehen. Er hatte noch einen Kameraden dabei, der hatte zwei steife Finger bekommen. Mein Bruder ist aus den Karpaten auch raus. Er hat am Freitag geschrieben, er befände sich auf der Fahrt ins Lazarett, jedenfalls käme er nach Dresden. Wir wissen es aber noch nicht bestimmt, wo er hingekommen ist. Die Hauptsache ist, dass es bald Frieden gibt, es meinen ja alle, dass es nicht mehr lange dauert. (Es folgen Mitteilung über die Feldbestellung und Witterung: düngen, pflanzen, Kosten dafür, wie Korn und Klee stehen).

Frau Hilwerling hat einen Jungen geboren, diese Tage wurde erzählt, ihr Mann Lorenz solle in Gefangenschaft sein, aber man sollte meinen, dann hätte er schon geschrieben, mit dem sind es 8, die gefallen sind. Wir wollen nur fortfahren im Gebete, dann wird Dich der liebe Gott wohl zurückführen. (…). Deine, Dich liebende Frau.“

Westernkotten 20.4.1915

„Lieber Mann. Ich schicke Dir noch ein Mittel gegen die Läuse, hoffentlich gehen sie davon weg. Gestern habe ich Dir bei Kessings ein Fläschchen Kognak zurechtmachen lassen, hoffentlich schmeckt Dir das gut. (…). Du wirst doch jetzt schon mehr Pakete bekommen haben, auch die Pfeife, es sind eine ganze Menge unterwegs. (…). Deine Dich liebende Frau und Deine Kinder.“

Russland 21.4.1915

„Liebe Frau und Kinder. (…). Hier ist jetzt schönes Wetter, ich glaube, man kann das Unterzeug bald ausziehen, nur die Nächte sind noch etwas frisch, aber frieren tut es hier nicht mehr.

Das Paket mit den Strümpfen kam mir auch gut zu statten, denn ich war gestern Abend auf Patrouille, da kam ich bis ans Knie ins Wasser, da war ich froh, dass ich neue Strümpfe und Fußlappen hatte. Wenn Du wieder ein Paar hast, so kannst Du sie nur schicken. Die Fußlappen können etwas größer sein.

Das Paket mit Zucker konnte ich auch gut gebrauchen, denn wir bekommen viel Tee – und der Tee ohne Zucker, der schmeckt nicht. Am Sonntag, den 18. haben wir eine heilige Messe gehört. Die wurde in einer großen Scheune abgehalten. Am 2. Ostertag habe ich auch eine gehört, sonst kriegt man hier wenig vom Sonntag.

Die Russen schießen am Sonntag gerade so gut, wie am Werktag. Aber habe bis jetzt jeden Tag noch den Rosenkranz gebetet, hoffentlich gibt der liebe Gott bald Frieden, dass wir wieder glücklich zusammenleben können.

Wenn Du wieder ein Paket abschickst, tue auch einen Bleistift hinein. Ich habe keinen mehr und auch Briefbögen, die sind auch alle. Soeben erfahre ich, dass der Unteroffizier Cordes gefallen ist. Der hatte auch von Anfang an mitgemacht, die werden dann leichtfertig, gewöhnlich geht es dann so. Er hat einen Schuss in den Kopf erhalten. Die Russen schießen hier sehr gut.

Es grüßt vielmals Dein Dich liebender Mann, viele Grüße an die Kinder und (…). Auf Wiedersehen!“

Westernkotten 21.04.1915 Feldpostkarte

„Lieber Mann. Heute Morgen habe ich Deinen Brief vom 9. erhalten. Ich habe Dir sofort Hosenträger geschickt und Zucker.

Von Deinem Bruder habe ich heute Morgen auch wieder eine Karte bekommen. Er ist in Salzuflen und schreibt, dass er keinen Urlaub bekäme. Mein Bruder liegt in Sagan in Schlesien im Lazarett. Ihm sind die Finger an der linken Hand erfroren. (…). Hoffentlich nimmt der Krieg bald ein Ende und wir sehen uns alle wieder. (…).

Viele Grüße von uns allen senden Dir Deine liebe Frau und Deine lieben Kinder.“

Westernkotten 24.4.1915 – Postkarte

„Lieber Mann. Gestern am 23. bekam ich Deinen Brief vom 16. und die Karte vom 17. Franz Hense hat geschrieben, er läge seit dem 14.4. im Lazarett wegen Magenerkrankung, weißt Du da nichts von? Seine Mutter macht sich viel Unruhe um ihn.

Ich schicke Dir jetzt etwas Schmalz und Schinken. (…). Deine Dich liebende Frau und Adolf und Johannes.“

Bolinow 24.4.1915

„Liebe Frau und Kinder. Heute Morgen habe ich die beiden Pakete erhalten. (…). Sage Dir meinen besten Dank, aber jetzt sehe ich, dass Du Deinen Mann noch lieb hast, denn sonst hättest Du mir den Schnaps nicht geschickt. Das brauchst Du aber nicht wieder zu machen, denn etwas muss man sich doch auch abtöten, obschon man es schon schlecht genug hat, aber ohne Schnaps kann man wohl leben, schick dafür nur Zigarren, denn Kautabak ist hier nicht zu haben. Du brauchst aber auch keinen schicken, denn wir haben hier ziemlich viel Rauchtabak.

Zucker und so was, das ist hier die Hauptsache. Fahret nur fort im Gebet, dann wird der liebe Gott wohl bald Frieden geben und dann gibt es ein frohes Wiedersehen.

Von Linnemanns habe ich heute auch ein Paket mit 25 Zigarren erhalten, das hat mich sehr gefreut und ich habe auch sofort einen Brief geschrieben. Viele Grüße sendet Dein lieber Mann Joh. Sellmann

Vom Nachbar Pöttker habe ich auch eine Karte erhalten. Kannst ihnen meinen Dank aussprechen. (…). Also – Auf Wiedersehen in der Heimat.“ Feldpostkarte von Joseph Jacobi (ohne Text)

Bolinow 28.4.1915 – Brief beschädigt

„Liebe Frau und Kinder. Soeben habe ich Post empfangen und zwar die Hosenträger, den Zucker und die Karte vom 9ten. Sage Dir auch meinen besten Dank. Wir sind heute Morgen aus dem Schützengraben zurückgekommen.“

Westernkotten 29.4.1915

„Lieber Mann. Gestern habe ich Deinen Brief bekommen, den Du am 21. geschrieben hast. (…), hier im Garten kann ich die Erbsen schon Stöckern. Der Salat ist schon grün, die frühen Obstsorten stehen in voller Blüte, unser Birnbaum ist weiß von Blumen. Adolf sagte gestern. Papa müsste bald Birnen runter schütteln. Adolf und ich beten jeden Tag zur Muttergottes, dass Du doch zurückkehrest, denn die erhört jede Bitte, besonders von einem unschuldigen Kinde, vergesse Du auch das Beten nicht. Franz Hense liegt in Lowitsch im Lazarett wegen Magenerkrankung. Er hat geschrieben, dass er nach Deutschland geschickt würde. Mein Bruder liegt in Schlesien, aber das Verfrieren zöge wieder raus. Dein Bruder liegt in Salzuflen, vielleicht bekommt er noch Urlaub. Heute muss Rudolf Löper weg, am Samstag Theodor Jungemann und Merschmann, der an der Bahn ist (…).

In Frankreich hat es in den letzten Tagen tüchtig zugegangen, es muss dort bald aus sein.

In dem letzten Briefe schreibst Du, wie ich mit dem Geld auskomme. Lieber Mann, mach Dir nur keine Sorge um uns, zu Essen haben wir genug. Ich bekomme bis jetzt 36 Mark im Monat, 12 von der Fabrik, 24 vom Staate. Die Lebensmittel sind alle noch mal so teuer wie im Frieden. Ich habe 4 Zentner Kartoffeln verkauft – für 20 Mark. An Rechnung muss ich Lenze noch bezahlen, der bekommt 6 Mark, sobald ich es überhabe, bringe ich es ihm. Den Schuster habe ich bezahlt, der bekam 16 Mark. – Viele Grüße senden Deine liebe Frau und die lieben Kinder – bis zum Wiedersehen.“

Bolinow 29.4.1915 – Feldpostkarte –

„Liebe Frau und Kinder (…). Von Hense weiß ich seit dem 1. April nichts mehr, von da wurde er abkommandiert zum Baukommando. Ich will mich mal erkundigen nach ihm, dann werde ich es schreiben. – Es grüßt vielmals Dein lieber Mann Joh. Sellmann. Grüße die Kinder!‘“

Schützengraben 2.5.1915

Liebe Frau und Kinder. Da ich jetzt gerade Zeit habe, will ich Dir einen Brief schreiben. Wir liegen hier im Unterstande, das ist eine Erdhöhle. 2 Kameraden, einer aus Graudenz und einer aus Schaumburg. Der von Graudenz, das ist mein bester Kamerad, Er heißt Johann Bruskorski (?) ist 28 Jahre alt und auch verheiratet und hat ein Kind. Der hat schon von Anfang an mitgemacht.

Wenn man so einen bei sich hat, dann ist man immer etwas ruhiger. Diese 3 Tage, 1., 2. und 3. Mai werde ich nicht leicht vergessen. Wir haben 3 x Scheinangriffe gemacht, da wurden wir ordentlich von der russischen Artillerie beschossen. Die Eisenstücke flogen uns um den Kopf.

Wir dürfen nur das Beten nicht vergessen, dann wird mich Gott wohl beschützen. Morgen sind wir noch im Graben, wenn wir rauskommen, schicke ich den Brief ab.

Als wir am 1. Mai in den Graben kamen, da war alles so schön still den ganzen Tag durch und die Nacht auch. Als am 2. Mai um 2 Uhr der Morgen graut haben wir uns mit den Russen unterhalten.

Mein Kamerad Bruskorski (?), der konnte polnisch und er fragte, ob sie Schnaps hätten. Da sagten sie, wir sollten nur kommen, sie hätten genug. Dann fragte er, ob bald Frieden wäre. Da sagten sie uns, wenn die Deutschen aus den Karpaten sind, dann gibt es Frieden, eher nicht. Wir wollen aber hoffen, dass der Monat Mai uns den ersehnten Frieden bringt.

Wenn Du wieder ein Paket schickst, dann tue wieder ein Stück Seife darein, denn die kann man hier nicht bekommen. – Ich habe nach Franz Hense gefragt bei der Kompanie, die wussten auch nicht in welchem Lazarett er ist.

Die Pakete für ihn haben Johannknecht und ich empfangen, denn nachgeschickt wurden sie ihm nicht und zurückschicken konnten wir sie auch nicht. (…). Es grüßt vielmals Dein lieber Mann Johann.“

28. April 1915 – Feldpostkarte –

„Lieber Freund. Teile Dir kurz mit, dass ich in Berlin ins Lazarett gekommen bin. Mir geht es sonst ganz gut, was ich auch von Dir hoffe. Herzliche Grüße – Dein Freund F. Hense Gruß an alle Kollegen. Aufs Wiedersehen. – Ich habe noch eine Löhnung rückständig, frag mal an, ob mir die kann geschickt werden.“

Salzuflen 1. Mai 1915 – Feldpostkarte –

„Lieber Bruder. Ich bin in der Garnison in Salzuflen b. Paderborn. (…), meine Füße sind wieder ganz gut. Am 29.4. ist ein großer Transport von hier abgefahren, ich sollte sofort wieder mit, aber ich habe Glück gehabt. Ich fahre heute auf Urlaub, wie lange weiß ich nicht. – Kloppt nur feste die Russen, in Frankreich geht es auch wieder feste ran. Wenn ich vom Urlaub komme, melde ich mich sofort wieder nach Frankreich. – Lieber Bruder, bleib gesund und munter – bis zum Wiedersehen, Es grüßt Musketier Sellmann. Gruß an Deine Kameraden“.

Oestereiden 3. Mai 1915

„Lieber Schwager Johann. Deinen Brief haben wir erhalten, welcher uns sehr erfreut. (…). Joseph ist wieder hinter den Schafen. Heute ist er nach Paderborn und will noch welche kaufen. (…). Die Kühe sind alle auf der Weide. – Hoffentlich könnt ihr auch bald das schöne Leben hier wieder genießen. Sei vielmals gegrüßt von Familie Gockel und Sophia. Auf baldiges Wiedersehen‘“

Westernkotten 4. Mai 1915

„Lieber Johannes (v. d. Schwiegereltern). Ich will Dir auch eine Kleinigkeit schicken. Das ist eine kleine Erfrischung. Dein Bruder Joseph ist auch 8 Tage in Urlaub hier. Anton Gerling ist auch gestern Abend gekommen, der hat auch 14 Tage. – Gestern haben die Deutschen ja wieder tüchtig gesiegt, nun sie werden die Russen wohl bald fertig haben, dann gibt es Frieden. (…). Nun sei vielmals gegrüßt – von uns allen. Familie Adolf Schröer. – Auf ein frohes Wiedersehen“.

Westernkotten 6. Mai 1915

„Lieber Mann. Ich muss Dir erst wieder ein paar Reihen schreiben. Gestern erhielt ich Deine Karte, die Du am 29. geschrieben hast. Wie ich Dir geschrieben habe, ist Dein Bruder auf Urlaub hier. Montagabend muss er wieder in Salzuflen sein. (…). Es folgen Berichte über die ausgeführten Feldarbeiten und der Zusatz: Ich bin froh, dass wir das vorbei haben.

Franz Hense liegt in Berlin im Lazarett wegen Schwindelanfälle, was das eigentlich ist, weiß ich nicht. Anton Gerling ist vorgestern auf Urlaub gekommen, der sieht wie sonn halben Russen aus. Das Kommen ist schön, aber der Abschied umso härter. – Die Landwirte haben mehr Urlaub gehabt. Klössners Franz und Theod. Dabrock waren auch hier, die mussten gestern wieder weg. (…). Am Samstag ist von Lenzen Kerssebaums ein Kind im Bach ertrunken und gestern beerdigt. Franz Pütter hat 14 Tage Urlaub, ist noch in Minden (…).

Wir wollen nur fortfahren im Gebet, dass es ein recht baldiges Wiedersehen gibt. Viele Grüße senden Dir Deine Dich liebende Frau und beide Kinder“

Bolinow 6.5.1915

„Liebe Mama und Kinder, Dein Paket mit den Strümpfen habe ich heute erhalten. Sage meinen besten Dank. Meine Strümpfe waren auch wieder kaputt. (…).

Jetzt geht es wieder 3 Tage in den Schützengraben, dort fliegen einem die Kugeln wieder um den Kopf. – Hoffentlich gibt es bald wieder Frieden, dass wir bald wieder glücklich heimkehren. Wenn ich Birnen schütteln soll, so müsst ihr erst Urlaub einreichen. Von hier bekommen mehrere Urlaub, um landwirtschaftliche Arbeiten zu machen.

Wenn wir 10 – 20 Morgen Land hätten, dann bekäme ich auch 15 – 20 Tage. Da wäre schön, wenn man mal 2 – 3 Wochen nach Hause käme. Ich glaube unser Adolf kennt mich nicht wieder, kennt er mich nicht auf dem Bilde oder doch?

Die Russen haben am 3ten hier einen Sturmangriff gemacht. Da haben sie aber ordentlich Wichse gekriegt – 50 Tote und eine Masse Verwundete und 70 Gefangene blieben in unseren Händen. Wir hatten gar keine Verluste – nur einen leicht Verwundeten. Wenn die Russen nur noch mal kämen, dann bekämen sie noch mehr Schläge, bis das keiner mehr da wäre, dann wäre bald Frieden. Im Schützengraben ist es ja ganz schön, wenn nur die Kugeln nicht so fliegen. Zu essen bekommen wir so ziemlich genug, sie sagen alle ich wäre bedeutend dicker geworden. (…).

Es grüßt Dein Dich liebender Mann Johann. Viele Grüße an die Kinder. Ich habe Hense auch geschrieben, er liegt in Berlin im Lazarett.“

Westernkotten (ohne Datum)

„Lieber Mann. Heute am zweiten Pfingsttage will ich Dir mal wieder ein paar Reihen schreiben. Du freust Dich doch auch sicher, wenn Du was von uns hörst. So oft wie Du kannst, schreibe mir doch ein paar Reihen, ich habe jetzt 8 Tage nichts bekommen. Die Sachen bleiben sicher liegen und kommen nicht pünktlich über.

Mein erster Gedanke des Morgens und mein letzter des Abends ist ja wie es Dir ergeht. Am Dienstag habe ich Dir Feldpostkarten geschickt, die wirst Du doch bekommen haben und mehrere Pakete sind unterwegs, morgen schicke ich Dir wieder was, wenn Du was nötig hast, so musst Du es nur schreiben. Johannes hält seinen Mittagsschlaf. Adolf ist, wie ich ihn angezogen hatte, nach Majannen gegangen, der kann es nicht im Hause aushalten. Wenn es jetzt so warm bleibt, geht es ans Schafe scheren. Der Regen ist hier sehr nötig, wir hatten schönen Klee (…). Mein Vater will ihn mähen für sich, was er dann wert ist, gibt der uns dafür. Mir ist es recht lieb, dann habe ich keine Last damit, Du hast doch sicher nichts dagegen.

Franz Hense ist noch in Berlin, sie haben auch einen Antrag gestellt, dass er nach Erwitte solle. Der Arzt habe geschrieben, er könne ihn noch nicht schicken. Was der sich wohl freut, das er dazwischen weg ist. – Heinrich Hense und Fritz Fortmann geht es bis jetzt noch gut. Emilie meinte, Pfingsten wäre Fritz wieder hier gewesen.

Ich dachte aber auch, dann wären wir alle wieder zusammen gewesen, der liebe Gott hat es noch nicht gewollt. Wir müssen nur noch geduldig sein und nicht verzagen, denn nach dieser Leidenszeit kommt auch wieder eine Freudenzeit. Wir wollen nur noch fleißig zur Muttergottes beten, dass sie Dich in ihren Schutz nimmt. Ich habe Adolf erzählt, die Muttergottes hätte einen Mantel, da käme Papa unter, dann könnten Dich die Russen nicht sehen, jeden Abend fragt er mich danach. (…). – Viele Grüße senden Deine Dich liebende Frau und beide Kinder, Aufs Wiedersehen“

Meerheim, den 7.5.1915 – Feldpostkarte –

„Lieber Herr Sellmann. Habe Ihre Karte schon lange erhalten und Sie müssen es mir nicht übelnehmen, dass ich Ihnen noch keine Antwort geschrieben habe, denn mein Mann liegt schon 2 Monate in Russland bei der…? und er kann sich schlecht schicken und Sie können sich denken, wo meine Gedanken sind. – Nun bitte schreiben Sie mir die Adresse Ihrer Frau, weil mir die abhandengekommen ist. Ihre Frau Kordes.“

Im Schützengraben 9.5.1915

„Liebe Frau und Kinder. Da ich jetzt gerade Zeit habe, so will ich Dir eben ein paar Reihen schreiben. Heute ist wieder der letzte Tag, das wir im Schützengraben sind – nämlich jede 3 Tage im Schützengraben. Dann kommen wir entweder in Reserve oder in Bereitschaft oder in Ruh. – Aber all end halben ist man seines Lebens nicht sicher, denn die Kanonen können uns überall erreichen. Gestern hatten wir einen Toten, der hatte einen Schuss durch den Kopf gekriegt und einen Verwundeten.

In den Karpaten haben sie wieder schöne Erfolge gehabt, 70 Leute gefangen und bei Liebau 16 Leute, das ist doch schon wieder etwas und 18 Geschütze. Die Hauptsache ist, dass sie ihnen die Gewehre und die Geschütze abnehmen, denn Leute hat er genug. Aber Kriegsmaterial wie Kanonen, Gewehre, Maschinengewehre und Munitionswagen die fehlen ihm. Wenn er seine ganze Artillerie noch hätte, dann wäre von uns keiner mehr da. Aber sie haben nur 7 oder 8 Geschütze stehen. Heute Nacht haben die Russen wieder gesungen und gespielt. Wir können es nämlich ganz gut hören. Wir liegen ungefähr soweit davon, wie von unserem Hause bis nach der Lehrerwohnung. Gestern – bei Tage kamen sie aus dem Schützengraben raus und liefen über den Rand und drohten uns mit einem Stocke.

Da legten 3 Mann an und als die Schüsse fielen, sanken 3 Russen tot zu Boden. Die Bande ist aber auch nicht mehr wert, denn wenn sie einen von uns sehen, dann schießen sie auch. – Gibt es denn noch nicht bald Frieden? Hier wird erzählt Italien und Österreich hätten sich auch gegenseitig den Krieg erklärt, ob es wahr ist? Heute ist Sonntag, sonst saßen wir um diese Zeit beim Mittagsmahl und jetzt muss man hier in Russland im Schützengraben liegen. Wir wollen immer auf Gott vertrauen, dann werden wohl bald bessere Zeiten kommen. – Viele Grüße von Russland sendet Dein Dich liebender Mann. Viele Grüße an die Kinder.“

Westernkotten „Lieber Mann. Heute ist der 10. Mai,

Dein Bruder musste soeben wieder weg. Er hat 10 Tage Urlaub gehabt. Seine Füße sind wieder richtig zurecht. Er meinte selbst, dass er jetzt wieder ins Feld müsste. Unser Johannes meinte, es wäre der Papa. So bald Joseph ins Haus kam, lief er dahin und war nicht eher zufrieden, bis er ihn auf den Arm nahm. Wir sind alle noch gesund, das gleiche hoffe ich auch von Dir. Viele Grüße senden Dir Deine liebende Frau und die lieben Kinder.“

Westernkotten 13. Mai 1915

„Lieber Johannes. Ich will Dir erstmal einen Brief schreiben. (…). Ich kann Dir mitteilen, dass unser Joseph jetzt zu Erwitte im Lazarett ist, der ist von Schlesien nach hier überwiesen worden. In Erwitte sind jetzt schon 18 verwundete Soldaten, unserer ist aber da vom Verfrieren her. Die Finger sind noch lange nicht wieder gesund, was ja auch nicht schlimm ist. Er ist am 8ten nach hier gekommen, wenn es Dir doch auch so glückte, denken wir so oft.

Aber wir müssen alles geduldig ertragen. Wir wollen alle recht viel beten, dass der liebe Gott euch beschützen möge und es bald Frieden gibt, wonach alle mit Sehnsucht verlangen.

Hier sind viele im Urlaub. Anton Gerling muss am 14ten wieder fort und Engels Joseph am 16ten. Die sind es alle so leid, aber sie sehen gut aus – die Sonne hat sie ganz braun gebrannt. Läuse haben die auch noch. Wieneke liegt auch im Erwitter Lazarett, ist ganz voll Gicht. Gestern ist Bernard Kemper auch hingekommen, ist bei unserem Joseph auf der Stube. – Unser Joseph hat seine Zehen noch verwickelt, kann keine Stiefel ankriegen. Euer Joseph musste am Montag wieder fort, der sah auch gut aus. Morgen muss Engels Franz und Johannes Schäfer auch eintreten. Von Engels Theodor wissen sie gar nicht, wo er hingekommen ist, hat vor 14 Tagen das letzte aus Schlesien geschrieben. Der ist schon zweimal nach Frankreich und zweimal nach Russland geschickt. Lieber Johannes, nun will ich schließen. Wir wollen in diesem Monat Mai viel zu der Gottesmutter beten, sie ist eine mächtige Fürsprecherin, die wird unser Gebet erhören und uns den Frieden geben.

Nun sei vielmals gegrüßt von uns allen – auch von eurem Adolf, der ist gerade hier. Er ist schon tüchtig gewachsen. Auch der kleine Johannes kann laufen wie ein Hase. Auf ein frohes Wiedersehen – Familie Adolf Schröer‘“ (Anm.: Schwiegereltern)

Westernkotten 13.5.1915

„Lieber Johannes, Teilen Dir mit, dass wir Deinen Brief erhalten haben und gelesen, dass Du das Paket gekriegt und es Dir noch recht gut geht. Die Infanteristen vom Jahrgang 1895 sind schon alle fort. Von hier ist W. Hense, K. Jungemann, F. Schröer und J. Schäfer fort. (…). – Viele Grüße sendet Dir Familie W. Linnemann – besonders Franz“

Westernkotten 13. Mai 1915

„Lieber Mann, heute ist Christi Himmelfahrt, dann hat man ja wohl Zeit zum Schreiben. Heute habe ich Deinen Brief bekommen, den Du am 6. geschrieben hast. Gestern habe ich einen vom 2. und am Montag einen vom 28. erhalten. Man wartet jeden Tag auf Nachricht, Anton Gerling und Joseph Schröer sind auf Urlaub hier. Die von Anfang an mitgemacht hätten bekämen Urlaub.

Ich gönnte Dir auch so gerne mal die Erholung, alleine schon, dass Du die Kinder mal sähest, ich weiß ja wohl, wie sehr Du daran hängst. Aber es soll mir wohl nichts helfen, dass ich den Urlaub beantrage. – Frau Roderfeld hat schon drei Mal einen Antrag gemacht, der Mann hat bis jetzt noch keinen Urlaub gehabt. – Duriks Wilhelm ist nach Frankreich gekommen, Remmes Wilhelm ist auch in Russland. (Anm. Wilhelm Kerkhoff Bruchstraße). Dein Bruder hat heute Morgen auch geschrieben, der ist wieder in Salzuflen. Mein Bruder kam diese Tage ganz unverhofft an, er liegt jetzt in Erwitte im Lazarett, seine Finger heilen wieder. Im Gesicht sah er gut aus. Was gibt das eine Freude, wenn sie so unverhofft ankommen. Aber die größte Freude wäre es, wenn Du uns überraschen würdest.

Wir wollen nur im Gebet weiter fortfahren, dann ist es auch sicher, dass uns der liebe Gott ein freudiges Wiedersehen gibt. (…). Unser Johannes schläft des Morgens bis 10 Uhr, dann spielt er den ganzen Tag draußen rum. Diese Woche werden die Kinder geimpft. Viele Grüße senden Dir Deine liebe Frau und die Kinder bis zum Wiedersehen.“

Im Schützengraben 14.5.1915

„Liebe Frau und Kinder, Es sind schon ein paar Tage her, dass ich den letzten Brief geschrieben habe. Jetzt habe ich gerade Zeit dazu und will eben ein paar Reihen schreiben. – Das letzte Paket mit Strümpfen und Fußlappen habe ich erhalten und vom Schwiegervater das Paket mit Zucker, Schmalz und Schinken. Ich sage euch allen meinen besten Dank. (…), ich bekomme alle Pakete, sie sind etwa 5 oder 6 Tage unterwegs, manchmal bekommen wir sie auch später, denn wenn wir vorne im Schützengraben sind, bekommen wir keine Post.

In diesen 4 Tagen, wo wir hier sind, haben wir schon 7 Mann Verluste 6 Verwundete und einen Toten. Gott hat mich bisher beschützt, er wird mir wohl noch weiterhelfen. Ich glaube doch, dass bald Frieden wird. Wenn nun Italien nicht bald anfängt, dann sind wir bald fertig. Jetzt – wo ich dieses schreibe, schießen die Russen mit ihren Kanonen über uns hinweg: Aber die Kanonen sind so schlimm nicht, wenn sie nicht gerade im Graben einschlagen, denn dann kann man sich immer davor schützen. (…).

Wir haben jetzt wieder Ersatz gekriegt, ungediente Landsturm und Verwundete. Unsere Kompanie hat jetzt wieder 270 Mann, sie ist jetzt wieder kriegsstark.

(…). Ich glaube doch, dass unser Adolf recht hat, dass ich die Birnen wieder selber schütteln kann. Es grüßt vielmals Dein lieber Mann Johann Viele Grüße an die Kinder und an alle Verwandte und Bekannte.“

Salzuflen 15.5.1915 Feldpostkarte

„Lieber Bruder. Meine schönen Tage sind vorbei. Zuhause ist noch alles in guter Ordnung. Ich habe den Dünger aufgeladen und auseinander geworfen. Der Klee ist gut. Der kleine Johannes meinte, ich wäre der Papa, der wollte nicht bei mir weg.- Den letzten Tag bin ich in Erwitte gewesen. Da habe ich ordentliche Fußlappen bekommen und in Weckinghausen (?). In Dortmund ist Blömeke schwer krank und Franz Linnemann auch. Pfingsten bin ich wieder in Frankreich, dann wollen wir noch mal feste ran gehen, dass wir bis zur Ernte wieder zu Hause sind. (…). – Es grüßt Bruder Joseph Sellmann – Grüße an Bekannte.“

Westernkotten 17.5.1915 Päckchen

„Lieber Mann. Ich will Dir erst wieder etwas schicken, habe Dir mal etwas Ziegenbutter drin getan, hoffentlich schmeckt sie Dir gut. Es geht uns hier noch alle recht gut. Die Kinder sind noch alle recht munter, das hoffe ich auch von Dir. (…). – Mit vielen Grüßen verbleibe ich Deine Dich liebende Frau. Viele Grüße von den Kindern.“

Russland 17.5.1915 Feldpostkarte

„Liebe Frau und Kinder. Heute habe ich Deinen Brief erhalten, besten Dank. So wie der auf der Karte steht, habe ich schon oft gestanden und an euch gedacht, Jetzt wünsche ich euch fröhliche Feiertage. Auf Wiedersehen – Dein Johann und Kamerad Joh. Buskorski.“

Russland 18.5.1915

„Liebe Frau und Kinder. Ich bin heute auf Wache, da hat man immer etwas Zeit, darum will ich euch mal wieder einen Brief schreiben. Ich bin Gott sei Dank noch gesund und munter. Gockel aus Ostereiden hat auch wieder ein Paket geschickt. Der schickt immer Briefpapier mit, Du kannst auch mal wieder etwas in ein Paket tun, wenn Du eins schickst.

Du schreibst von Urlaub, von hier haben auch schon mehrere Urlaub bekommen. Ich glaube auch nicht, dass es mir glückt, obschon ich sehr gerne mal wieder zu Hause wäre. Aber der liebe Gott wird wohl bald Frieden geben, dann kehren wir als glorreiche Sieger heim. Dann ist die Freude noch größer.

Wenn jetzt wieder ein großes Fest gefeiert wird, dann werden wir wohl wieder zu Hause sein. Hier hat diese Tage ein Flieger 30 Bomben geworfen, die haben aber nicht viel Schaden angerichtet, nur 1 Mann war verwundet und eine Feldküche ist entzweigeschlagen. Dein Bruder Joseph hat aber Glück gehabt, dass er so nahe bei in das Lazarett gekommen ist, denn von den Karpaten kommen sie sonst so weit nicht (Anm.: nicht in Heimatnähe).

Wenn nur Italien nicht angreift, dann ist der Frieden nicht mehr fern. Der Russe hat hier sehr wenig Artillerie stehen, der macht uns nicht viel damit. Wenn er schießt, dann wird er von unserer Artillerie sofort wieder beschossen, dann rückt er meist wieder aus.

Jetzt geht es wieder 3 Tage nach vorn in den Schützengraben. Man freut sich immer, wenn diese 3 Tage rum sind, denn dann bekommt man wieder Post von zu Hause und man hört wieder was Neues. (…). Bete nur zu Gott und der Gottesmutter, dass wir uns noch mal wieder sehen, denn ich sähe euch alle noch mal gern wieder. Viele Grüße sendet Dein lieber Mann. Grüße an die Kinder und an alle Verwandte und Bekannte.“

Westernkotten 18. Mai 1915

„Lieber Mann. Ich schicke Dir erst wieder Karten, dass Du uns schreiben kannst. Gestern habe ich Dir Butter und Schinken geschickt. Hoffentlich geht es Dir noch recht gut, so wie uns. Heute habe ich Deinen Brief vom 9. erhalten. Sei herzlich gegrüßt von Deiner lieben Frau und lieben Kindern.“

Salzuflen 20.5.1915 Feldpostkarte

„Lieber Bruder. Heute bin ich untersucht worden und bin wieder Felddienstfähig geschrieben worden. Am 28. rücken wir wieder aus und wahrscheinlich nach Russland, da ist es jetzt noch besser wie in Frankreich. Ich wollte noch mal Urlaub haben, aber es geht nicht mehr. Hier ist noch alles beim Alten – wir können wohl nicht zusammenkommen? Das würde mich aber freuen, Sonst nichts Neues. Es grüßt Dein Bruder Jos. Sellmann. Grüße Deine Kameraden.“

Westernkotten 20.5.1915

„Lieber Mann. Ich muss Dir erst wieder ein paar Reihen schreiben, dass Du was von uns hörst. Soeben bin ich mit Johannes zum Impfen gewesen, jetzt hält er sein Mittagsschläfchen. Es ist jetzt schön warm, nun kann es wachsen. Im Garten muss ich jetzt Kartoffeln durchhacken.

Morgen muss Fritz Broermann weg. Heinrich Broermann ist den Heldentod gestorben, der ist jetzt der 9. hier im Dorfe. – Theodor Schröer ist auch wieder nach Russland gekommen, auch in die Karpaten. Franz Schröer ist auch schon acht Tage Soldat, der ist bei Wesel.

Ich dachte der Monat Mai hätte uns den ersehnten Frieden gebracht, aber er ist schon fast zu Ende. Wir wollen nur fleißig zur Muttergottes beten, dass doch diese Leidenszeit bald endige. Wer hätte das auch gedacht, dass dies so lange dauert. Lieber Mann, lasse den Mut nicht sinken, denn einmal kommt der Tag, an dem die Friedensglocken läuten, denn der liebe Gott hat Dich bis jetzt beschützt, er wird Dich auch ferner beschützen. Joseph Roderfeld hatte 8 Tage Urlaub; als er 2 Tage hier war, bekam er eine Depesche, da musste der sofort wieder weg. Joseph Schröer und Gerling waren auch hier. Schröer ist am Montag wieder gegangen. Gerling hat noch 10 Tage nachbekommen. Dein Bruder hat gestern auch wieder geschrieben, vielleicht rücken sie noch vor Pfingsten aus, er meinte auch nach Russland. Ob Italien und Österreich anfängt, weiß man noch nicht bestimmt, soll, wie ich höre, heute entschieden werden. Wenn es Dir möglich ist, dass Du mir Deine Strümpfe, die schlecht sind, schicken könntest, dass ich die anstricke, wenn es nicht geht, dann lasse es nur.- Viele Grüße senden Dir, Deine Dich liebende Frau und lieben Kinder.“

Russland 23.5.1915 Feldpostkarte

„Liebe Frau und Kinder. Heute ist der erste Pfingsttag, wir haben ihn in Ruhe verlebt, Ich bin heute Morgen zur hl. Messe gewesen. – Viele Grüße sendet Dein lieber Mann Joh. Sellmann. Viele Grüße an die Kinder.“

Westernkotten 24.5.1915

„Lieber Johannes. Heute am zweiten Pfingsttage will ich Dir mal ein Briefchen schreiben. Es geht uns noch alle gut, was wir auch von Dir hoffen. Das Wetter ist sehr schön, bloß zu trocken, Es müsste mehr regnen, dann könnte es besser wachsen. Wenn es so bleibt, wollen wir diese Woche die Schafe waschen und dann geht das Scheren los. Die Wolle ist sehr teuer, die kostet das Zentner 200 bis 300 Mark. Unser Joseph, der kann sich freuen, liegt im Erwitter Krankenhaus, kann jeden Tag nach hier kommen, hat da eine gute Verpflegung. Die Heilung an der Hand geht nicht rasch, der mittelste Finger ist noch zugebunden, die anderen zwei ist auch nichts, mit der Hand kann er nichts anfassen.

Auf seiner Stube sind 3 Westernkötter, der Wieneke, Bernard Kemper und er. Bis das er wieder geheilt ist, werden die Russen wohl aus den Karpaten verschlagen sein. Da muss es doch furchtbar kalt gewesen sein, da haben sehr viele verfrorene Gliedmaßen gekriegt.

Theodor Schröer schreibt auch aus den Karpaten und auch Kammeier (Anm. Adolf Schroer) ist drin. – Franz Schröer ist zwei Stunden von Wesel. Franz Dowe ist in Mülheim bei Köln, der soll bald fertig ausgebildet sein. Wenn nun aber Italien nicht anfängt, dann werden sie wohl bald Frieden machen, danach sollt ihr wohl alle verlangen.

Wir wollen nur immer beten und nicht nachlassen, dass Gott unser Gebet erhören wolle und dass ihr alle bald im Frieden wieder heimkehren werdet. – Nun will ich schließen in der Hoffnung, dass Dich dieser Brief in bester Gesundheit antrifft. – Nun sei vielmals gegrüßt von Deinen Schwiegereltern Adolf Schröer. – Auf ein frohes Wiedersehen.“‘

Russland 30.5.1915 Feldpostkarte

„Liebe Frau und Kinder. Dein Paket mit Schmalz, Schinken und Wurst habe ich erhalten. Den Brief vom 2ten Pfingsttage auch, sage Dir meinen besten Dank. Kannst mir wieder ein paar Karten (Anm.: Feldpost-Karten) schicken. Ich habe nur noch wenige. Man kann nicht immer Briefe schreiben, es geht nicht immer.

Jetzt will ich schließen und hoffe, dass ihr noch gesund und munter seid. Viele Grüße sendet Dein Dich liebender Mann Johann. Viele Grüße an die Kinder.“

Russland 1.6.1915 Feldpostkarte

„Liebe Frau und Kinder. Gestern habe ich das Briefpapier und Deinen Brief erhalten, aber ich kann es jetzt doch nicht verwenden, wir dürfen keine Briefe schreiben. Ich habe noch einen fertig geschrieben im Kasten. Den Brief von den Schwiegereltern habe ich auch erhalten, kannst nur vielmals grüßen. – Mir geht es Gott sei Dank noch recht gut, hoffentlich euch auch. Jetzt viele Grüße an alle Bekannte und Verwandte und besonders an Dich und die Kinder. – Bis aufs Wiedersehen?“

Bolinow 8.6.1915

„Liebe Frau Sellmann – Mein herzliches Beileid –

Er war mir ein lieber Freund und treuer Kamerad.

Seit dem 28. Dez. 1914 waren wir zusammen und haben ihn lieben und schätzen gelernt. Zur letzten Ruhe haben wir ihn auf den Russischen Friedhof gebettet. Ein schlichtes Kreuz zeigt an, wer hier ruht. Ich habe es ihm selber geschrieben und dieses ist ein Abbild vom Kreuz. Gott habe ihn selig. Seiner werde ich stets gedenken.

Empfangen Sie nochmals meine aufrichtige Teilnahme. Ihr Alois Kückmann – Malermeister Lippstadt – Z.Zt. im Felde“

Es folgt ein längerer Kondolenz-Brief des Kameraden Joseph Johannknecht

Bolinow 23.6.1915

Werte Frau Sellmann. Ihren Brief habe ich erhalten und mit Freuden bin ich bereit, Ihre Fragen zu beantworten, war doch Johannes immer einer meiner besten Freunde, die ich hatte und besonders in dieser schweren Zeit, wo man so manches zu ertragen hat. Wo man weit ab von allem leben muss, die einem lieb und teuer sind, wo man nie seines Lebens sicher ist, dort haben wir Freuden und Leiden zu jeder Zeit geteilt.

Stets war ich mit ihm zusammen und immer haben wir es versucht, uns gegenseitig zu trösten und das Leben zu erleichtern. Bekam er etwas von zu Hause, so war sein erster Gang zu mir und umgekehrt machte ich es gerade so. So hatten wir immer unsere doppelte Freude, wenn es den Lieben daheim gut ging.

Es verging kein Tag, an dem er nicht von seiner lieben Frau und seinen lieben Kindern sprach und schon oft haben wir in den freien Stunden von den Freuden der Heimkehr gesprochen. Nur schade, dass Ihr lieber Mann, mein treuer Freund, so früh hat sein Leben fürs Vaterland lassen müssen.

Doch liebe Frau Sellmann, in dieser schweren Zeit, müssen wir alles als eine Fügung Gottes betrachten und uns unter seinem allmächtigen Willen beugen.

Als Johannes den tödlichen Schuss bekam, war ich keine drei Schritte von ihm entfernt. Schon den ganzen Morgen hatte der Russe unseren Schützen beschossen und wir kümmerten uns gar nicht mehr darum. Ganz ruhig lagen wir in den Unterständen, denn es hilft nichts, wenn man anfängt zu laufen, denn man kann sich doch wenig davor schützen.

Plötzlich schlugen kurz aufeinander zwei Granaten ein. Die eine ungefähr einen Meter von mir ab, alles war in Pulverdampf gehüllt und die Brocken flogen nur so in der Luft herum, aber ich blieb ruhig liegen.

Im nächsten Augenblick fing alles an zu laufen und zu schreien. Ich komme aus dem Unterstand heraus und sehe wie die Granate in den Unterstand geschlagen ist, worin Johannes lag. Sofort haben wir ihn herausgezogen – aber er war schon tot. Gesprochen hat er kein Wort mehr. Mit 4 Mann haben wir ihn dann zurückgetragen, damit er wenigstens in geweihter Erde begraben würde und nicht wie so viele, die hinter dem Schützengraben liegen. So ruht er aus nach den Strapazen und Entbehrungen des Krieges und erntet dort oben über den Sternen seinen Lohn (…)“.

Weiter ist zu lesen, dass seine Kameraden Johannknecht und Fritz Berkenbusch aus Erwitte, so weit wie es möglich war, das Grab zurecht gemacht und mit Blumen versorgt haben. „Den einzigen Liebesdienst, den ich meinem treuen Kameraden noch erweisen kann.“ – Auch wurde mitgeteilt, dass die Kompanie ein schönes Kreuz auf die Grabstelle aufgestellt habe.

  • Der Brief endet mit „Wehrte Frau Sellmann, so habe ich nun Ihren Wunsch erfüllt; gestatten Sie mir nun, dass ich Ihnen zu dem schweren Leid, das Sie getroffen hat, mein tiefstes Beileid ausspreche. Viele Grüße J. Johannknecht (Anm. ….)

[Anmerkung von Maria Peters: „(Unterlagen zu diesem Bericht wurden mir freundlicherweise von der Familie Sellmann aus Bad Westernkotten zur Bearbeitung und Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.]