1991: Durch den Gemeindevorsteher verfügte Polizeistrafen Westernkotten 1844 – 46

Von Wolfgang Marcus                   [Erstabdruck: Heimatblätter LP 1991, S.34]

Gesetz und Ordnung, das waren Tugenden, die Preußen auch in seiner Provinz Westfalen durchzusetzen wusste. In der Akte „Klagesachen Westernkotten“ [im Stadtarchiv Erwitte, Depositum Westernkotten; Transkription: Erwin Schöneweiß †] befinden sich mehrere Listen, in denen verhängte Polizeistrafen zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung rubriziert sind. Sie beziehen sich auf das 2. bis 4. Quartal 1844, das 4. Quartal 1845 und das 1. Quartal 1846.

Für das Verhängen dieser Polizeistrafen bei Ordnungswidrigkeiten war damals nach der Preußischen Landgemeindeordnung der jeweilige Gemeindevorsteher zuständig. Dies war zu jener Zeit der von Papen‘sche Rentmeister (Verwalter) Franz Erdmann.

Die Listen enthalten die Namen der Verurteilten (Denuncianten), seinen Wohnort, Datum, die konkrete Straftat, das Strafmaß (alles Geldstrafen), Angaben über die rechtlichen Grundlagen für die Bestrafung (einschl. der jeweils herangezogenen Amtsblattverordnung bzw. des Paragraphen der Landgemeindeordnung) und den Tag der Beschlussfassung der Verhängung. In der letzten Spalte ist registriert, ob von Seiten des Beklagten Widerspruch (Recurs) eingelegt worden ist und mit welchem Erfolg. Die ausgefüllte Liste hatte der Gemeindevorsteher dem Amtmann Schlünder in Erwitte vorzulegen. Die Einnahmen aus diesen Verfahren gingen an die Gemeinde-Kasse.

Nun zu den Inhalten der Straflisten: Im 2. Quartal 1844 (nur Mai und Juni) „verdonnert“ der Gemeindevorsteher insgesamt 19 Gemeindemitglieder zu Geldzahlungen, davon 2 Mitglieder gleich zwei Mal und eine Person sogar drei Mal. Für die Gemeindekasse ergab das einen Betrag von mehr als 20 Reichstaler. Bei den insgesamt 23 Straftaten sind folgende Vergehen aufgeführt (in Klammem die Häufigkeit des Vorkommens sowie das Strafmaß):

— Hüten der Gänse im Feld (10-mal, je 1 Taler)

— Hüten der Gänse auf dem Gemeindebruch (8-mal, je 1 Taler)

— Befahren des Gemeindebruchs (1-mal, 1 Taler)

— Anfertigung von Lehmsteinen auf dem Gemeindebruch ohne Genehmigung (2-mal, je 10 Silbergroschen)

— Hüten der Kühe im Feld (1-mal, 1 Taler)

— Hüten der Gänse durch den schulpflichtigen Sohn (1-mal, 15 Sgr.)

Allen Verurteilten bescheinigt Rentmeister Erdmann in der Spalte „Bisherige Führung des Denun- ciaten“ untadelhaftes Verhalten.

Im 3. Quartal 1844 werden insgesamt 14 Polizeistrafen verhängt, zumeist wegen ähnlicher Vergehen wie im 2. Quartal. An neuen Straftaten kommen hinzu: Passierung des Gemeindebruchs mit Pferden, Umherlaufen mehrerer von der Herde entwichener Kühe auf Behörden-Acker (eine Strafe für den Kuhhirten), Hüten der Schafe im Felde, wo die Hude noch nicht offengegeben war, und verbotener Aufenthalt fremder Personen im Haus. Drei der Verurteilten legten Widerspruch ein.

Im 4. Quartal 1844 sind nur noch 4 Strafen verhängt worden, zwei Mal wegen Schulversäumnisse, einmal, weil jemand einen fremden Garten behütet hatte und einmal, weil jemand einen Haufen Wegsteine in den Chausseegraben zur Überfahrt geworfen hatte.

Im 4. Quartal 1845 werden 9 Polizeistrafen verhängt, dabei in drei Fällen an Gemeinderatsmitglieder wegen Ausbleibens von der Gemeindeversammlung und in drei Fällen wegen mangelndem Feuerschutz. Im Einzelnen heißt es da: „Weil er zur Abräumung der Goebelschen Brandstelle bestellt und nicht erschienen war“ und zwei Mal: „Weil er der Aufforderung zum Löschen des Feuers und Beseitigung der brennbaren Stoffe nicht nachgekommen ist“.

Wie umfangreich ein Widerspruchsverfahren war, ist in einem Fall belegt: Auf 10 Seiten Briefen und Protokollen ist der Widerspruch des Gemeindeverordneten Anton Jesse belegt, der glaubhaft nachweisen kann, dass er zu Unrecht 1 Taler Strafe für das Fehlen bei der Gemeinderatssitzung „aufgebrummt“ bekommen hat.

Im 1. Quartal 1846 sind nur noch drei Vergehen zu. ahnden, einmal, weil Bäume auf Gemeindegrund gefällt wurden, und zwei Mal „Gehen über fremdes Eigenthum.“