2001: Aken-Erwitte-Partnerschaft

10 Jahre Städtepartnerschaft Aken/Elbe – Erwitte

von Wolfgang Marcus

[Erstabdruck: Marcus, Wolfgang, 10 Jahre Städtepartnerschaft Aken/Elbe – Erwitte, in. Heimatblätter 81 Jg. (2001), S. 100 – 104]

Vorbemerkung

Am 17. Juni 1991, also vor jetzt 10 Jahren, wurde im Akener Rathaus der „Freundschafts- und Partnerschaftsvertrag“ zwischen den Städten Aken in Sachsen-Anhalt und Erwitte in Nordrhein-Westfalen abgeschlossen.

Im folgenden möchte ich in Kürze an die damaligen Beratungen in Erwitte bis hin zur Entscheidung für Aken erinnern, einen kurzen chronologischen Abriss in Form einer Zeittafel über die vergangenen 10 Jahre geben sowie eine kurze Würdigung des bisherigen Verlaufs vornehmen.

Quellen waren die Sitzungsunterlagen und Protokolle des Rates der Stadt Erwitte [Rat], des Haupt- und Finanzausschusses [HFA] und des Ausschusses für Soziales, Familie und Kultur [ASFK], der Kreisheimatkalender 1993 [S.40/41] sowie einige persönliche Unterlagen. Bedanken möchte ich mich auch an dieser Stelle bei den Herren Blöming und Busch von der Stadtverwaltung Erwitte, die mich freundlich unterstützt haben, sowie bei Herrn Görge vom „Patriot“ für die Fotos.

Zur Entstehung der Partnerschaft

Schon wenige Wochen nach dem für viele völlig überraschenden Mauerfall am 9. November 1989 beschäftigte sich auch der im Oktober 1989 neu gewählte Rat der Stadt Erwitte mit der Frage, eine Städtepartnerschaft mit einer Stadt in dem

„Beitrittsgebiet“ einzugehen. Erstmals steht das Thema am 30.1.1990 auf der Tagesordnung. Die SPD Erwitte, allen voran Gerd Reinold, hatte sich nämlich bereits intensiv mit dem Gedanken einer Städtepartnerschaft beschäftigt und Städte in der DDR angeschrieben. Dazu heißt es im entsprechenden Protokoll: „Innerdeutsche Städtepartnerschaft. Aufgrund eines Schreibens des Ratsmitgliedes Reinold vom 2.12.1989 wurde eingehend über die Begründung einer Partnerschaft mit einer entsprechenden Gemeinde in der DDR diskutiert. Ergänzend zu seinem Schreiben unterrichtete der Vorgenannte den Ausschuß darüber, daß er inzwischen ca. 20 Städte in der DDR angeschrieben habe und 3 Orte ein Interesse an einer Partnerschaft bekundet haben, von denen er die Städte Querfurt und Aken für geeignet halte. Nach Aussprache beschloß der Ausschuß einstimmig, dem Rat folgendes vorzuschlagen:

  • a) Mit einer Gemeinde oder Stadt in der DDR, die in etwa der Größenordnung der Stadt Erwitte entspricht, ist die Begründung einer Städtepartnerschaft anzustreben.
  • b) Um abzuklären, welche Vorstellungen hinsichtlich einer innerdeutschen Städtepartnerschaft bei den Schulen, den Kirchen und Vereinen besteht, ist mit diesen Verbindung aufzunehmen.“[ASFK TOP 5].

Hansjochen Müller erinnert sich an das Schreiben an die Stadt Aken wie folgt: „Im Jahr 1990 suchte der am 29.11.1989 in Aken gegründete Ortsverein der SPD nach einer Partnerstadt. Von der amtierenden Bürgermeisterin wurde uns ein Schreiben der SPD Erwitte übergeben und wir nahmen die Verbindung auf. [Festansprache in der Partnerstadt Erwitte zum 10. Tag der Deutschen Einheit am 3.10.2000; Redemanuskript]

Auf Drängen der SPD-Fraktion wird das Thema Städtepartnerschaft dann noch kurzfristig auf die Tagesordnung des HFA vom 6.2.1990 gesetzt. Unter Punkt 12 trägt dann bereits „ein Bürger aus Aken“ etwas zur Situation in seiner Stadt vor. Hier das Protokoll zu diesem Punkt in voller Länge:

„Unter Bezugnahme auf die Beratungen im Ausschuß für Familie, Soziales und Kultur stellte Herr Schild nochmals die Dringlichkeit dieser Angelegenheit dar. Er teilte mit, daß sich unter den Besuchern 3 Bürger der Stadt Aken (Elbe) in der DDR befinden [dies waren Klaus Hummel, Gerd Teichert und Hansjochen Müller; Anm. WM]. Er schlug vor, daß einer der Besucher zunächst einen Bericht zur Situation in der DDR geben solle. Hiergegen wurden keine Einwände erhoben.

Ein Bürger der Stadt Aken (Elbe) [Hansjochen Müller; Anm. WMstellte seine Stadt vor. Sie liegt im Norden des Bezirks Halle an der Elbe und zählt ca. 10.300 Einwohner. Zur Stadt Aken gehören 3 Ortsteile. Die Stadt selbst hat sich zu einer kleinen Industriestadt entwickelt. Prägend sind das VEB-Magnesit-Werk, das VEB-Flachglas-Werk und das VEB-Einspritzgeräte-Werk. Auf kulturellem Gebiet verfügt die Stadt über einen aktiven Männerchor, einen Frauenchor, einen Reitsportverein und verschiedene Sportclubs.

Zur derzeitigen Situation führte er aus, daß die Verwaltung kurz vor dem Zusammenbruch stehe. Viele Funktionäre und Amtsträger seien geflüchtet. Die Bürger seien über diesen instabilen Zustand sehr besorgt. Wichtiger als materielle Hilfe sei Hilfe beim Aufbau der Demokratie. Niemand habe hier Erfahrung. Viele junge Menschen verlassen die DDR. So fehlen in den Krankenhäusern im Bezirk Halle 650 Pflegekräfte. Es sei wichtig, die Wirtschaft in Gang zu bringen und die Arbeitsplätze zu erhalten. Bei der desolaten Wirtschaftslage und dem schlechten Lebensstandard sei dringend Hilfe erforderlich. Es sei unerheblich, mit welcher Stadt eine Städtepartnerschaft begründet werde. Schnelle Hilfe sei wichtig. Im Mai oder Juni komme die Hilfe zu spät.

Die Mitglieder des Hauptausschusses zeigten sich beeindruckt von diesem Situationsbericht. Es bestand Einvernehmen, daß so schnell wie möglich gehandelt werden muß. Die Angelegenheit wurde zur weiteren Beratung an die Fraktionen verwiesen.“

Am 15.2.1990 beschloß der Rat [Rat 15.2.1990, TOP 11] dann grundsätzlich und einstimmig, „mit einer Gemeinde oder Stadt in der DDR die Begründung einer Städtepartnerschaft anzustreben.“ Herr Reinold (SPD) verwies darauf, dass er bereits 20 Städte in der ehemaligen DDR angeschrieben habe, von denen 3 geantwortet hätten. Auf Vorschlag von Herrn Laufer wurde ebenfalls beschlossen, noch die Schulen, Kirchen und Vereine der Stadt bzgl. ihrer Meinung zu einer Städtepartnerschaft zu befragen.

Nach weiteren Beratungen im ASFK [1.3.1990 u.28.3.1990] beschloss der HFA am 8.5.1990 [TOP 13], dass sich die Fraktionen bis zur Ratsitzung am 17.5. d. J. auf eine Stadt in der DDR einigen sollten.

Das Protokoll führte dazu aus [Rat 17.5.1990, TOP 16]: „Herr Reinold teilte mit, daß die SPD-Fraktion vorschlage, daß der Bürgermeister und die Verwaltung mit der Stadt Aken Kontakte hinsichtlich einer Städtepartnerschaft aufnehmen sollen. Herr Beste und Herr Jaschke schlossen sich diesem Vorschlag an. Nach Aussprache wurde einstimmig beschlossen, den Stadtdirektor zu beauftragen, mit der Stadt Aken Verbindung aufzunehmen, um festzustellen, ob von dort Interesse an einer Städtepartnerschaft besteht. In der nächsten Ratssitzung soll über das weitere Vorgehen beschlossen werden. Bis dahin können noch andere Städte in der DDR für eine Städtepartnerschaft in Vorschlag gebracht werden.“

Weitere ernsthafte Vorschläge hat es dann aber nicht mehr gegeben, und nach umfangreichen Beratungen in Aken stimmt die dortige Stadtverordnetenversammlung in der Sitzung am 31.1.1991 den partnerschaftlichen Beziehungen mit der Stadt Erwitte grundsätzlich zu. Daraufhin erarbeitete die Fachbereichleiter Heinz Pröpper von der Verwaltung in Erwitte den Entwurf eines Freundschafts- und Partnerschaftsvertrages, der am 13.4.1991 Bürgermeister Müller von Aken anläßlich einer Besprechung ausgehändigt wurde. Die Stadtverordnetenversammlung in Aken hat dann am 2.5.1991 über diesen Entwurf beraten.

In der Ratssitzung des Erwitter Stadtrates vom 15.5.1991 [TOP 13] wurde dann einstimmig beschlossen, den Freundschafts- und Partnerschaftsvertrag mit Aken zu schließen und die Verwaltung zu beauftragen, die offizielle Urkundenübergabe für den 17./18. 6. 1991 im Rathaus in Aken vorzubereiten. Damit war nach fast 1 ½ Jahren Beratung die Städtepartnerschaft beschlossene Sache und konnte ihren Lauf nehmen.

Zeittafel

1990

Oktober – Aken: Der Erwitter Bürgermeister Franz-Josef Spiekermann nimmt an der Feierstunde aus Anlaß der Wiedervereinigung Deutschland am 03.10.1990 im Schützenhaus teil und hält eine eindrucksvolle Rede.

November – Erwitte: Eine Delegation von Vertretern der Stadtverwaltung und Kommunalpolitiker der Stadt Aken besuchen die Stadt Erwitte.

20./21.11.: Bei einem Besuch in Aken überreicht die Feuerwehr Erwitte den Akener Feuerwehrkameraden eine Hydraulikpresse, mit deren Hilfe Personen aus Unfallfahrzeugen befreit werden können.[Akener Nachrichten Nr.10 vom 8.12.1990]

Ab 10. Dezember: Zahlreiche Jugendliche und junge Erwachsene aus Aken und Umgebung für einige Tage im Wall-Café in Bad Westernkotten zu Gast.

1991

April – Erwitte: Der MCA besucht den Männergesangverein Erwitte.

Mai – Aken: Der Hauptamtsleiter von Erwitte, Heinz Pröpper, und der Mitarbeiter des Hauptamtes, Bernd Huneke, helfen in Aken beim Aufbau einer modernen Verwaltung. Mitglieder der Feuerwehr Erwitte nehmen am Tag der offenen Tür bei der Freiwilligen Feuerwehr Aken teil.

17. Juni – Aken: Der Städtepartnerschaftsvertrag zwischen Aken und Erwitte wird von Hansjochen Müller (Bürgermeister von Aken), Franz-Josef Spiekermann (Bürgermeister von Erwitte), Wolfgang Fahle (Stadtdirektor von Erwitte) und Klaus Hummel (Stadtratsvorsitzender) im Akener Rathaus unterzeichnet.

29./30.6.: Wochenendfahrt des SPD-Ortsvereins Bad Westernkotten mit mehr als 50 Teilnehmern nach Aken und Wörlitz.

August – Erwitte: Zwei Akener beginnen ihre 3jährige Ausbildung in der Stadtverwaltung Erwitte.

1992

Mai – Aken: Der Männergesangverein Erwitte nimmt am 1. Akener Musikfest teil.

September in Erwitte: Eine Akenerin beginnt ihre 3jährige Ausbildung in der Stadtverwaltung Erwitte.

Oktober – Erwitte: Eine Delegation von Vertretern des Akener Stadtrates nimmt an der Eröffnung der Erwitter Kirmes teil.

1993

März – Erwitte: Der MCA nimmt am Erwitter Musikfest teil.

Oktober – Aken: Eine Delegation von Vertretern des Erwitter Stadtrates besucht die Stadt Aken.

1994

April – Aken: Eine Delegation des Erwitter Stadtrates besucht die Stadt Aken.

Juni – Aken: Der Männergesangverein Erwitte nimmt am 2. Akener Musikfest teil.

Juli – Erwitte: Die Auszubildenden Ariane Teichert und Michael Zelinka beenden erfolgreich ihre Ausbildung, die sie im Rahmen eines Partnerschaftsvertrages in der Erwitter Stadtverwaltung erhielten.

August – Aken: Der Stadtdirektor von Erwitte, Wolfgang Fahle, nimmt an der Eröffnung des 1. Akener Stadtfestes teil.

1995

Mai – Aken: Eine Delegation von Mitarbeitern der Stadtverwaltung Erwitte besucht die Stadt Aken.

August – Aken: Eine Delegation aus Erwitte nimmt an der Eröffnung des 2. Akener Stadtfestes teil.

August – Erwitte: Die Auszubildende Kirsten Schulze beendet erfolgreich ihre Ausbildung in Erwitte.

September – Erwitte: Der MCA nimmt am Erwitter Musikfest teil.

Oktober – Erwitte: Eine Delegation aus der Stadt Aken nimmt an der Eröffnung der Erwitter Kirmes teil.

1996

Juni – Aken: Der MGV Erwitte nimmt am 3. Akener Musikfest teil.

August – Aken: Eine Delegation aus der Stadt Erwitte nimmt an der Eröffnung des 3. Akener Stadtfestes teil.

August – Erwitte: Der Betriebsausflug der Mitarbeiter der Stadtverwaltung Aken wird in die Partnerstadt Erwitte durchgeführt.

Oktober – Erwitte: Eine Delegation aus der Stadt Aken nimmt an der Eröffnung der Erwitter Kirmes teil.

1997

Juli – Aken: Der SPD Ortsverein Bad Westernkotten zu Gast in der Partnerstadt. Gemeinsames Wochenende im Harz.

August – Aken: Eine Delegation aus der Stadt Erwitte nimmt an der Eröffnung des 4. Akener Stadtfestes teil.

Oktober – Erwitte: Eine Delegation aus der Stadt Aken nimmt an der Eröffnung der Erwitter Kirmes teil.

1998

21.-23.8. – Aken: Zu Gast beim 5. Akener Stadtfest ist eine große Abordnung von Politikern und Vertretern der Verwaltung aus Erwitte. Eine Ausstellung zur Städtepartnerschaft wird im Rathaus eröffnet. Teilnahme an einem großen Festumzug.

1999

7./8.5. – Aken: Vertreter der Feuerwehr Erwitte nehmen an der 125-Jahr-Feier der Akener Feuerwehr teil.

Juli – Erwitte: Die Alten Herren des TSV Elbe Aken ein Wochenende zu Gast in Erwitte [Patriot 27.7.1999]

November – Aken: Vertreter des SPD-Ortsvereins Bad Westernkotten gratulieren der SPD Aken zum 10jährigen Bestehen [Patriot vom 20.12.1999]

2000

3.10.- Erwitte: Festakt zum 10. Jahrestag der Deutschen Einheit. Bürgermeister Müller hält eine eindrucksvolle Rede. Er zählt die Städtepartnerschaft „zu den ganz positiven Erscheinungen der deutschen Einheit, die zeigt, dass wir e i n Volk sind.“

2001

16./17. Juni – Aken: Mitglieder des SPD-Ortsvereins Bad Westernkotten zu Gast beim SPD-Ortsverein Aken aus Anlaß der 10jährigen Städtepartnerschaft und 10jährigen Freundschaft der beiden Ortsvereine. [P18.5.2001]

Kurze Würdigung der Städtepartnerschaft

Die Städtepartnerschaft wird sicherlich nicht von allen Gruppen, Vereine und Institutionen unserer Stadt aktiv mitgestaltet. Ich denke aber, dass sie von dem allergrößten Teil der Bürgerschaft positiv gesehen und inhaltlich mitgetragen wird. Daran gilt es anzuknüpfen.

„Nun wächst zusammen, was zusammen gehört“ sagte Willy Brand 1989. Nach dem Fall der Mauer und der äußerlich vollzogenen Wiedervereinigung müssen wir immer noch daran arbeiten, die „Mauern in den Köpfen“ zwischen Ost und West zu überwinden. Dazu hat unsere Städtepartnerschaft bereits deutlich beigetragen. Der Osten hat für uns ein Gesicht und einen Namen bekommen: Aken und die vielen netten Menschen dort!

Es bleibt zu wünschen, dass die Städtepartnerschaft auch auf Dauer mit Leben gefüllt wird, als Bereicherung für alle Seiten!

Abbildungen:

  • 1. Aken: Rathaus, 1490 erbaut, 1609 erweitert
  • 2. Aken: Türme der Marienkirche mit giebelbekröntem Glockenhaus dazwischen, teils Werkstein, teils Backstein
  • 3. Die Bürgermeister Spiekermann und Müller nach Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde am 17.6.1991
  • 4. Partnerschaftsurkunde (Teilansicht)
  • 5. Der Akener Bürgermeister Jochen Müller in seinem Arbeitszimmer
  • 6. Die Feuerwehren pflegen intensive Kontakte
  • 7. Mit Akener Gästen auf dem Schlossgelände in Erwitte