1999: o.V.: Geburtsstunde schlug in Bad Westernkotten — Imker-Verband erinnert an Gründung vor 150 Jahren

Aus: Der Patriot vom 6.7.1999 [Kreis-Seite und Erwitte-Seite. WM, 19.3.2024]

Eng verknüpft mit Bad Westernkotten sind die Anfänge des Landesverbandes Westfäliscn-Lippischer Imker, der 1999 sein 150jähriges Bestehen feiert. Gestern erinnerte der Verband mit einer Veranstaltung im Kurort an jene Versammlung von sieben Persönlichkeiten aus Bad Westernkotten, Erwitte und Bökenförde am 5. Juli 1849, die als Geburtsstunde des Landesverbandes gilt. Am Denkmal im Kurpark wurde zur Erinnerung an die Gründerväter ein Blumengebinde niedergelegt. (Siehe auch Bericht auf der Kreisseite.)

Unser historisches Foto zeigt die Einweihung dieses Denkmals am 1. Mai 1927. Der Beschluß, den Imker-Pionieren ein Denkmal zu setzen, war zum 75jährigep Verbandsjubiläum gefasst worden.

Zu Ehren der Imker-Pioniere legten Vize-Vorsitzender Auffenberg (r.) und Vorstandsmitglied Walter ein Blumengebinde am Denkmal im Kurpark nieder. Foto: Krumat

Geburtsstunde schlug in Bad Westernkotten — Imker-Verband erinnert an Gründung vor 150 Jahren

Kreis Soest. (fe) Dass Revolution und Bienenzucht etwas miteinander zu tun haben: man mag es kaum glauben. Und doch: Jene „sieben Volksfreunde“, die am 5. Juli 1849 in Bad Westernkotten den folgenreichen Beschluß fassten, „dem armen Manne behülflich zu sein durch Verbreitung und Verbessening der Bienenzucht“, waren Revolutions-Bewegte im besten Sinne – fest entschlossen, die 1848 erkämpfte Presse- und Vereinsfreiheit zu nutzen. Die Herren Fremplaux (Erwitte), Stork und Eickelbusch (Bökenförde), Hense, Köhne sowie Fritz und Franz Erdmann (Bad Westernkotten) beurkundeten sozusagen die Geburtsstunde des heutigen Landesverbandes Westfälischer und Lippischer Imker.
Auf den Tag genau 150 Jahre nach dem Ereignis erinnerten gestern führende Repräsentanten des Landesverbandes, an der Spitze stellvertretender Landesvorsitzender Hermann Auffenberg, mit einer Pressekonferenz und einer kurzen Zeremonie am Denkmal der Gründer im Kurpark von Bad Westernkotten an die historische Tat. Aus der Keimzelle hat sich im Laufe der Jahrzehnte ein Verband entwickelt, der im Jubiläumsjahr rund 6 400 Imker mit 43 500 Bienenvölkern zählt, die pro Jahr übereine Million Kilo Honig produzieren.
Warum gerade Bad Westernkotten Ursprungsort der organisierten Imkerei in Westfalen-Lippe war: so ganz genau weiß man das nicht. Fakt ist, so Vorstandsmitglied Vorder- wülbecke gestern, „dass es 1845 eine Missernte gab und Nahrungsmittel als Folge der Revolution knapp wurden. So ist der Verband auch aus der Not heraus gegründet worden“.

Ein Aufruf im Patriot hatte große Wirkung

Eine wichtige Rolle spielte offenbar die Heimatzeitung „Der Patriot“. Nach Veröffentlichung eines Aufrufs des Lehrers Dietrich Feldhege aus Benninghausen mit dem Titel „Die wahren Demokraten“ in der Patriot-Ausgabe vom 1. August 1849 bildeten sich lokale Imkervereine u.a. in den westfälischen Orten Unna, Hamm, Werl, Asseln und Wellinghofen, aber auch in Merzig und Orsoy im Rheinland.
Bei der zweiten Generalversammlung im Herbst 1849 in Benninghausen erhielt der Verein den Namen „Westphälisch-Rheinischer Verein für

Bienenzucht und Seidenbau“. Während die Bienenzucht im Laufe der Jahre zu einer Erfolgsstory wurde, zerstob der Traum von der Seidenraupenzucht: Das rauhe Klima und ein Massensterben der Raupen setzten allen Bemühungen ein frühes Ende.
Bei aller Freude über 150 erfolgreiche Jahre im Dienst der Imkerei gibt es aber auch Sorgen. Die Zahl der Imker sinkt in dem Maße, wie die Überalterung zunimmt. Auch die rund 330 Mitglieder des Kreisver- bandes Soest sind überwiegend Pensionäre, räumt Vorsitzender Fritz Otto aus Geseke ein, der gestern an der Versammlung in Bad Westernkotten teilnahm, ebenso wie der Chef des dortigen Ortsvereins, Karl Joachimsmeier.
Mit gezielter Nachwuchsförderung in Grundschulen hofft der Landesverband, daß dieser Wechsel auf die Zukunft eines Tages eingelösf wird. An den geflügelten Honigsammlem selbst kann es nicht liegen, daß sich immer weniger Menschen für die Imkerei interessieren. „Wir züchten heute sanftmütige Bienen“, versichert Hermann Auffenberg, daß selbst Reihenhausbesitzer in ihren Gärten zwei bis drei Bienenvölker halten können. (Siehe auch Berichte auf der Seite Land und Leute.)

Und auf der Seite „Land und Leute“ war zu lesen:

Bestäubung ist nicht zu importieren – Landesverband der Imker plagen zum 150jährigen Jubiläum Nachwuchssorgen

Erwitte (fal). Was heute eher das Image vom betulichen Hobby für betagte Herren besitzt, ist ein Kind der Revolution. 1848 hatten die Revolutionäre unter anderem für Ver- sammlungs- und Vereinsfreiheit gestritten. 1849 gründete sich in Westernkotten bei Erwitte der Landesverband Westfalen und Lippe der Imker, um dem „armen Manne behülflich zu sein durch Verbreitung und Verbesserung der Bienenzucht“. Zum 150jährigen Bestehen, das gestern in Bad Westerkotten gefeiert wurde, plagen den Verband indes massive Nachwuchssorgen.
Daß dies nicht nur ein internes Problem des Imkerverbandes ist, stellte dessen Pressesprecher Paul Walter klar. Seit 1950 sei die Zahl der Imker in Westfalen von damals rund 15 000 auf derzeit etwa 6 300 gesunken. „Seltsamerweise ist die Bienendichte in den Ballungsräumen heute teilweise höher als auf dem Land“, so Walter, „es gibt schon ganze Landstriche, in denen zu wenige Bienen fliegen.“ Das hat erhebliche Auswirkungen auf das ökologische Gleichgewicht der betroffenen Regionen. Angesichts einer weiter sinkenden Zahl an Bienenvölkern sei nicht auszuschließen, dass die

Bestäubung von wildlebenden und Kulturpflanzen in Zukunft nicht mehr gewährleistet sein werde. Rund 55 Prozent aller Pflanzen würden, so eine Berechnung des Imkerverbandes, durch gezüchtete Bienen bestäubt. „Neben der Honigerzeugung erfüllen wir eine ganz wichtige ökologische Aufgabe“, sind die Imker überzeugt. Die Schuld an der Nachwuchsmisere geben die Bienenzüchter dem Überangebot der Freizeitindustrie.
Deshalb will der Verband in Zukunft verstärkt auf Mitgliederwerbung an der Basis – etwa durch Aktionstage an Grundschulen – für sich werben. „Eins muss klar sein“, so Paul Walter, „Honig können wir jederzeit importieren, die Bestäubung unserer Pflanzen aber nicht.“

DEM IMKERVERBAND geht der Nachwuchs aus. Das könnte weitreichende ökologische Folgen haben. Foto: Archiv