1988: Anschluss der Gemeinde Westernkotten an das Lörmecke-Wasserwerk

Von Wolfgang Marcus [aus: Aus Kuotten düt un dat…1988, Nr. 9

Etwa seit der Jahrhundertwende sind in Westernkotten Überlegungen angestellt worden, eine Ortswasserleitung anzulegen (vgl. dazu die zahlreichen Angaben aus Gemeinderatsprotokollen, die in der neuen Ortsgeschichte „Bad Westernkotten, altes Sälzerdorf am Hellweg“ zu finden sind). Vor allem über das Für und Wider eines Anschlusses an das Lörmecke-Wasserwerk, das als „Wasserwerk-Zweckverband der Kreise Lippstadt, Soest und Arnsberg“ 1933 gegründet worden war und zu dem es schon Jahrzehnte vorher Vorüberlegungen und Vorarbeiten gegeben hatte (vgl. die Schrift zum 50-jährigen Bestehen des Lörmecke-Wasserwerks, hrsg., vom Lörmecke-Wasserwerk, Lippstadt+ 1985, 5.13-18), ist lange diskutiert und gestritten worden.

Am 20. Febr., 1934 fasste der Gemeinderat von Westernkotten dann eine endgültige Entscheidung, die der damalige Gemeindevorsteher Josef Pieper durch einen offiziellen Beschluss besiegelte, Wir bringen diesen „Beschluss”, der sich im entsprechender Protokollbuch (in der Stadtverwaltung Erwitte) auf den Seiten 32-37 befindet, im Folgenden in vollen Wortlaut zum Abdruck.

Beschluss

Betr.: Anschluss der Gemeinde Westernkotten an die Lörmecke-Wasserversorgung.

Auf Grund des Ersuchens des Herrn Landrats in Lippstadt durch Verfügung vom 19. Jan. 1934 1-5/II, erkläre ich, nach erfolgter Anhörung des Gemeinderates in der Sitzung vom 20. Febr., 1934, dass die Gemeinde Westernkotten dem Lörmecke-Wasserwerk sich anschließt.

Der Anschluss erfolgt unter den gleichen Bedingungen, welche von den anderen Gemeinden, die sich an das Lörmecke-Wasserwerk angeschlossen haben, zu erfüllen sind.

Gründe: In der Sitzung des Gemeinderates hat sich eine Minderheit von 5 Personen einwandfrei für den Anschluss an das Lörmecke-Wasserwerk ausgesprochen, dagegen haben sich 4 Gemeinderäte ausgesprochen. Die übrigen anwesenden 2 Gemeinderäte erklärten, dass sie nicht dagegen stimmen wollten, dass sie wegen der Höhe der Lasten, die von der Mehrheit der Ortsbevölkerung für untragbar gehalten werde, aber auch nicht in der Lage seien, sich für den Anschluss der Gemeinde Westernkotten an das Lörmecke-Wasserwerk auszusprechen, Wenn ich trotzdem mich entschlossen habe, den Anschluss der Gemeinde Westernkotten an das Lörmecke-Wasserwerk zu erklären, so habe ich diesen Beschluss nach eifriger Überlegung unter Berücksichtigung der nachfolgenden Gründe gefasst.

1. Die Wasserversorgung der Gemeinde Westernkotten ist die denkbar ungünstigste. Nur etwa 1/3 der Wohnbevölkerung hat einwandfreies Wasser, die übrige Bevölkerung, also die überwiegende Mehrheit hat schlechtes Wasser, sogar teilweise überhaupt keine Wasserversorgung, Es besteht mithin die Notwendigkeit, den Ort Westernkotten mit einwandfreiem Trink- und Haushaltungswasser zu versorgen. Diese Notwendigkeit wird auf von denjenigen Mitgliedern der Gemeindeverwaltung anerkannt, die in der Sitzung vom 20, Februar den Anschluss der Gemeinde nicht zugestimmt haben.

2. Seit etwa 40 Jahren bestehen in Westernkotten die Bestrebungen, eine Ortswasserleitung zu errichten. Es sind auch genügend Wasservorkommen in der Gemeinde vorhanden, die mengenmäßig zu einer Versorgung der Gemeinde ausreichen würden. Diese Wasservorkommen sind aber nach dem Ergebnis eingeleiteter Untersuchungen von geologischen und bakteriologischen Sachverständigen für eine zentrale Wasserversorgung nicht geeignet, weil sie dauernd der Gefahr der Verunreinigung ausgesetzt sind. Die Gemeinde Westernkotten hat schon im Jahre 1932 das natürliche Wasservorkommen selbst ausgeschaltet und Mutungen nach unterirdischen Wasserläufen anstellen lassen, Diese unterirdischen Wasserläufe können jedoch nur unter Aufwendung sehr erheblicher Mittel gefördert werden, bevor eine Untersuchung auf ihre Geeignetheit zur Wasserversorgung der Gemeinde möglich ist.

Die Gemeinde Westernkotten besitzt aber nicht die Mittel, um derartige kostspielige Vorarbeiten ausführen zu lassen. Erst recht ist sie außerstande, die Kosten für die Bewilligung einer eigenen Wasserversorgung aufzubringen.

3. Die Lörmecke-Wasserversorgung ist nach sehr eingehenden Untersuchungen der zuständigen staatlichen Stellen schon seit Jahren zu dem Zwecke gefördert worden, eine Reihe von wasserarmen Gemeinden in den Kreisen Lippstadt, Arnsberg und Soest mit gutem Trinkwasser zu versorgen, Alle Bedenken, die gegen dieses Projekt ins Feld geführt worden. sind, hinsichtlich mangelnder Ergiebigkeit, Temperatur und des Preises sind durch die jahrelangen Vorarbeiten aus dem Wege geräumt worden.

Die Staatsregierung hat deshalb auch derartig hohe Zuschüsse und verbilligte Darlehen für die Ausführung der Lörmecke-Wasserwerke bereitgestellt, dass der Bau des Wasserwerkes gesichert ist.

Inzwischen ist mit dem Bau auch schon begonnen worden. Die Staatsregierung hat mit der Hergabe dieser Mittel aber auch unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht gewillt ist, im Bezirk der Lörmecke-Wasserwerke irgendein anderes zu fördern.

Da Westernkotten nun schon in das Lörmecke-Wasserwerk – mit einbezogen ist, entfällt somit für die Gemeinde, wenn der Anschluss an das Lörmecke-Wasserwerk nicht getätigt wird, in Zukunft jegliche Möglichkeit, die dringend notwendige Wasserversorgung einzuführen. Würde ich also den Anschluss an das Lörmecke-Wasserwerk ablehnen, so wäre die Versorgung der Gemeinde Westernkotten mit einwandfreiem Wasser auf Menschengedenken hinaus als gescheitert anzusehen, Die Verantwortung für den ablehnenden Beschluss vermag ich aber umso weniger zu tragen, ‚als. ich die Belastung der Gemeindebevölkerung durch den Anschluss an das Lörmecke-Wasserwerk zwar für hoch, jedoch nicht für untragbar halte.

4, Die Gemeinde Westernkotten sollte beim Anschluss an die Lörmecke-Wasserversorgung bei einem Wasser-Preise von 30 Pfg. je cbm jährlich eine Belastung von 14268 RM auf sich nehmen, Wenn heute noch ernstlich dieser Betrag von der Gemeinde gefordert würde, so hätte ich die Verantwortung für den Anschluss nicht auf mich-zu nehmen vermocht, weil. dieser Betrag tatsächlich nicht zu erschwingen sein würde. Nach den vom Wasserwerks-Zweckverbandsausschuss angestellten Berechnungen wird der Wasserpreis jedoch jetzt 22 Pfg. pro cbm nicht übersteigen, was einer jährlichen Garantiesumme von 10 400 RM gleichkommt.

Weiterhin sollen aber der Domhof und der Weringhof einstweilen nicht angeschlossen werden, so dass die Gemeinde bei einem Wasserpreis von 22 Pfg. je cbm nach der Mitteilung des Herrn Landrats in der Verfügung vom 19. Jan. 1934 tatsächlich nur 8921 RM jährlich an Wassergeld aufzubringen haben wird

Der Herr Landrat hat sich ferner damit einverstanden erklärt, dass ein Drittel des.: Wasserpreises auf den Gemeindeetat übernommen wird, Von der Bevölkerung müssen daher an Wassergeld etwa 6000 RM jährlich unmittelbar aufgebracht werden.

Nach der von der Amtsverwaltung Erwitte aufgestellten Wassergelderhebeliste, welche in der Sitzung der Gemeindevertretung vom 27. November 1933 bekannt gegeben worden ist, werden die Bauern im Durchschnitt 6 RM Wassergeld monatlich aufbringen müssen, während die Haushaltungen der kleinen Leute mit 1 bis 2,- RM belastet werden.

Wenn man die Vorteile bedenkt, welche sich aus einer ordnungsmäßigen Wasserversorgung ergeben, so kann auch bei dem jetzigen niedrigen Einkommensstande dieser Betrag nicht als untragbar be-zeichnet werden, Es muss schließlich auch in Berücksichtigung gezogen werden, dass die Einrichtung des Lörmecke-Wasserwerkes ein Teil des Wiederaufbauprogramms der Reichsregierung ist und das diese Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der arbeitslosen Bevölkerung von Westernkotten mit zugutekommt und damit auch der Gemeinde selbst Vorteile verschafft, die nicht unerheblich sind.

Endlich müssen auch diejenigen, die für ihre Person jetzt Wasser besitzen, im Interesse der Allgemeinheit Opfer bringen, insbesondere die Bauern, Gerade der Bauernstand, der von unserer Regierung planmäßig gefördert wird, darf sich aus eigennützigen Gründen nicht gegen eine Maßnahme der Regierung wenden, wenn dieselben anderen Volksgenossen mehr zugutekommen sollte, als ihm selbst.

Aus den vorstehenden Gründen halte ich es trotz der großen Widerstände, die in der Gemeinde Westernkotten gegen einen Anschluss an das Wasserwerk Lörmecke bestehen, für meine Pflicht, diesen Anschluss namens der Gemeinde Westernkotten zu beantragen und ich hoffe zuversichtlich, dass dieser Beschluss der Gemeinde zum dauernden Segen gereichen wird.

Westernkotten, den 21. Februar 1934

der Gemeindevorsteher Pieper