1977: Erwitte im Wandel der Zeiten – Funktionsfähige Stadt am Hellweg

von Stadtdirektor Josef Grumpe

Veröffentlicht in: Heimatkalender des Kreises Soest 1977, S. 36-43

Im östlichen Teil der Soester Börde, beiderseits des Hellweges, der heutigen Bundesstraße 1, in der Nachbarschaft der umliegenden Städte und Gemeinden Geseke, Lippstadt, Bad Sassendorf, Anröchte und Rüthen liegt die Stadt Erwitte mit 13427 Einwohnern und einer Flächenausdehnung von 89 qkm. Die Stadt Erwitte wurde durch das Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise des Neugliederungsraumes Münster/Hamm (Münster/Hamm-Gesetz) v. 9. 7. 1974 zum 1. 1. 1975 dadurch geschaffen, indem die frühere Stadt Erwitte und die Gemeinden Bad Westernkotten, Berenbrock, Böckum, Ebbinghausen, Eikeloh, Horn-Millinghausen, Merklingnausen-Wiggeringhausen, Norddorf, Schallern, Schmerlecke, Seringhausen, Stirpe, Völlinghausen und Weckinghausen zusammengeschlossen wurden.

GESCHICHTLICHE ENTWICKLUNG

Die einzelnen Stadtteile können wegen ihrer verkehrsgünstigen Lage auf eine jahrhundertelange, wechselvolle und interessante Geschichte zurückblicken. In der früheren Stadt Erwitte wurde durch Karl den Großen um 784 ein Königshof errichtet. Urkundlich ist Erwitte jedoch erst um 836 in den Corveyer Traditionen als Arwitti erwähnt.

Es war das Jahr 1027, in dem Bischof Meinwerk von Paderborn durch Schenkung Kaiser Konrads Il. den Königshof Erwitte mit allen zugehörigen Liegenschaften, Rechten und Hörigen zum Eigentum erwarb und mit diesem Besitz eine Grundherrschaft begründete, deren Verwaltung der Fronhofverband war. Bald danach nahm Paderborn die Rechte aus der Grundherrschaft zum Anlass, dem Erzbistum Köln die Landesherrschaft in unserem Gebiet streitig zu machen. Dieser Versuch misslang zwar, da Köln zweifelsfrei die älteren Rechte besaß, wurde aber von Zeit zu Zeit immer wieder unternommen. Zur Beilegung dieses Konfliktes wurde schließlich aufgrund einer Vereinbarung zwischen Köln und Paderborn die juristische Fakultät der Universität Freiburg um ein Gutachten gebeten, dem sich beide Parteien unterwerfen wollten. Die Entscheidung erging am 28, Februar 1583 als sogenanntes „Laudum“, wodurch die Landeshoheit über das Erwitter Gebiet dem Erzbischof von Köln zugesprochen wurde. Gleichzeitig wurden aber auch dem Bischof von Paderborn das Eigentum an seinen Besitzungen in Erwitte, Westernkotten und Umgegend und die aus dem Eigentum herzuleitenden Rechte bestätigt.

Der Fronhofverband wurde im Jahre 1316 aufgehoben. Alsdann wurde unter Aussonderung des zum eigentlichen Königshof in Erwitte gehörenden Vermögens das Amt (Officium) Erwitte-Westernkotten gebildet. Der Sitz dieses paderbornischen Amtes war zeitweilig Erwitte, später überwiegend Westernkotten. Der Verwaltung dieses Amtes waren aber lediglich unterworfen das Vermögen des paderbornischen bischöflichen Stuhles und die Wahrung der mit ihm im Zusammenhang stehenden Rechte. Hierbei handelte es sich vornehmlich um die Einziehung der von den Hörigen an den Bischof zu leistenden Abgaben, die Überwachung der Erbübergänge, für die von den Erben besondere Abgaben zu entrichten waren, u. a. m.

Die landesherrliche Verwaltung führte für den Erzbischof und Kurfürsten von Köln der Gograf für das Amt Erwitte, dessen Bezirk wesentlich über das paderbornische Amt hinausging. Ihm oblagen neben der höheren Gerichtsbarkeit auch die Erhebung der Landessteuern und die Wahrnehmung der sonstigen landesherrlichen Rechte. An die Stelle der Gografen traten in Kurköln im Jahre 1609 die Drostenämter unter einem Amtmann, denen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit

Oben: Das alte Rathaus. Unten: Der Königshof.

ein Richter beigegeben wurde. Der Reichsfreiherr Dietrich von Landsberg in Erwitte erwarb dieses Amt im Jahre 1643 vom Kurfürsten in Köln, Im Jahre 1650 übertrug ihm der Bischof von Paderborn auch die Verwaltung des paderbornischen Amtes Erwitte-Westernkotten. Mit der Auflösung des Herzogtums Westfalen fielen das kurkölnische und das paderbornische Amt Erwitte an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Die Ämter wurden aufgelöst und kleinere Verwaltungsbezirke, die Schultheißenämter, gebildet. 1816 kam unser Gebiet unter preußische Herrschaft. Paderborn hatte ebenso wie Köln alle seine Rechte verloren. Die Verwaltungsorganisation wurde mehrmals geändert. Aus den vergrößerten Schultheißenbezirken wurden einige Jahre später die sogenannten Bürgermeistereien gebildet. Obwohl Erwitte seit Jahrhunderten Verwaltungszentrum und auch jetzt wieder Mittelpunkt eines Bürgermeistereibezirkes wurde, verblieb der Sitz der Bürgermeisterei in Westernkotten. Auch die 1826 verfügte Verlegung des Verwaltungssitzes von Westernkotten nach Erwitte erfolgte vorläufig nicht. Aufgrund der Westfälischen Landgemeindeordnung von 1856 wurde anstelle der bisherigen Bürgermeisterei wieder das Amt Erwitte gebildet. Diese Verwaltungsform bestand unverändert bis zur kommunalen Neugliederung am 1. 1. 1975. Sitz der Verwaltung ist seit Mitte des vorigen Jahrhunderts unverändert Erwitte.

Im Jahre 1936 wurde Erwitte aus Anlass des 1100jährigen Bestehens mit Rücksicht auf seine große geschichtliche Vergangenheit und die Entwicklung zu einem Gemeinwesen mit vorwiegend städtischem Charakter zur Stadt erhoben.

Die ersten Ansiedlungen des Stadtteils Bad Westernkotten gehen bereits auf vorgeschichtliche Zeiten zurück. Die „Villa Coten“ wurde jedoch zuerst in einer Urkunde der Herren von Padberg vom 16. Januar 1258 erwähnt, welche die Schenkung eines Morgens Ackerland an die Kirche in Cappel zum Inhalt hatte. Zu den ältesten Siedlungen gehört auch die frühere Kirchspielgemeinde Horn, wie den Corveyer Traditionen zu entnehmen ist. In diesen wird nämlich im Jahre 823 ein Haufus in Haron erwähnt, der dem Kloster Corvey 2 Unterhöfe mit Kotten und Wäldern schenkte.

Es kann somit mit gutem Grund gesagt werden, dass die neue Stadt Erwitte sich auf dem Boden ältester deutscher Geschichte befindet.

KÖNIGSHOF UND RATHAUS

Nicht unerwähnt bleiben darf ein Kleinod Erwittes, nämlich das in den Jahren 1716/1717 als kurkölnisches Gerichtsgebäude erbaute Rathaus am Marktplatz, in dem — ebenso wie im Königshofgebäude — bis 1967 ein Teil der damaligen Amtsverwaltung untergebracht war. 1967 zog die damalige Amtsverwaltung in ein in unmittelbarer Nähe der beiden genannten Gebäude errichtetes neues Rathaus ein. Das alte, als Gerichtshaus erbaute Rathaus dient heute einer Dienststelle der Kreispolizeibehörde als Unterkunft.

König Konrad II. schenkte den Königshof im Jahre 1027 der Paderborner Kirche. Durch die Säkularisation von 1803 ist der Königshof in Privathand und 1938 in das Eigentum der Stadt Erwitte übergegangen. Er dient heute mehreren öffentlichen Zwecken.

In der Vergangenheit waren die verschiedensten kommunalen Verfassunngssysteme Grundlage der Verwaltung des Gebietes der heutigen Stadt Erwitte. Durch die Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. 10. 1952 wurde die Ratsverfassung eingeführt. Die Verwaltung der Stadt Erwitte obliegt z. Z. dem am 4. 5. 1975 gewählten Rat der Stadt, der aus 33 Mitgliedern besteht. Um die Beschlüsse des Rates vorzubereiten und auszuführen, ist eine Stadtverwaltung mit 50 Bediensteten tätig. Daneben besteht ein Bauhof mit 26 Arbeitskräften.

ADELSGESCHLECHTER

Erwitte war Jahrhunderte hindurch Sitz berühmter Adelsgeschlechter‚  so des Geschlechts der Ritter von Erwitte, der Grafen Landsberg, der Freiherren von Droste, der Freiherren von Hörde und der Herren von Bredenoll. Aus dieser Zeit sind erhalten das Stammschloss der Grafen von Landsberg, das heute der Bundesrepublik Deutschland gehört und der Bundeswehr als Gerätelager dient, sowie das Schloss der Herren von Droste und von Hörde, das bereits seit 1859 Krankenhaus (von Hoerde’sches Marien-Hospital) ist.

GERICHTSWESEN

Im Mittelalter war Erwitte auch Sitz eines kurfürstlichen Gogerichts und eines Freistuhl- und Femgerichts. Zum Erwitter Gogericht gehörten zeitweise mehr als 100 Dörfer, unter ihnen auch die Stadt Lippstadt. Die Bedeutung der mittelalterlichen Gerichtsbarkeit bewirkte, dass im Jahre 1839 Erwitte Sitz eines Stadt- und Landgerichts wurde, zu welchem Zweck das im Jahr 1973 einem Barund zum Opfer gefallene Gerichtsgebäude am Hellweg, der Bundesstraße 1, erbaut wurde. Dieses Stadt- und Landgericht bestand aber nur bis 1845, dem Jahr der Errichtung von Kreisgerichten. Sitz eines solchen Kreisgerichts wurde damals aber die Stadt Lippstadt. Der nachmalige Amtsgerichtsbezirk Erwitte umfasste 15 Gemeinden der Ämter Erwitte und Anröchte. Bedauerlicherweise wurde das Amtsgericht vom Landesgesetzgeber Nordrhein-Westfalen mit Wirkung vom 1. Juli 1969 aufgehoben und der Erwitter Gerichtsbezirk dem Amtsgericht Lippstadt zugeordnet.

Die Pfarrkirche St. Laurentius vor dem Turmbrand.

DIE KIRCHEN

In Erwitte gibt es drei katholische Pfarrgemeinden: St. Laurentius, Erwitte, mit den Filialgemeinden Eikeloh, Völlinghausen, Stirpe und Weckinghausen. Diese Pfarrgemeinde geht bis auf das Jahr 1050 zurück. Sie zählt 6099 Katholiken. Das geschichtlich bedeutsamste Bauwerk Erwittes ist die altehrwürdige romanische Pfarrkirche, die einst „Fürnehmste Kirche des Herzogtums Westfalen“. Die wesentlichsten Teile dieses denkmalwerten Bauwerkes stammen aus dem 12. Jahrhundert. Der aus dem 13. Jahrhundert stammende Turm brannte im Oktober 1971 ab. Die Wiedererrichtung des Turmes wurde — in veränderter Form — im Jahre 1974 abgeschlossen.

St. Johannes, Bad Westernkotten. Diese Gemeinde wurde im Jahre 1902 von der Pfarrgemeinde Erwitte abgepfarrt. Sie zählt 2194 Katholiken. Die am Anfang des 16. Jahrhunderts erstellte Pfarrkirche wurde im vergangenen Jahre durch einen Neubau ersetzt.

St., Cyriakus, Horn-Millinghausen, mit den Filialen Schmerlecke, Berenbrock, Böckum-Norddorf, Schallern, Seringhausen, Ebbinghausen und Merklinghausen-Wiggeringhausen. Um das Jahr 1000 wurde für diese Pfarrgemeinde, die jetzt 2561 Katholiken zählt, der erste Pfarrer ernannt. Vorher gehörte dieser Bereich zum Damenstift Meschede.

Die Evangelische Kirchengemeinde Erwitte umfasst neben Teilen der Gemeinden Anröchte und Rüthen die Stadtteile Erwitte, Völlinghausen, Berenbrock, Stirpe, Weckinghausen, Bad Westernkotten, Eikeloh, Böckum, Norddorf und Ebbinghausen. Die Kirche ist im Jahre 1951 fertiggestellt worden. Im vergangenen Jahr wurde das 25jährige Kirchweihfest gefeiert. Die Stadtteile Horn-Millinghausen, Schallern, Schmerlecke, Seringhausen und Merklinghausen-Wiggeringhausen gehören zur Evangelischen Kirchengemeinde Bad Sassendorf.

WIRTSCHAFTLICHE STRUKTUR

Das Leben der Menschen ist immer und überall auch von den naturgegebenen Bedingungen der Landschaft abhängig, in der sie zu Hause sind. Unsere Nachbarn im Ruhrgebiet, die Weinbauern an Rhein und Mosel, die Fischer an den Küsten der Nord- und Ostsee, sie alle müssen sich den Lebensmöglichkeiten anpassen, die ihnen ihr Raum bietet. Das gilt auch für die Menschen am Hellweg, im östlichen Zipfel der Soester Börde.

Wegen des guten und ertragreichen Bodens war hier die Landwirtschaft zunächst die alleinige Erwerbsquelle der Menschen. Von 1830 bis 1920 blühte dann in Erwitte eine Tabak- und Zigarettenindustrie, die aber nach dem Ersten Weltkrieg zum Erliegen kam. Bestand und überörtliche Bedeutung erlangten jedoch die Brennereien Siedhoff in Schmerlecke und Beckmann in Böckum. In den Jahren 1926 bis 1930 und 1950 entstanden in Erwitte Kalk- und Zementwerke, die sich in den vergangenen fünf Jahrzehnten zum bestimmenden Wirtschaftsfaktor der Stadt entwickelt haben.

Grundlage für diese Betriebe waren die guten und ausgedehnten Kalksteinvorkommen in der Gemarkung Erwitte. In der Krisenzeit der Jahre 1930 bis 1933 erfuhr die Zementindustrie einen schweren Rückschlag. Nach der Überwindung dieser Krise konnten die Werke ihren Ausbau fortsetzen und standen beim Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in einer günstigen Aufwärtsentwicklung. Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Betriebe stillgelegt bzw. ihre Produktion stark eingeschränkt. Nach Beseitigung der Kriegsschäden konnten die Werke im Jahre 1946 die Produktion, die sie bereits vor dem Kriege auf Portlandzement umgestellt hatten, wiederaufnehmen. Durch umfangreiche Investitionen aller Betriebe sind die Kapazitäten erheblich erhöht worden, insbesondere durch die Inbetriebnahme moderner Drehöfen.

Die Zementindustrie hat in den letzten Jahren durch den Einbau modernster Entstaubungsanlagen zur Verbesserung der Wohnqualität in Erwitte erheblich beigetragen.

Den Bemühungen der Stadt Erwitte um die Beseitigung der industriellen Monostruktur war ein Erfolg dadurch beschieden, dass im Jahre 1965 ein Metallwerk mit jetzt rund 200 Beschäftigten seinen Betrieb nach Erwitte verlegte, und dass im Jahre 1973 ein auswärtiger metallverarbeitender Betrieb in Erwitte einen Zweigbetrieb mit einigen hundert Beschäftigten errichtete. Ferner wurden einige kleinere und mittlere Betriebe angesiedelt.

STADTTEIL BAD WESTERNKOTTEN

So wie sich Erwitte von einer Ackergemeinde zur Industriestadt gewandelt hat, so hat sich Westernkotten von einer Ackergemeinde zu einem Sälzerdorf und schließlich zu einem staatlich anerkannten Heilbad entwickelt. Bereits im 12. Jahrhundert wurde in Westernkotten aus der Sole Salz gewonnen. Aber erst seit 1845 verwandte man die Sole zu Heilzwecken. Bad Westernkotten ist dennoch ein junges Heilbad. 1950 wurde das alte Solbadehaus an der Weringhauser Straße zu einem Bade- und Kurmittelhaus erweitert. Ein größerer Anbau folgte 1960. 1958 entstand die Kurhalle im Kurpark; 1965 erfuhr auch diese eine Erweiterung. 1971/72 wurde das neue Kurmittelhaus im zukünftigen Kurzentrum erbaut. Mit dem Auf- und Ausbau der Kuranlagen stieg die Zahl der Kurgäste. 1950 besuchten 388 Gäste mit 10 262 Übernachtungen das Heilbad. Im Jahre 1975 betrug die Zahl der Gäste 7389 mit 164 022 Übernachtungen. In Anerkennung aller Leistungen ist am 1. 7. 1958 nach der 700-Jahr-Feier durch den Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen dem Hellwegdorf Westernkotten die Bezeichnung „Bad Westernkotten“ verliehen worden, Diese Anerkennung als Heilbad hat der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen am 25. 3. 1975 bestätigt.

In den übrigen Stadtteilen ist mit Rücksicht auf den guten und ertragreichen Boden die Landwirtschaft auch heute noch eine bedeutende Erwerbsquelle der Bürger.

ANSCHLUSS AN DAS EISENBAHNNETZ

Durch den Bau der Warstein-Lippstädter Eisenbahn, der heutigen Westfälischen Landes-Eisenbahn, die 1883 in Betrieb genommen wurde, erhielten auch Erwitte und Bad Westernkotten mit Umgebung Anschluss an das Verkehrsnetz des Deutschen Reiches. Das rheinisch-westfälische Industriegebiet und auch die industriell erstarkte damalige Kreisstadt Lippstadt gaben der Landbevölkerung bessere Verdienstmöglichkeiten und nahmen in den folgenden Jahrzehnten bis zum Ersten Weltkrieg den überwiegenden Teil des Bevölkerungsüberschusses der Stadtteile auf. Handelsbeziehungen zum Industriegebiet wurden nach und nach angeknüpft und verschiedene Selbsthilfeeinrichtungen der Landwirtschaft ins Leben gerufen, so die Molkereigenossenschaft in Erwitte 1891, in Horn 1892 (diese fusionierte 1964 mit Erwitte), die Filiale der Westfälischen Kornverkaufsgenossenschaft Soest in Erwitte 1891. Ferner hat die Westfälische Central-Genossenschaft in Münster im Jahre 1964 im Stadtteil Horn-Millinghausen eine Betriebsstätte für den Handel mit Getreide, Kunstdünger und landwirtschaftlichen Produkten eingerichtet.

Die 1854 in Betrieb genommene Eisenbahn Paderborn-Lippstadt berührte zwar bei Horn den Stadtbezirk Erwitte, doch verhinderten die örtliche Lage des Bahnhofs weitab von diesem Ort und der mangelhafte Zustand des Verbindungsweges eine günstige Auswirkung.

STRASSEN, WASSER, KANAL

Erwitte hat wie jede andere kommunale Gebietskörperschaft den gesetzlichen Auftrag, das Wohl der Bürger zu fördern. Diesem Auftrag dienen u. a. folgende städtische Einrichtungen und Anlagen: 100 km Straßen, davon 38 km Gemeindeverbindungsstraßen; 215 km Wirtschaftswege, davon 195 km ausgebaut; 16,5 km Bürgersteige an Kreis-, Land- und Bundesstraßen; 65 km Abwasserleitungen mit 4 vollbiologischen Kläranlagen; 46 km Wasserleitungen, weitere 34,5 km in der Trägerschaft eines öffentlich-rechtlichen Zweckverbandes.

Mit der Inbetriebnahme der Autobahn Ruhrgebiet—Kassel erhielt die Stadt Erwitte einen direkten Anschluss an das europäische Fernstraßennetz in Form einer Auffahrt in der südwestlichen Gemarkung.

Nach dem Gebietsentwicklungsplan (Teilabschnitt Soest—Lippstadt) der Landesplanungsgemeinschaft Westfalen soll für den Kernbereich Erwittes eine südliche Umgehungsstraße gebaut werden.

SPARKASSEN UND BANKEN

Als Voraussetzung für eine gute wirtschaftliche Entwicklung entstanden die heimischen Geldinstitute, und zwar bereits im Jahre 1865 die Sparkasse der Ämter Erwitte und Anröchte mit dem Sitz in Erwitte, In der Folgezeit entstanden in Bad Westernkotten und in Horn-Millinghausen Spar- und Darlehnskassen sowie in Erwitte eine Zweigstelle der Volksbank Lippstadt. Ferner richtete die Landesbausparkasse Münster 1971 in Erwitte eine Beratungsstelle ein.

Die Sparkasse Erwitte-Anröchte erstellte im Jahre 1974 ihr neues Verwaltungsgebäude in Erwitte. Die Bilanzsumme der Sparkasse belief sich per 31. 12. 1975 auf rd. 94 Mill. DM.

DAS KRANKENHAUS

Bereits seit dem Jahre 1859 besteht in Erwitte das Marienhospital, welches durch mehrere Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen nunmehr über 245 Betten verfügt. Das Krankenhaus betreibt folgende Fachabteilungen:

  • Chirurgie
  • Gynäkologie
  • Innere Medizin
  • Urologie
  • Unfallchirurgie

Ferner ist dem Krankenhaus ein Rettungsdienst angeschlossen. Im Jahre 1975 wurden im hiesigen Krankenhaus 3500 Patienten stationär versorgt. Ferner wurden 65000 ambulante Behandlungen durchgeführt. Die fast 100%ige Belegung des Krankenhauses beweist seinen richtigen Standort.

DAS IDA-STIFT

Im Stadtteil Horn-Millinghausen befindet sich das Ida-Stift, das als Altersheim eingerichtet ist. Von den Schwestern des Ordens Arme Dienstmägde Jesu Christi werden dort zurzeit zehn Personen betreut. Außerdem nehmen die Ordensschwestern, deren Zahl z. Z. vier beträgt, im gesamten Kirchspiel Horn die Aufgabe der ambulanten Krankenpflege wahr.

BAULEITPLANUNG UND SIEDLUNGSGESCHEHEN

Nach dem Erlass des Bundesbaugesetzes im Jahre 1960 haben sich die frühere Stadt Erwitte und die zur neugebildeten Stadt Erwitte gehörenden früher selbständigen Gemeinden sofort und anhaltend um die Aufstellung von Bebauungsplänen bemüht. Insgesamt sind seit 1960 21 rechtsverbindliche Bebauungspläne aufgestellt worden. Aufgrund dieser Bebauungspläne wurden planungsrechtlich die Voraussetzungen geschaffen, insgesamt 620 Wohnungseinheiten neu zu erstellen. Hiervon sind inzwischen 370 Wohnungseinheiten geschaffen worden. Diese Siedlungstätigkeit ermöglichte es, den sich in der Zeit vom 1. 1. 1961 bis heute ergebenden Bevölkerungszuwachs von 1100 Personen wohnungsmäßig zu versorgen. Durch den 1972 aufgestellten Bebauungsplan Nr. 8 der früheren Stadt Erwitte wurde zwischen der B 55 und dem Weckinghauser Weg auf einer Fläche von 33 ha die Möglichkeit zur Ansiedlung von Gewerbe- und Industriebetrieben geschaffen. Nachdem sich bereits in den vergangenen Jahren dort mehrere Betriebe angesiedelt haben, besteht auch heute dort noch die Möglichkeit zur Ansiedlung weiterer Betriebe. Die Standortgunst dieses Industrie- und Gewerbegebietes ist durch die nunmehr in unmittelbarer Nähe vorbeiführende Bundesautobahn weiter erhöht worden.

Zurzeit werden weitere acht Bebauungspläne aufgestellt, um auch weiterhin eine Siedlungstätigkeit zu ermöglichen. – Ferner wird z. Z. ein Flächennutzungsplan für die neue Stadt Erwitte erstellt.

DAS BILDUNGSWESEN

Die Stadt Erwitte hat sich in ihrer langen Geschichte das Schulwesen stets angelegen sein lassen. Aus all den Bemühungen um ein gutes Schulwesen ergibt sich folgende Substanz an Schulsystemen: 1 Gymnasium mit 710 Schülern, 2 Hauptschulen mit 700 Schülern, 4 Grundschulen mit 1180 Schülern, 1 Schulkindergarten mit 20 Schülern. Das Gymnasium und die Hauptschule, im Stadtzentrum gelegen, werden z. Z. mit einer veranschlagten Baukostensumme von rd. 5,5 Mill. DM erweitert.

Auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung ist hervorzuheben, dass in Erwitte und Horn-Millinghausen Ortsringe der Kreisvolkshochschulen bestehen. Es werden in Erwitte und Horn-Millinghausen jeweils im Winterhalbjahr eine Vielzahl von Kursen und Vortragsveranstaltungen abgehalten.  Das kulturelle Leben in der Stadt Erwitte wird durch den Kulturring e. V. belebt, der dafür Sorge trägt, dass jeweils im Winterhalbjahr Theaterveranstaltungen stattfinden. Für diese Aufführungen steht die Aula des Städt. Gymnasiums mit 350 Sitzplätzen zur Verfügung. Dass sich diese Veranstaltungen eines guten Zuspruchs erfreuen, zeigt die durchschnittliche Besucherzahl in der Spielzeit 1974/75 von 322 je Veranstaltung. Ohne finanzielle Unterstützung der Stadt wäre es allerdings kaum möglich, diese hervorragende kulturelle Einrichtung zu erhalten.

Im Königshofgebäude befindet sich seit vielen Jahren eine Stadtbücherei, die 2256 Bände umfasst. Trotz der vor etwa zwei Jahren eingerichteten Kreisfahrbücherei wird die Stadtbücherei in erfreulichem Maße in Anspruch genommen. Die Zahl der jährlichen Entleihungen beläuft sich auf 2700.

FÜNF KINDERGÄRTEN

Es sind insgesamt fünf stadteigene bzw. kircheneigene Kindergärten mit insgesamt 480 Kindergartenplätzen vorhanden. Der stadteigene Kindergarten mit vier Gruppen wurde erst im Jahre 1974 gebaut. Sämtliche Kindergärten werden von Kindern aller Konfessionen besucht.

SPORTSTÄTTEN UND ERHOLUNG

Die Stadt Erwitte ist auf sportlichem Gebiet ebenfalls nicht untätig geblieben. Das städtische Freibad (Schlossbad) wurde im Jahre 1974 mit einem Kostenaufwand von rd. 700 000 DM modernisiert. Insbesondere wurden eine Umwälz- und Erwärmungsanlage eingebaut. Für die Winterzeit bieten drei Lehrschwimmbecken in den Schulen der Stadt (Erwitte und Bad Westernkotten) den Badelustigen ausreichend Platz. Ferner sind sieben Sportplätze und fünf Tennisplätze vorhanden.

Zahlreiche Kinderspielplätze konnten in den vergangenen Jahren in den verschiedensten Stadtteilen angelegt werden. Im Jahre 1973 konnte ein Trimm-Dich-Pfad in der Erwitter Mark an der Pöppelsche und im Jahre 1974 ein solcher im Muckenbruch seiner Bestimmung übergeben werden.

Den Erholungssuchenden stehen neben dem Kurpark in Bad Westernkotten insgesamt 30 ha Park- und Grünflächen sowie die beiden Naherholungsgebiete „Erwitter Mark“ und „Muckenbruch“ mit einer Fläche von insgesamt 56 ha zur Verfügung.

Die St.-Laurentius-Pfarrgemeinde Erwitte unterhält seit 1966 ein Jugendferienwerk. Das Jugendferienwerk verfügt über insgesamt drei Häuser. Ein Haus befindet sich in Thüringen/Österreich, zwei weitere in Ragall/Österreich.

DAS VEREINSWESEN

In Erwitte gibt es insgesamt 96 Vereine. Die Stadt begrüßt es, wenn sich die Bürger nicht als Einzelmenschen abschließen, sondern sich zur Gemeinschaft bekennen. Die Bürger finden sich so zu einem Ideal zusammen, welches letztlich der Allgemeinheit, dem Allgemeinwohl dient. Im Rahmen ihrer Leistungskraft gewährt die Stadt Erwitte den Vereinen finanzielle Hilfe.

VERSAMMLUNGSSTÄTTEN

Es gibt im Stadtgebiet drei stadteigene Hallen. Die größte und älteste Halle ist die Hellweghalle in Erwitte. Sie wurde im Jahre 1922 erbaut und 1974 mit einem Kostenaufwand von rd. 800 000 DM gründlich renoviert. In der Halle sind insgesamt 2000 Sitzplätze vorhanden. Ihre zentrale Lage ermöglicht auch überörtliche Veranstaltungen.

Die Volkshalle in Bad Westernkotten wurde im Jahre 1958 errichtet und 1975 renoviert. Sie bietet 1300 Personen Platz.

Die Mehrzweckhalle in Horn-Millinghausen wurde 1968 erbaut; sie soll in Kürze renoviert werden. Die Halle bietet 350 Personen Platz.

ALTENTAGESSTÄTTE

Seit dem 1. April 1970 unterhält die Arbeiterwohlfahrt – Ortsausschuss Erwitte – (AWO) im Königshof eine Altentagesstätte. Hierfür stehen der AWO mehrere Räume im Erdgeschoß und 1. Obergeschoss zur Verfügung, die ihr von der Stadt Erwitte mietweise überlassen wurden. Diese vorbildlich geführte Einrichtung hat bei den älteren Einwohnern der Stadt Erwitte großen Anklang gefunden.

FEUERSCHUTZ

Der Feuerschutz wird durch die Freiwillige Feuerwehr sichergestellt. Diese besteht aus zwei Löschzügen und sechs Löschgruppen mit insgesamt 250 Feuerwehrmännern. Es sind acht Feuerwehrgerätehäuser und zwölf Löschfahrzeuge vorhanden. Die Freiwillige Feuerwehr wurde im Jahre 1975 insgesamt 57mal eingesetzt.

AUSBLICK UND ZUKUNFT

Die Zukunft wird sicher dadurch weitgehend gekennzeichnet sein, dass der Lebensstandard der Bürger und ihre Bedürfnisse wachsen. Die Freizeit der Menschen wächst in dem gleichen Maße, wie die Arbeitszeit sinkt. Die Mobilität der Bevölkerung nimmt unaufhaltsam zu, und ihr Wissens- und Bildungsstand steigt. Daraus ergeben sich die aktuellen Hauptaufgaben der Stadt Erwitte; sie lauten: Vorausschauen, Planen und Investieren.

Die mögliche Vorausschau ist in der heutigen Zeit besonders wichtig. Natur und Wesen der Stadt Erwitte haben sich geändert und werden sich auch in der Zukunft weiter ändern. Diese Stadt ist zu einem nie zur Ruhe kommenden Prozess geworden, zu einem Gebilde, dessen bauliche und soziologische Strukturen sich in ständigem Wandel befinden. Was wir für die Zukunft brauchen, sind genaue Entwicklungsprognosen, und wir dürfen das nicht mehr dem Zufall oder dem Fingerspitzengefühl überlassen, was exakt ermittelbar oder vorausberechenbar ist.

Die Planung ist erforderlich, um mit den knappen Mitteln an Grund und Boden, Finanz- und Arbeitskraft den größtmöglichen Effekt zu erzielen. Auch im Zeitalter der Computer setzt die Planung Beurteilungsmaßstäbe voraus, die nur aus den Vorstellungen abgeleitet werden können, die der Beurteilende von der richtigen Ordnung der menschlichen Gemeinschaft in der Stadt Erwitte hat.

Die moderne, durch Technik, Wirtschaft und – als Folgeerscheinung – Vermassung entscheidend bestimmte soziale Wirklichkeit legt der Stadt Erwitte u. a. die Verpflichtung auf, umfassend zu lenken, hier zu hemmen und dort zu fördern, die Einrichtungen der Daseinsvorsorge zu erhalten und zu verbessern sowie Sozialfunktionen auszuüben. Sie hat somit in einer Welt von höchster Verletzlichkeit gestaltend, stabilisierend und ausgleichend zu wirken. Es muss investiert werden, weil der Lebensstandard des einzelnen heute nicht mehr allein von der Höhe seines Einkommens, sondern ganz wesentlich von dem Vorhandensein der kommunalen Gemeinschaftseinrichtungen abhängt. Die Notwendigkeit von Investitionen ergibt sich insbesondere aus dem technischen, hygienischen, sozialen und kulturellen Fortschritt.

Die Zukunft der Bürger erfordert auch weiterhin eine funktionstüchtige Stadt – und nur in einer solchen Stadt wird es eine hoffnungsvolle Zukunft geben.

Die kommenden Jahre werden Antworten verlangen auf altbekannte und auf neue Fragen. Diese Zeit wird die Stadt Erwitte sicher vor manche Probleme stellen. Einige Wünsche werden zunächst nicht zu erfüllen sein, weil die finanziellen Möglichkeiten geringer werden. Ich bin aber sicher, dass die Bürgerschaft dafür Verständnis hat, dass die Erfüllung des einen oder anderen Wunsches zeitlich zurückgestellt werden muss.

Rat und Verwaltung der Stadt werden auch weiterhin bemüht sein, den Lebensraum der Bürger der Stadt Erwitte zu festigen und auszubauen. Sie werden sich bemühen, die Zukunft der Stadt Erwitte auf der Basis der vorhandenen guten Infrastruktur nicht passiv bürokratisch zu verwalten, sondern auch weiterhin aktiv politisch zu gestalten.