1976: Vier Heilbäder im Kreis – Von der Salzgewinnung bis zu bedeutsamen Kurorten

Von: Jäker, Heinrich/Gröger, Helmut Werner/R., J.; in: Heimatkalender des Kreises Soest 1976, S. 64-73

Wir standen an einer der hohen, langgestreckten Mauern aus schwarzem Gestrüpp und sahen zu, wie die im Sonnenschein glitzernden Perlenschnüre von Wassertropfen aus der Höhe herabrieselten, wie sie dann von einer schrägen, hölzernen Plattform aufgefangen und in eine Rinne geleitet wurden. Wir tauchten den Finger in dieses Rinnsal, steckten den Finger in den Mund und begannen zu spucken. Denn das, was da auf Zunge und Lippen brannte, war kein Wohlgeschmack, es war eine total versalzte Brühe.

Das war im zweiten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts, kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Damals führten die Jahres-Klassenausflüge der Schule noch nicht in die großen Zoos, an den Rhein oder die Weser, sondern allenfalls an die wenige Jahre zuvor fertiggestellte Möhnetalsperre. Diesmal waren wir nach Sassendorf marschiert.

Und da Schulausflüge immer auch mit Anschauungsunterricht verbunden waren, sollten wir einiges über Salzgewinnung erfahren, von der Salzgewinnung am Hellweg, die, so hörten wir, schon zu Zeiten des großen Karl in diesem Raume betrieben wurde. Salzquellen, so wurden wir belehrt, habe es vom heutigen Unna-Königsborn über Werl, Soest, Sassendorf, Westernkotten bis Salzkotten und darüber hinausgegeben. Soester Straßenbezeichnungen wie „Leckgadum“, „Salzbrink“ und „Salzgasse“ waren uns ohnedies bereits geläufig.

Die schwarzen Gestrüppmauern, „Gradierwerke“ genannt, von denen es damals in Sassendorf vier gab, entstanden um das Jahr 1800. Bis dahin war das Salzwasser der Quellen unmittelbar in die Siedepfannen geleitet worden, in denen das Wasser verdunstete und am Ende die Salzkristalle zurückblieben.

Auf die Idee mit den Gradierwerken war man gekommen, um den Verdunstungsprozess rentabler zu machen. Die Idee war nicht schlecht, sie basierte sozusagen auf der heute so aktuell gewordenen Ausnutzung der Sonnenenergie. Man pumpte das Salzwasser auf die Höhe der Gradierwerke, um es beim Herabtropfen auf natürliche Weise zum Teil schon verdunsten zu lassen. Die restliche Verdunstung in den Siedepfannen vollzog sich dann um einiges schneller.

Der Salinenbetrieb und damit die Salzgewinnung bekam vor etwa 50 Jahren eine einschneidende Konkurrenz durch modernere Verfahren mit entsprechend billigerem Produkt. Der Niedergang der Salzgewinnung am Hellweg begann. 1952 wurde der Salinenbetrieb in Bad Sassendorf stillgelegt. Die Gradierwerke wurden bis auf eines, das nur noch der Freiluftinhalation dient, abgebrochen,

Aber schon zu Anfang des vorigen Jahrhunderts war man auf den Gedanken gekommen, die aus der Erde sprudelnde Sole zu Badezwecken zu nutzen. Dass die Sole ein ausgezeichnetes Heilmittel gegen bestimmte Erkrankungen war, wusste man schon seit Jahrhunderten.

Was sich aus diesen primitiven Anfängen bis in unsere Tage entwickelte, sollen die nachfolgenden Beiträge über die bedeutsamen Heilbäder des Großkreises Soest darstellen: Bad Sassendorf, Westernkotten, Waldliesborn und auch das abseits vom Hellweg gelegene kleine Bad Belecke.

H. J.

Moor- und Solebad Sassendorf

„Hochwürdiger Hochwohlgeborener Herr, wegen eines rheumatischen Leidens, das schon lange mich belästigt hat, ist mir von Ärzten der Gebrauch eines Soolen-Bades angerathen worden. Herr Verwalter Lüling in Sassendorf ist so gütig gewesen und hat versprochen, mir zu dieser Bade Cur eine Stube in seinem Hause einzuräumen und eine Badewanne zu überlassen. Nun kommt es darauf an, ob Ew. Hochwürd. Hochwohlgeborener so geneigt seyn werden, die benötigte Soole verabfolgen zu lassen? Dürfte ich gehorsamst bitten? Auch Hochdieselben um wenige Zeilen gütiger Antwort zu ersuchen, wovon es abhangen wird, ob ich die Cur erlangen oder aufgeben muss? Mit der größten Verehrung

Ew. Hochwürd. Hochwohlgeb. gehorsamster Diener Cons. Rath Busch.“

Der „gehorsamste Diener“, der am 30. April 1817 diesen Brief schrieb, war der Consistorialrat Busch aus Dinker, und der „Hochwürdige Hochwohlgeborene Herr”, an den er gerichtet wurde, war der „Worthalter“ der Sassendorfer Salzbeerbten.

So war das damals. Heute bedarf es einer so unterthänigst vorgetragenen Bitte nicht mehr, um zu einer Badekur zu kommen. Nach einer ärztlichen Die Fußgängerzone in Bad Sassendorf

Verordnung geht alles seinen wohlorganisierten und unproblematischen Gang. „Stuben“ und Badewannen gibt es in ausreichender Zahl.

Im Jahre 1906 hatte man sich in Sassendorf den Badebetrieb behördlich sanktionieren lassen. Wer indes das Sassen-Dorf gekannt hat, wie es sich noch anfangs der dreißiger Jahre ausnahm, das Dorf sowohl wie auch den Badebetrieb, der hauptsächlich Kindern diente, der steht heute fasziniert vor dem, was sich hier in knapp zwei Jahrzehnten getan hat.

1907, 1908, 1918 und 1929 waren in Bad Sassendorf vier größere Kinderheime erstanden. Mit dem, was sich darüber hinaus bot, war kein Staat zu machen. Mit der damaligen Genossenschaft der Salzbeerbten ging es ständig bergab. 1933 musste sie ihre Zahlungsunfähigkeit anmelden. Das Vermögen wurde versteigert, und ein Jahr darauf kam es zur Gründung der „Saline- und Solbad Sassendorf GmbH“.

Der Nießbrauch der Salzwasserrechte der Erbsälzer ging an die neue Genossenschaft über. Diese gab sich redliche Mühe, das Bad durch den Bau eines neuen Brunnenhauses, durch Erweiterung des Kurparks und die Schaffung etlicher Anlagen attraktiver zu machen. Aber nicht immer ist auch ein Weg, wo ein Wille ist. Auf dem Wege stellen sich zumeist die bekannten Engpässe ein, die sich in allzu schmalen Bankkonten dokumentieren.

Dazu kam noch die Kriegszeit, die dem notwendigen Investitionsbemühen ihre radikalen Schranken setzte. Der Aufschwung setzte erst 1958 ein, als die „Saline- und Solbad Sassendorf GmbH“ von kommunalen Körperschaften übernommen wurde, zu 50 Prozent vom _ Landschaftsverband Westfalen-Lippe, zu 40 Prozent vom Kreise Soest und zu zehn Prozent von der Gemeinde Bad Sassendorf.

Dass die natürlichen Voraussetzungen für die weitere Entwicklung gegeben waren, sollte sich 1962 erweisen, als man mittels einer neuen Bohrung in 400 Meter Tiefe eine 8,6prozentige eisen- und kohlesäurehaltige Sole erschloss.

Vorher war bereits der Kurpark am Brunnenhaus (Lunapark) neugestaltet, waren 30 Morgen Erholungswald auf der Hepper Höhe angepflanzt und war 1961 mit dem Bau eines neuen Kurmittelhauses begonnen worden. Es wurde 1964 eingeweiht, nachdem alle Abteilungen des Kurbetriebes dort untergebracht waren.

Dem neuen Kurmittelhaus folgten der Umbau des ehemaligen Badehauses und der Umbau des Obergeschosses des Kurhauses. 1965 wurde das „Haus des Kurgastes“ seiner Bestimmung übergeben, die Möglichkeit zu Kinovorführungen im Kurhaussaal geschaffen, ein Minigolfhaus gebaut und das Pachtgelände am Mühlenstück und an der Pferdekoppel angepflanzt. Das Bild des ehemals bescheidenen Kurviertels begann sich von Grund auf zu wandeln.

1968 trat Kurdirektor König in den Ruhestand. Die zuständigen Gremien ermöglichten dem damaligen Kreisjugendpfleger Rudolf Hilger den Sprung aus dem Kreishaus in die Leitung der Verwaltung des Solbades Sassendorf. Man versprach sich einiges von dem Einfallsreichtum und der entschlossenen Energie des neuen Direktors, obwohl er kein ausgesprochener Fachmann war. Man sollte sich nicht enttäuscht sehen. Rudolf Hilger brachte zuwege, was man als „Das Wunder von Bad Sassendorf“ (Westfalenspiegel/ März 1975) bezeichnet hat. Nun, Wunder unserer Zeit vollziehen sich nicht ohne unerschütterlichen Glauben und noch weniger ohne Tatkraft. Nach der Schaffung weiterer Unterhaltungsmöglichkeiten für die Kurgäste (Verlegung des Minigolfplatzes in den „Lunapark“ und Erweiterung auf 18 Pisten, Trinkwasserbrunnenausgabe im Kurmittelhaus, Umbau des Brunnenhauses zu einem Café, Anlage einer Bocciabahn und eines Parkschachbrettes) wurde mit dem Bau des Rosenau-Sanatoriums, des Parksanatoriums Wiesenstraße,

[Bildunterschriften: Links: Hof Hueck, von Niedermassen bei Unna stilgerecht nach Bad Sassendorf verlegt und heute repräsentatives Hotel Oben: So sah es um die Jahrhundertwende in Bad Sassendorf aus. Das Solwasser der Charlottenquelle wurde auf ein Gradierwerk gepumpt]

der Kurklinik Wiesengrund und des Sanatoriums Am Malerwinkel begonnen. Alle vier sind inzwischen fertiggestellt und bezogen. Sie werden, wie auch etliche private Kurheime und Pensionen, durch Versicherungsträger belegt.

Im September 1974 begann der Bau des neuen Kur- und Erholungszentrums mit Thermalsole-, Hallen- und Freibad. Diese umfangreiche Anlage soll im Sommer 1976 fertiggestellt sein.

Zu einer besonderen Attraktion wurde die Verpflanzung des 200 Jahre alten Bauernhauses Hueck von Niedermassen bei Unna in den Sassendorfer Kurpark. Wand um Wand dieses urwestfälischen Bauernhauses wurde abgetragen und werkgetreu wieder aufgebaut. Es wurde ein repräsentatives Hotel daraus.

Die Voraussetzungen für eine weitere Steigerung des Kurbetriebes sollten sich ergeben, als Kurdirektor Hilger im November 1969 auf dem Gelände der „Woeste“ Moor fand, dem die Analyse „mit allen natürlichen Wirkstoffen reich begabt“ bescheinigte und das die Grundlage für die Rheuma-Therapie bildet. Die Entdeckung führte zur Umbenennung der Gesellschaft in „Saline Bad Sassendorf GmbH. Moor- und Solebad“.

Als bedeutsamer Tag in der Geschichte des Bades ist der 24. März 1975 zu nennen. An diesem Tage übergab Minister Figgen von der damaligen Landesregierung NRW im Sitzungssaal des neuen Rathauses die Urkunde als staatlich anerkanntes Heilbad. Nicht unerwähnt soll die künstlerische Bereicherung der Parkanlagen durch drei überlebensgroße Steinplastiken von Fritz Viegener bleiben.

Hand in Hand mit dieser imponierenden Erweiterung des Kurbetriebes ging das Bemühen der Gemeinde Bad Sassendorf, die im Juli 1975 mit einer Reihe von Veranstaltungen ihr 800jähriges Bestehen feierte. Von den gemeindlichen Maßnahmen seien nur die Ortskernsanierung, die Schaffung einer reizvollen Fußgängerzone, der Neubau des Rathauses und die Gemeindesporthalle genannt, die im Juli ihrer Bestimmung übergeben wurde.

Eine weitere Großplanung ist im Werden: die Errichtung eines Bürgerhauses auf dem Gelände „Am scharfen Eck“. Dieses Vorhaben wurde in das Förderungsprogramm des Innenministeriums aufgenommen. Das Projekt gilt als Modell für den Versuch, die Kommunikationsbedürfnisse der Ortsbevölkerung mit denen der Kurgäste unter einem Dach abzustimmen.

Die bisherigen Pläne bedürfen einer Überarbeitung. Vorgesehen sind regelmäßige Theatergastspiele, Räume für die Volkshochschularbeit, für Jugendgruppen, sportliche Betätigungen (Kegeln, Tischtennis, Bowling), für die Altenbetreuung, zum Basteln und Lesen, für „Mutter und Kind“ und später auch für eine Gaststätte.

Die Erfolge der umfangreichen Investierungen der Kurverwaltung blieben nicht aus. Die Zahl der Übernachtungen stieg von 281 000 im Jahre 1968 auf über 480 000 im Jahre 1974, bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 29 Tagen und einer durchschnittlichen Bettenauslastung von 75 Prozent. Im Jahre 1975 dürfte die Zahl der Übernachtungen noch weit höher gelegen haben.

Wenn es dem eingangs erwähnten Consistorialrat nur dank besonderen Entgegenkommens gelang, eine Stube für einen Kuraufenthalt zu bekommen: Heute stehen für Erwachsene mehr als 1240 und darüber hinaus für Kinder weitere 450 Betten zur Verfügung.

H. J.

TeerKur im Heilbad Westernkotten

Et is „dei gude Stuave des allen Kreises Lippstadt“

Drüttgen: Jans, dei Scheolkinner kammen hey van muargen verbey un mäken en lutflug; do dachte ick seo an meyne Kinnerjohre; dann lutflüge mäken wey freuher ijäwerhaupt nit. Dei scheunste Dagg was, wann use Lährin Namensdag harr. Kamm se muargens in d’ Scheole, kräg se van us Kinnern Bleomen iäwer Bleomen; seogar dei Gank no en Pult was mit Bleomen beströgget. In d’r Teihnuhrspeose pecken wey alle use Lährin bey d’ Hand, mäken en grauten Kreis un sangen: „O Buer, wat kostet deyn Heu?“ orre „Anna saß auf einem Stein“ orre „Blinne Keoh“, un wat fröggern wey us! Sumerdags mochten wey düt helpen, jeder kannte seyne Arbeit. Soterdags mochten wey use Holsken un dei Miälkkannen schuren, dei Strote kieren un wat es süss nau alle te deohen gawte; dafür krägen wey et Sunndages ein Klümpken in en Kaffee. Wat fröggern wey us all up dat Stücksken Sucker!

Jans: Drüttgen, wat wören dat duach für bescheidene Wünske. Ick denke faken, wat hiät dei Teyt use Kinner anspruchsvull maket, se könnt sick vandage jäwer graute Geschenke nit mähr seo fröggen als wey freuher jäwer ein Stücksken Sucker.

Drüttgen: Segg mol, Jans, diu wörst duach van muargen in d’r „guden Stuawe des allen Kreises Lippstadt“, Bad Westernkuatten?

Jans: Drüttgen, van wiägen Bad Westernkuatten, dat hett Heilbad Westernkuatten; un wat hiät sick dat entwickelt, do mot me duach all die Lüe, besonners en Kurdiräkter danken, dat se sick für dat Heilbad seo insatt un et seoweyt brocht hät. Ick häwwe mey seggen loten, et söll up diusend Bedden iutbugget weren.

Drüttgen: Wieviel hiät et dann vandage?

Jans: Ick gläwe, et sind all weyt jäwer feyfhunnert. Dei niggen Huiser sind do mänt seo iut d’r Ere wossen; eint scheuner als et annere. Dei Lüe sind van en däftigen Schlagge, die günnet en Mensken wat für ihre suer verdennten Pännige. Drüttgen, ick gink do in eine Wärtskopp un kräg ein Kottlett seo graut als en Wagenrad. – Un eis dei Sole in Westernkuatten? Dei mäcket kuntant un frisk un bringet

Sunnenscheyn in use klapperigen Knuacken,

Drüttgen: Jans, dei Lüe sind ümmer für weye Reisen: Italien, Spanien, Frankreych, London un seo widder. Dat söllen se sick mänt iut en Koppe schlohen un in d’r Nögede bleywen,et is all ein wohr Weort: „Warum in die Ferne schweifen, Sieh, das Gute liegt so nahl“ —

Die vorstehende mundartliche Plauderei der Geseker Heimatdichterin Christel Schulte-Krude entnahmen wir der Lippstädter Tageszeitung „Der Patriot“ (21. 6. 1975). Anlässlich der 700-Jahr-Feier im Jahre 1958 erhielt das alte Salzsiederdorf Westernkotten durch das Innenministerium von NRW die Bezeichnung „Bad Westernkotten“ und am 25. März 1975 durch den Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales unter Anerkennung als Kurort die Artbezeichnung „Heilbad“. Zu diesem Zeitpunkt gehörte die jahrhundertelang selbständige Gemeinde Bad Westernkotten mit letztlich 2767 Einwohnern und annähernd 7000 Kurgästen jährlich bereits zur Stadt Erwitte und somit auch zum neuen Großkreis Soest.

Zudem haben sich durch die Verwaltungs- und Gebietsreform in der seit dem 29. 12. 1950 existenten „Solbad Westernkotten GmbH“ die Beteiligungsverhältnisse geändert. Neuerdings gewährleisten mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe in Münster, dem Hauptgesellschafter, die Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege und der vorbeugenden Heilfürsorge als weitere Gesellschafter der Kreis Soest, für den ehemaligen Kreis Lippstadt, die Städte Erwitte, Rechtsnachfolger des Amtes Erwitte und der Gemeinde Bad Westernkotten, Lippstadt, Geseke, unter Aufnahme der Anteile des früheren Amtes Störmede, sowie die Gemeinde Anröchte und die Bad Waldliesborn GmbH.

Bis auf den heutigen Tag konnte durch vielseitige Initiativen der aus dem alten Salzwerk mit Solbad und Kindererholungsstätte hervorgegangene Bade- und Kurbetrieb des nunmehr weitbekannten Sol- und Moorbades Westernkotten stets auf dem neuesten Stand gehalten werden.

Bad Westernkotten besitzt in seinen äußerst ergiebigen Solquellen und in dem gemeindlich unentgeltlich überlassenen „Muckenbrucher Moorvorkommen“ in hohem Maße ortsgebundene, natürliche, wissenschaftlich anerkannte und durch Erfahrung bewährte Heilmittel des _ Bodens. Analysen begründen die Indikationen für Herz- und Kreislauferkrankungen, rheumatische Erkrankungen, Erkrankungen der Luftwege und Frauenleiden.

[Foto: Rechts: Das neue Moor- und Kurmittelhaus in Westernkotten]

Es werden alle für stationäre und ambulante Badekuren erforderlichen Kurmittel, einschl. der ergänzenden kurörtlichen Behandlung, badeärztlich verordnet und die eigentlichen, oft differenzierten Anwendungen durch geschultes Fachpersonal sorgfältig überwacht. Dies ist schon deshalb unausweichlich, weil ein Solevollbad von 350 Litern in gelöster Form allein 61 Pfund Salz und andere Stoffe enthält, die beträchtlich in Verbindung mit Kohlensäure auf den menschlichen Organismus einwirken und so den Heilungsprozess — ähnlich wie bei der Moorbehandlung — anregen.

Seit Jahren liegen die Soleentnahmen höher als früher der Verbrauch für die Produktion von Siedesalz seitens der Pfännerschaft Westernkotten und dem daraus resultierenden Salzhandel, der weit über die Grenzen Westfalens hinaus von großer Bedeutung war. Salz war früher bestimmend für das Gemeinwesen Westernkotten und hatte als fast ausschließlicher Wirtschaftsfaktor einen bemerkenswerten, aber doch eng begrenzten Wohlstand zur Folge. Die heutigen sehr breit gestreuten Erträgnisse aus dem Bade- und Kurbetrieb in enger Verbindung mit dem Fremdenverkehr, setzen diese Entwicklung konsequent fort. Möge sich hieran nichts ändern!

Helmut Werner Gröger

[Bildunterschrift: Bewegungszentrum, Moor- und Kurmittelhaus]

Bad Waldliesborn in Lippstadt

Die stets fortschrittliche Tendenz im westfälischen Thermalsolbad Waldliesborn wird schon aus einer Anzeige in den dreißiger Jahren — im übertragenen Sinne — ersichtlich. Es muss allerdings unter den allgemein veränderten Zeitverhältnissen heute heißen, Bad Waldliesborn in Lippstadt, da seit der Verwaltungs- und Gebietsreform die Eingliederung des Ortsteiles Bad Waldliesborn der ehemaligen Gemeinde Liesborn in das Lippstädter Stadtgebiet erfolgte.

Somit ist seit dem 1. Januar 1975 der neugebildete Großkreis Soest sowie die Bezirksregierung in Arnsberg anstelle der Bezirksregierung in Münster zuständig. Der münsterländische Kreis Warendorf als Rechtsnachfolger des Kreises Beckum — dieser stellt Satzungsgemäß den Vorsitz in der Gesellschafterversarnmlung — ist ebenso Badgesellschafter geblieben wie die Neugebildete Gemeinde Wadersloh mit ausgleichenden Anteilen der Gemeinde Liesborn und des früheren Amtes Liesborn-Wadersloh Neben dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe als Hauptgesellschafter hält nächstfolgend die Stadt Lippstadt das zweitgrößte Stammkapital.

Es sind in jedweder Beziehung sehr ähnliche Voraussetzungen und Verhältnisse der im Bäderkreis gelegenen Heilbäder und Kurorte gegeben; Somit ist die Gefahr der Wiederholung in dieser erstmaligen Bäderdarstellung nicht auszuschließen.

Im Gegensatz zu den benachbarten Bädern Sassendorf und Westernkotten verfügt Bad Waldliesborn beispielsweise über kein genutztes Moorvorkommen. Hier dienen zur Behandlung von rheumatischen Erkrankungen Fango aus der Eifel und die naturwarmen Quellen, die aus einer Tiefe von 900 m mit einer Temperatur bis zu 36,9° C eine 10,4-prozentige Sole aus dem Salz der Erde fördern.

Weitere Indikationen sind Herz- und Gefäßerkrankungen, Frauenleiden und Erkrankungen des Nervensystems.

Ferner muss vergleichend gesagt werden, dass Bad Waldliesborn ein sehr junges Bad ist, welches im Vorfeld der Abtei Liesborn im Bruch der Bauernschaft Suderlage infolge einer fehlgeschlagenen Mutungsbohrung nach Kohle entstanden ist. Anstelle der erwarteten Steinkohle wurde ein Sole-Vorkommen festgestellt und für Heilzwecke genutzt. Aber erst kurz vor Beendigung des letzten Weltkrieges erfolgte durch die ehemalige Provinz Westfalen der Ankauf der Badebetriebs- und Kuranlagen, der einen bemerkenswerten Aufschwung bis auf den heutigen Tag bewirkt. Auch hier in Bad Waldliesborn kommen im Zuge des ganzjährigen Betriebes die Kurpatienten aus allen Teilen Deutschlands. Sie werden bisher ausnahmslos durch das private Kur- und Fremdenverkehrsgewerbe versorgt. Allerdings steht Neuerdings eine badeigene 160-Betten-Kurklinik zur Verfügung. Sie bildet in Verbindung mit den Bewegungsbädern — insgesamt 600 qm Wasserfläche — und der funktionsdiagnostischen Abteilung das Herzstück des seit dem 13. Dezember 1974 in Betrieb genommenen Kurzentrums. An diesem Tage ist dem Ortsteil Bad Waldliesborn gemäß dem

Bildunterschrift: Oben: Die vor dem Gradierwerk in Westernkotten mit einer alten Salzwaage „gestellte Aufnahme“ weist auf den Ursprung der Salzgewinnung hin Darunter: Alte Salzquelle auf dem Königssood

Kurorte-Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen die Artbezeichnung „Heilbad“ verliehen und damit der ausgesprochene Kurortcharakter anerkannt worden.

Alle Kur- und Betriebseinrichtungen für die traditionellen Badekuren und die moderne kurörtliche Behandlung sind vorhanden. Der Kurpark mit einem weitergehenden Wanderwegenetz hat eine Größe von 145 Morgen = 350000 qm. Im Jahre 1974 wurden insgesamt 13176 Kurgäste aufgenommen; trotz wechselhafter Badbelegung ist auch 1975 und nachfolgend — wie stets abhängig von der jeweiligen Situation unserer Volkswirtschaft sowie der allgemeinen Gesellschafts- und Sozialpolitik — mit einer Steigerung der Besucherzahlen zu rechnen.

Im Übrigen gilt die auf einer Sonnenuhr an der alten Bohrung eingemeißelte Devise: „Praesens rege — discerne futurum.“

Helmut Werner Gröger

Tausendjährige Heilquelle Geseke

Belecke, an der B 55 ein Tor zum Sauerland, wird urkundlich zuerst 938 erwähnt im Zusammenhang mit den Kämpfen König Ottos I. (Kaiser seit 962) mit den Stammesherzögen. Dabei wurde 938 das „präsidium Baduliki“ zerstört. Auch die späteren Herrscher aus dem Sachsenhause besaßen hier Güter, so Heinrich Il. (1002 — 24) einen Hof „curtis Badilicki“. Von ihm berichtet die Ortstradition, er habe mit seiner Gemahlin Kunigunde in der heilkräftigen Quelle, die nach ihm benannt ist, gebadet. Dem ist sicherlich nicht so.

Nachweislich befand sich aber im Mittelalter in der Nähe des „Kaiser-Heinrich-Bades“, an der Gabelung der B 55 und der B 516 inmitten eines kleinen Wäldchens gelegen, ein Siechenhaus mit einer Kapelle, der heutigen „Kreuzkapelle“. Auf dem Boden der Kapelle lagen in den zwanziger Jahren noch zahlreiche Krücken, wohl von denen zurückgelassen, die von ihren rheumatischen Erkrankungen geheilt wurden. In der Kapelle waren Votiv-Geschenke von Geheilten, da das Kreuz — heute in der Propsteikirche — als wundertätig galt.

Um 1725 berichtet Propst Hilgenhövel, dass die Quelle „viele Menschen von ihren Krankheiten befreie“. Der Pächter des Badehauses musste um 1800 an die Stadt jährlich 150 Reichsthaler zahlen, für die damalige Zeit eine recht beträchtliche Summe.

Nach 1880 versiegte die Quelle, vermutlich infolge des Straßenbaus (B 516) und den damit verbundenen Steinbrucharbeiten im Gelände der Quelle.

1932 WIEDER ERSCHLOSSEN

Erst 1932 wurde die Quelle durch den Organisten und Dirigenten der Kolpingskapelle, Kaspar Bracht, mit Hilfe seiner arbeitslosen Musiker in mühsamer Arbeit wieder erschlossen. Die Mühe hatte bei 5 m Tiefe Erfolg, später wurde der Brunnen auf 11 m vertieft.

Die Wasseranalyse durch das Pharmakologische Institut in Münster war hervorragend: „eine erdig-salinische Kochsalzquelle mit einem beachtlichen Gehalt an Lithium“. Auch der Radongehalt liegt nach diesem Gutachten relativ hoch im Vergleich mit anderen Mineralquellen in NRW. Bei Betrachtung der geologischen Verhältnisse erscheint es als sicher, dass diese Quelle durch eine Zerrüttungszone mit den Solevorkommen am Hellweg bis nach Bad Rothenfelde im Norden in Verbindung steht. Ihr Ursprung ist in einer Ablaugung von Zechsteinsalzen im Münsterschen Becken zu sehen.

Durch Mithilfe und Spenden der Bürger wurde ein Badehaus errichtet, und 1934 konnte der Badebetrieb aufgenommen werden. Ein Mineralwasservertrieb liefert den „Kaiser-Heinrich-Brunnen Badelicum“ als Tafelwasser mit und ohne Kohlensäure Fruchtzusätzen bis in die Städte des Ruhrgebietes. Der Krieg und die Nachkriegsjahre verhinderten einen weiteren Ausbau des Bades.

1963 wurde eine Neubohrung bis in 33,35 m Tiefe durchgeführt, die 6 -8 cbm je Stunde bei freiem Überlauf erbringt, mit einem Gehalt von 5l857,88 mg/kg an gelösten Feststoffen bei einer Wassertemperatur von 14,7 Grad.

Nach den Begriffsbestimmungen für Kurorte und Heilbrunnen ist es als „Natrium-Chlorid-Wasser“ zu bezeichnen (Laboratorium für Wasseruntersuchung, Hameln, Prof. Dr. K. Höll 1972).

1971 ging das Bad, das bis dahin von der Bade- und Brunnenverwaltung betrieben wurde, in die Trägerschaft der Stadt Belecke über. Durch Modernisierung und Erneuerung der Errichtung wurde ein beachtlicher Aufschwung erreicht.

DIE KURMITTEL

Als wichtigste Kurmittel werden verabreicht:

Thermalsolebäder mit und ohne Zusätze, Stangerbäder, Massagen, Unterwassermassagen, Atem und Heilgymnastik, Fango-Parafin-Packungen, Licht-, Wärme- und Elektrobehandlung, Inhalationen.

Angeschlossen ist eine finnische Trockensauna mit Soletauchtbecken und Saunagarten sowie ein Solarium.

Behandelt werden insbesondere:

Rheumatische Erkrankungen, Neurovegetative Störungen, Durblutungsstörungen, Hautkrankheiten und Erkrankungen der Atemwege.

Bedauerlich ist, dass es im Ort wenig Unterkünfte für Badegäste gibt. Das starke Anwachsen Beleckes seit den 50er Jahren in nit der Industrialisierung ließ sich schlecht mit der Entwicklung des Fremdenverkehrs, wie er vor dem Kriege erfreulich begonnen hatte, in Einklang bringen. Jedoch sind die Möglichkeiten des Bades zurzeit durch ambulante Badegäste fast voll ausgeschöpft.

Für die Zukunft ist zu wünschen, dass das Bad, dessen Heilerfolge unbestritten sind und dessen staatliche Anerkennung mit Eifer betrieben wird, aus seiner räumlichen Enge befreit und großzügig ausgebaut werden kann.

In seiner landschaftlich reizvollen Umgebung am Rande des Sauerlandes und des Naturparkes Arnsberger Wald sowie des nahen Möhnesees sollte es noch mehr Menschen Gelegenheit bieten, ihre Gesundheit zu erhalten oder wiederzugewinnen. Entsprechende Pläne im Bereich eines Sport- und Freizeitzentrums im Möhne- und Wästertal wurden in den letzten Jahren erarbeitet und harren ihrer Verwirklichung.

Weitere Informationen über Belecke und das Kaiser-Heinrich-Bad finden sich in der Monographie der Stadt Belecke „Präsidium Badeliki“ 1970, im Abschnitt Dr. W. Dalhoff, Geschichte der Stadt.

J. R.