Heft 9 der Reihe: Beiträge zur Heimatkunde des Kreises Soest, Laumanns Druck Lippstadt 1975
[Text von Karl-Heinz Loske; darin der Teilaufsatz 6.1.: Pöppelsche-Tal südlich von Eikeloh, S.56-58]
Pöppelsche-Tal südlich von Eikeloh
Westlich der Ortschaft Eikeloh und südlich der Bundesstraße 1 erstreckt sich bis zur BAB Dortmund-Kassel ein etwa 3,5 Kilometer langer und bis zu 300 Meter breiter Abschnitt des Pöppelsche-Tals (Topographische Karte 4316).
Im Verlauf des Teilabschnittes treten zahlreiche Windungen auf. Vereinzelt aufgelassene Steinbruchstellen lassen die typische geologische Abfolge gut erkennen. Vereinzelt sind diese Steilwände bis zu 30 Meter hoch. Es handelt sich hier um sogenannte Schloenbachi-Schichten, deren Schichtung, Lagerung und Zerklüftung an derartigen Stellen in einmaliger Form deutlich wird.
Im Bachbett und im Gehängeschotter eingebettet sind zahlreiche nordische Findlinge – Granite, Gneise, Diorite – zu sehen. Dies ist ein Beweis dafür, dass hier die Hellwegtalung aus einem Gemisch von nordischem Geschiebe, Lokalmoräne und fluviatilen Ablagerungen besteht.
Hydrographisch handelt es sich bei diesem Abschnitt um den eigentlichen Sicker- und Abfluss-Abschnitt der Pöppelsche, der keinerlei Seitentäler aufweist. Nördlich der B ı ändert sich jedoch die hydrologische Situation im Tal der Pöppelsche so grundlegend, dass man dem Wasserlauf schon früher einen anderen Namen gab.
Unterstützt durch die reiche Wasserzufuhr aus dem Quellgebiet bei Eikeloh, setzt die Pöppelsche als Gieseler-Bach ihren Lauf durch den unteren Hellweg fort. Bei dem hier behandelten Teil der Pöppelsche handelt es sich um den ökologisch wertvollsten Trockental-Abschnitt im gesamten Untersuchungsgebiet und um den landschaftlich schönsten Teil der Haarabdachung.
Beiderseits des Tales finden sich an den Hängen artenreiche Laubmischwälder, abwechselnd mit Hecken- und Buschgruppierungen. Die überaus dichte Hangvegetation bietet Säugetieren, Vögeln, Reptilien und Insekten ideale Lebensbedingungen.
Gerade diese „Heckenlandschaft“ stellt einen wichtigen Lebensraum für eine Reihe von Vogelarten dar, die hervorragende Indikatoren für die Veränderung der ursprünglichen, reinen Waldlandschaft zur Heckenlandschaft sind. Hierzu gehören vor allem die Grasmücken und Würger.
In dem weitgehend gift- und rückstandsfreien Lebensraum finden sich noch viele Ackerunkräuter und wärmeliebende Pflanzen, wie z.B. der Ackerrittersporn und der Fransenenzian. Auffallend ist in diesem Zusammenhang die Fülle an Schmetterlingsarten.
Trotz seines hohen ökologischen Wertes wird auch dieser Lebensraum zusehends bedroht. Die Schlehen-Weißdorngebüsche werden gerodet und durch Fichtenmonokulturen ersetzt. Die stellenweise verkarsteten Hänge mit Halbtrockenrasencharakter verbuschen zusehends und verlieren ihre weidebedingte Ausbildungsform. Einige dieser Komplexe müssen deshalb durch künstliche Maßnahmen von einer Gehölzvegetation freigehalten werden. An anderen Stellen sollte man jedoch der Sukzession freien Lauf lassen, um die Zurückentwicklung zur natürlichen Vegetation beobachten zu können.
Es erscheint daher unverständlich, dass derzeit im Pöppelsche-Tal Aufforstungen mit Zustimmung des Landschaftsbeirates im Kreis Soest vorgenommen werden. So löblich das Vorhaben ist, in unserem waldarmen Raum Anpflanzungen anzulegen, so sehr bedrohen diese Aufforstungen die charakteristischen Lebensgemeinschaften des Pöppelsche Tales — auch wenn es sich dabei um Laubholz handelt.
Viele Pflanzen- und Tierarten dieses Tales nämlich sind von ganz besonderen Bedingungen verschiedener Kleinststandorte abhängig. Die wichtigsten hiervon sind Wärme, Trockenheit und Licht. Wenn nun z. B. ein Halbtrockenrasen aufgeforstet wird, dann werden die für bestimmte Insekten und Pflanzen günstigen Amplituden der Temperatur und Luftfeuchte so verändert, dass ihr Vorkommen unmöglich wird.
So lieben z. B. Berg- und Zauneidechse Standorte, die sich durch die Sonneneinstrahlung stark erhitzen. Eine zu starke Beschattung solcher Lebensstätten würde zum Verschwinden der Eidechsen beitragen.
Auch die wertvollen und oft mehrere hundert Exemplare umfassenden Enzianrasen würden bei einer Aufforstung verschwinden. Diese Standorte müssten durch Beweidung, Mahd oder regelnde Eingriffe gehölzfrei gehalten werden.
Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass viele der hier lebenden Pflanzen an das mäßige bis geringe Stickstoff-Angebot angepasst sind und deshalb auf Änderungen in der Nährstoffversorgung (z. B. durch Einwehen von Kunstdünger) empfindlich reagieren.
Der oft. übermächtige Erholungsbetrieb wirkt sich in diesem Trockental-Abschnitt besonders negativ aus.
Das gleiche gilt für die in diesem Gebiet besonders häufig stattfindenden Motorradrennen, die die akustischen Belastungen oft ins Unerträgliche steigern. Müll und sonstiger Unrat einschließlich Autowracks, werden in unschöner Regelmäßigkeit die Steilwände heruntergeworfen. Periodische Entrümpelungsaktionen sollten daher unbedingt ins Auge gefasst werden.
Die bereits erwähnte Mannigfaltigkeit an Lebensbedingungen für Pflanzen und Tiere auf kleinstem Raum, die durch genügend Licht für sonnenliebende Organismen, Schatten für Dämmerungstiere, gute Nistgelegenheiten und Unterschlupfmöglichkeiten, Spähplätze für Lauerer, günstige Überwinterungsquartiere und reichhaltige Nahrungsquellen gewährleistet wird, ist in diesem Pöppelsche-Abschnitt noch immer besonders ausgeprägt. Sie kann nur dann erhalten werden, wenn es gelingt, diese Belastungen zu steuern und in den Griff zu bekommen.
Die Ausweisung dieses ökologisch und geologisch wertvollen Pöppelsche-Abschnittes zum Naturschutzgebiet mit allen Konsequenzen, die im Sommer 1978 endlich erfolgt ist, sollte lediglich als Einleitung für weitergehende Schutzmaßnahmen verstanden werden.
Zur Erhaltung des vielfältigen Biotopmosaiks in der Pöppelsche wäre die Aufstellung eines Pflegeplanes durch die zuständigen Stellen sehr zu begrüßen.