1988: Muckenbruch

Das Muckenbruch in Bad WesternkottenEin erhaltenswertes Feuchtgebiet

Von Wolfgang MARCUS (Bad Westernkotten)

[Erstveröffentlichung; Marcus, Wolfgang, Das Muckenbruch in Bad Westernkotten. Ein erhaltenswertes Feuchtgebiet, in: HB 68 (1988), S. 9-15 (vom 24.2.1988)]

Das Muckenbruch ist eines der letzten Nieder­moorgebiete im Bereich des Altkreises Lippstadt. Hier gibt es lediglich nur noch drei: das Stockhei­mer Bruch bei Bönninghausen, das Rabbruch bei Verlar sowie das Muckenbruch (vgl. Endler, S. 107). Dieser ökologisch äußerst wertvolle Lebens­raum ist heute durch verschiedene Beeinträchti­gungen in seiner Existenz stark bedroht: vor allem die Absenkung des Grundwasserspiegels nimmt dem Moorgebiet seine alles bestimmende Voraussetzung.

In dieser Situation sind alle Verantwortlichen, aber auch alle Bewohner des Kurortes aufgerufen, alles zu unternehmen, diesen artenreichen Lebens­raum zu retten. – Der Autor möchte mit seiner .historischen Skizze“ vor allem die Bedeutung, die das Muckenbruch in der Geschichte der .Bade­dörfler“ hatte, aufzeigen. Er kommt zu dem Ergeb­nis, dass das Muckenbruch für viele Bad Western­kötter – vor allem der älteren Generation – ein Stück ihrer Kindheit und ein Teil ihrer Heimat ist, zu dem es eine reichhaltige emotionale Beziehung gibt.“ – So sprechen nicht nur ökologische und ökonomische Gründe für die Erhaltung.

LAGE UND ENTSTEHUNG

Östlich von Bad Westernkotten, das seit dem 1. 1. 1975 (kommunale Neuordnung) zur Stadt Erwitte gehört, fällt ein Waldstück auf, das den ortsfremden Besucher nicht auf den ersten Blick vermuten lässt, dass sich hier eines der letzten Niedermoore des Kreises Soest befindet: das Muckenbruch. Es wird begrenzt durch die Kreisstraße nach Bökenförde im Süden, den Bach .Flachsröte. bzw. die Häusergrenze Bad Westernkotten im Westen sowie die Pöppelsche und die Gieseler im Osten und Norden.

Erst die schwarze Erde an den Rändern der kreuz und quer das Waldgebiet durchziehenden Gräben und den durch die Moorentnahme durch die Kurverwaltung entstandenen Tümpeln sowie vereinzelte Schilfrohrbestände lassen erahnen, dass es sich hier um ein Niedermoorgebiet handelt. Das Niedermoor hat eine lange Entstehungsgeschichte hinter sich. Es entstand etwa wie folgt: Das klüftige Kalkgestein des Haarstrangs lässt die Niederschläge dort weitgehend versickern. Gemäß der leichten Neigung der Schichten nach Norden fließt auch das Wasser dorthin, d. h. Richtung Hellweg, ab, wo es sich vor einer wasserundurchlässigen Schicht, dem Emscher-Mergel, staut und zum Austritt gezwungen wird (vgl. Skizze).

So ist entlang des Haarstrangs ein regelrechter Quellhorizont entstanden, der nicht zuletzt Ursa­che für die Entstehung und Bedeutung des Hell­wegs ist. Zu diesem Quellhorizont gehören im Bereich Bad Westernkotten – Eikeloh u. a. zwei Quellen im Muckenbruch (Storchenquelle und die am Tretbecken), die drei Quellen des Osterbaches (Bul­lerloch) und der Blaue Kolk, die Quelle der Giese­ler (vgl. Sauerland, S. 45-50). Die Gieseler hat .nun, vor allem auch durch die großen Wassermassen gegen Ende der letzten Eiszeit, eine breite Talaue ausgeschwemmt, deren Horizontalsohle im Bereich von Bad Westernkotten zwischen 100 und 1200 Meter schwankt. Das Besondere im Bereich des Muckenbruchs ist nun, dass die Aue dort einige Dezimeter unter dem Niveau der sonstigen Aue liegt. Diese reichen aus, um das Mucken­bruch ständig zu vernässen.

Vereinfacht könnte man das Muckenbruch mit einer großen Schüssel (aus wasserundurchlässi­gem Emscher-Mergel) vergleichen, in die – von der Haar kommend – immer wieder Wasser nachfliegt. (vgl. Endler, S. 11) Der ständig hohe Wasserstand (nach dem Frühjahrshochwasser oft. bis weit über die Landoberfläche!) verursachte nun, dass abgestorbene Pflanzenteile, wenn sie zu Boden fielen, kaum zersetzt werden konnten, da den dafür zuständigen Bodenlebewesen unter Wasser nicht genug Sauerstoff zur Verfügung stand. So kam es zu einer Anhäufung unzersetzter Pflanzenteile, die – nach chemischer Umwand­lung – die sog. Torfe bilden. Diese Schicht des bisher kaum zersetzten Niedermoortorfes, die sich heute unter einer 30-40 cm durch Luftzufuhr stark zersetzten Torfschicht befindet, hat nach Auskunft der Kurverwaltung eine Mächtigkeit von bis zu 1,20 Meter, an den tiefsten Stellen soll sie bis 2 Meter betragen.

NUTZUNG DES MUCKENBRUCHTORFS ALS BRENNMATERIAL

Nach Auskunft verschiedener Bad Westernköt­ter war das Muckenbruch früher weiträumig von feuchtnassen, sumpfigen Flächen umgeben, die noch um die Jahrhundertwende bis an die heutige Straße .Südwall“ reichten: das sog. Bruch. Es bil­dete für den Ort nach Osten hin einen natürlichen Schutz, so dass zu dieser Seite keine Wälle ange­legt wurden (vgl. Karte I + II; an den anderen Seiten des Ortes sind die im Jahre 1506 errichteten Wälle zum Teil noch gut sichtbar).    ­

Nur tiefspurige Wege führten in dieses unweg­same Gelände: erst 1926 wurde der Weg nach Bökenförde als Kreisstraße ausgebaut (Heimatbuch S. 68; das Folgende ist der neuen Ortsgeschichte von Bad Westernkotten, S. 170, entnommen).

Das gesamte Bruch-Gebiet mit seiner tiefsten Stelle, dem Muckenbruch, gehörte wohl von al­ters her der Gemeinde. In trockenen Monaten hü­teten 3.uf diesen Gemeinschaftswiesen, Hirten das Vieh der großen Bauern und Solstättenbesitzer. Gedüngt wurde nur bei Frost, weil der Boden sonst zu feucht war.

In den Jahren 1854 bis 1873 (vgl. Heimatbuch S. 67) wurde das Bruch – jedoch ohne das Mucken­bruch – aufgeteilt: alle Eigentümer aus Western­kotten (Haus- und Grundstücksbesitzer) bekamen ein Stück Land je nach Größe und Umfang ihres Eigentums: der größte Eigentümer am meisten, der kleinste am wenigsten: Leute ohne eigenes Haus oder Grundstück erhielten nichts! (Angaben von Herrn Franz Pütter.)

Schon Jarhhunderte vor dieser Zeit diente die tiefste Stelle des Bruches, das Muckenbruch, da­zu, Torf zum Heizen abzubauen. Wahrscheinlich gab es keine besonderen Vorschriften dafür, so dass sich jeder nach Bedarf holte. Torf war dabei vor allem für die Ärmsten ein beliebter Brenn­stoff; Kohlen gab es nicht bzw. waren zu teuer, und Brennholz gab es im weiten Umkreis von We­sternkotten kaum, da die Feuer in den Salzhäusern zum Sieden des Salzes eine Menge verbrauch­ten. Da waren Leute mit eigenem Land schon bes­ser dran: sie pflanzten überall, wo es möglich war, Bäume an: .Auf jeden Raum pflanz‘ einen Baum“, hieß es. Zur Brennstoffgewinnung wurden vor al­lem Kopfweiden und Pappeln angepflanzt, da sie gut gediehen und vor allem schnell wachsen und viel Holz liefern.

Der eigentliche Torfabbau ging wie folgt vor sich: mit scharfen Torfspaten wurden Stücke; die etwas größer als Ziegelsteine waren, aus dem feuchten Moorboden heraus gestochen und auf trockene Stellen, meist provisorische Holzplan­kenwege, gelegt. Dort konnte das Wasser abtrop­fen und der Wind die Torfstücke austrocknen. Wenn sie trocken genug waren, wurden sie zu­meist mit einem Tragegestell, einer Art Bahre, abtransportiert.

Wenn der Torf in der Torfkuhle sehr feucht war und keine festen Stücke heraus gestochen werden konnten, wurde das Moor in seiner breiigen Form etwa 20 Zentimeter dick auf die Bretter gepackt, festgetrampelt und mit einer Schaufel glattge­schlagen. Dieser „Kuchen“ trocknete nun in Sonne und Wind, was zahlreiche Risse bald anzeigten. Dann wurden mit einem langen Torfmesser Stücke herausgeschnitten und nochmals zum Trocknen für 1 bis 2 Wochen luftdurchlässig auf­gestapelt, um dann abtransportiert zu werden (vgl. Heimatbuch S. 85), Diese Torfstücke nannte man Mucken, die dem Muckenbruch dann auch seinen Namen gaben. (Andere Einwohner Bad Westernkottens führen den Namen auf die zahl­reichen Mücken in diesem Feuchtgebiet zurück.)

Im Urkataster von 1829 eingezeichnete sehr re­gelmäßig verlaufende Bachläufe lassen vermuten, dass für den Torfabbau bereits eine gewisse, wenn auch provisorische Drainierung durchgeführt

wurde. Diese konnte aber nicht verhindern, dass in feuchten Jahren überhaupt kein Stück Torf ab­gebaut werden konnte (vgl. Der Patriot vom 16. 3. 1953).

Über das Ende des Torfabbaus im Mucken­bruch berichtet das Heimatbuch (S. 86): n1843 be­schloss die Gemeindeversammlung, die Torfherstellung auf die Gemeinde zu übernehmen. Man wollte einem unnötigen Zerstechen des Bruches vorbeugen und auch durch den Torfverkauf zur Besserung der Gemeindefinanzen beitragen. Das

. Unternehmen erwies sich aber als ein Fehlschlag; solange jeder seinen Torf selber stechen konnte, wurde die alte Übung beibehalten, an Zeit fehlte es damals nicht. Als nun aber der Torf gekauft :werden sollte, wandte man sich doch lieber ande­ren, allmählich in Gebrauch gekommenen Brenn­materialien zu:

Die Vertiefung der ehemaligen Torfkuhle ist übrigens noch heute im Gelände – wenn auch : nicht ganz leicht – auszumachen, und zwar etwas östlich der Storchenquelle.

An ein besonderes Ereignis aus dieser Zeit der frühesten Nutzung des Muckenbruchs erinnert : auch noch ein Gedenk-/Mahnstein, der etwa 100  Meter nördlich des Rodelberges zu finden ist:

nach alter Überlieferung soll hier während der Pest im 17. Jahrhundert ein adliges Fräulein ver­unglückt (eingesunken!) sein, das Westernkotten  verlassen wollte!

DRAINIERUNG DES MUCKENBRUCHS UND NUTZUNG ALS HEULAND

Anfang des 20. Jahrhunderts (vorläufiger Abschluss 1912; vgl. Heimatbuch S. 68) wurde das Muckenbruch zum ersten Mal gründlich drainiert: ein Netz von kleineren und größeren Gräben sorg­te für eine oberflächige Trockenlegung des Moo­res und bildete so die Voraussetzung für eine ge­wisse landwirtschaftliche Nutzung. Ausgangs­punkt für die Trockenlegung waren unter ande­rem zahlreich vorgetragene Bitten von Ziegenhal­tern, die um die Jahrhundertwende sogar in einem besonderen Ziegenzuchtverein zusammenge­schlossen waren. Initiator dieses Zuchtbereiches für das Münsterland war Professor Landois, der Begründer des Münsterschen Zoos.

Für die Ziegen, die, wie sich Zeitzeugen erin­nern, .nach dem ersten Weltkrieg im Sommer auf jedem nur verfügbaren Stückchen Gras ange­pflockt wurden“, fehlt es an preiswertem Futter, vor allem für die Wintermonate.

Durch die Drainagegräben entstanden nun klei­nere und größere Parzellen, die jeweils im Som­mer und Herbst zum Abheuen ersteigert werden konnten. Dazu begab sich der Bürgermeister, mit Notizblock bewaffnet, mit allen Interessierten ins Muckenbruch. Vor jeder Parzelle wurde halt ge­macht, die Interessenten boten und überboten sich, und der mit dem Höchstgebot bekam den Zuschlag. Jede Parzelle hatte am oberen und un­teren Ende einen Stein mit einer entsprechenden Nummer, der sog. Pollernummer, die sich der neue Besitzer dann nur merken und der Bürger­meister aufschreiben musste.

Die feuchten, tiefer liegenden Parzellen, im Be­reich etwa der ehemaligen Torfkuhle gelegen, fan­den dabei wenig Interessenten. Für nur eine Reichsmark konnten sie oft ersteigert werden. „Dat Gras friätet muine Hitten nich, do mäket se prrh“, hieß es dann oft, und dabei konnten die pas­sionierten Besitzer der „Beamtenkühe“ , wie die Ziegen auch genannt wurden, die Geräusche der Ziegen wirklichkeitsnah nachmachen. Tatsächlich fraßen die an sich genügsamen Ziegen auch nicht jegliches Heu; und je besser das Heu, desto höher die Milchleistung, die bei 3 bis 4 Litern pro Tag liegen konnte.

Die etwas höher gelegenen Nummern fanden dann größeres Interesse, so daß Preise bis zu 60 Reichsmark und mehr erzielt werden konnten. Die erste Nummer bekam immer kostenlos der

Bockhalter, der im Auftrag des Ziegenzuchtver­eins 3 „eingekörte“, d. h. ausgewählte und prä­mierte Zuchtböcke hielt, die für den Ziegennachwuchs zu sorgen hatten. Der Bockstall befand sich zuletzt etwas südlich der Leckhausstraße in einem Maschinenhaus einer Saline.

Zweimal im Jahr wurde dann, wie bereits er­wähnt, gemäht: im Sommer war das Gras bis zu 1

Meter lang, aber nicht sehr dicht, beim Herbst­schnitt, dem Grummet, dagegen kurz und kräftig. Das Abmähen geschah mit der Sense, da Maschi­nen dort eingesunken wären. Und auch die Senser konnten zumeist nur in Gummistiefeln arbeiten, da beim Auftreten die Füße gleich im Moor ein­sackten. Das gemähte Gras wurde mehrmals ge­wendet und zügig zu hohen Heuhaufen auf Holz­gestellen aufgeschichtet, damit es nicht mehr mit dem feuchten Boden in Berührung kam und mög­licherweise verfaulte.

Beim Heuen waren dann oft auch die Kinder im Einsatz, viele der jetzt 50- bis 60jährigen Bad We­sternkötter können sich noch daran erinnern, wie sie zur Erntezeit tagtäglich ihre Freizeit mit Heuen verbrachten.

Beim Heuen machte dann oft auch eine Schnapsflasche die Runde, die zwischendurch ins kurz geschnittene Gras gestellt wurde. Und wenn der Alkoholspiegel in der Flasche im Verhältnis zum umstehenden Gras allzu schnell sank und aufmerksame Kinder darauf hinwiesen, hieß es immer: .Da siehst du, wie schnell das Gras hier wächst.“

– In dieser Zeit sagte man den Kindern auch, dass aus dem Muckenbruch die Babys kämen: „Springs Mutter (eine Hebamme) ist wieder im Muckenbruch gewesen!“ Von hierher rührt sicher­lich auch der Name der Storchenquelle“ im Muckenbruch.

All diese Angaben belegen, dass das Mucken­bruch für viele Bad Westernkötter – vor allem der älteren Generation – ein Stück ihrer Kindheit und ein Teil ihrer Heimat ist, zu dem es eine reich­haltige emotionale Beziehung gibt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm das In­teresse an der Ersteigerung einer Parzelle zum Heuen mehr und mehr ab. Die Gemeinde versuch­te dann, durch ganzjährige, später 12jährige Ver­pachtung das Geschäft attraktiver zu machen, doch der Erfolg blieb zunehmend aus: die Ernäh­rungssituation der Bevölkerung besserte sich, Nahrungsmittel konnten zunehmend preisgünstig eingekauft werden, die eigenen Ziegen (und auch Schweine) und damit die traditionellen Misten vor den Haustüren verschwanden.

In den 50er Jahren pachteten dann größere Bau­ern oder Schäfer Parzellen im Muckenbruch, aber auch das wurde zunehmend weniger. Etwa bis 1965 sollen noch Parzellen verpachtet worden sein.

NUTZUNG DES MUCKENBRUCHS ZUR ERHOLUNG UND GESUNDHEITSFÜRSORGE

Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre (Runge nennt als Beginn das Jahr 1958) wurden die ersten, tiefer liegenden Parzellen mit Pappeln bepflanzt, später festere, asphaltierte Wege angelegt: Ge­meinde und Solbad GmbH hatten das Mucken­bruch als Erholungsgebiet, besonders auch für Kurgäste, entdeckt!

Anfang der 60er Jahre wurde dann zum ersten Mal Moor aus dem Muckenbruch für Moor­packungen und -bäder im Rahmen der Kuranwen­dungen geholt. Heute ist das Moor neben der Sole das zweite wichtige Standbein des Kurortes und vor allem bei der Behandlung von Krankheiten des Bewegungsapparates nicht mehr wegzudenken.

Im Laufe der Jahre wurde die Aufforstung der Parzellen fortgesetzt, wobei die Drainage noch einmal verstärkt wurde (Endler S. 36). Neue Wege kamen hinzu, Tretbecken, Trimmpfad, Schutz­hütten, ein Rodelberg . . .

Die Moorerde wird heute je nach Bedarf aus dem Muckenbruch geholt, in einer Erdhexe zer­kleinert, zermahlen und .in der Moormühle auf 50 Grad Celsius erhitzt. Als Vollbäder und als Packungen, mit etwa 48 Grad C dick auf den Kör­per oder nur auf Körperteile aufgetragen, führen die Behandlungen zu einer intensiven örtlichen Wärmewirkung und fördern die Durchblutung“. (Angaben aus einem Prospekt.)

Die Moorerde wird nach Gebrauch als dünner Torfbrei wieder in die Abgrabungsflächen abge­lassen, .ohne irgendwelche Zusätze außer Was­sern, wie der Kurdirektor von Bad Westernkotten, Josef Grumpe, betont (Telefonsgespräch v. 11.2. 85). Nach derzeit 10 Jahren Regeneration kann dieser Torfbrei erneut für Packungen und Wan­nenbäder verwendet werden.

Dieser Torfbrei hat jedoch mit dem ursprüngli­chen Niedermoortorf wenig Ähnlichkeit; die Zer­kleinerung und Aufbereitung .hat einmal, durch das Fehlen von Makroporen, eine Verdichtung des Substrates zur Folge, zum anderen werden die Wasser erhaltenden Eigenschaften des Torfes grundlegend verändert. Die Wasseranlagerungs­fähigkeit nimmt mit der Vergrößerung der spezifi­schen Oberfläche durch die Zerkleinerung zu, die Luft- und Wasserführung dagegen ab. Die aus diesem Substrat hervorgegangenen Standorte sind mit dem ursprünglichen Niedermoor also nicht mehr zu vergleichen (Endler, S. 100).

Den Umweltschützern macht in diesem Zusam­menhang die Tatsache Sorgen, dass der Flächen­nutzungsplan der Stadt Erwitte den gesamten wertvollen Kernbereich des Niedermoores (ca. 11

ha) als „Fläche für Abgrabungen oder für die Ge­winnung von Bodenschätzen“ ausweist, ebenso wie ein Anfang 1984 rechtsgültiger Bebauungs­plan für dieses Gebiet. Umweltschützer hoffen in diesem Zusammenhang, dass

  • Ÿ die Kurverwaltung sich bezüglich der Moorentnahme auf das Notwendigste beschränkt. Hier sind vor allem die verschreibenden Ärzte gefordert.
  • Ÿ die Regenerationszeit in naher Zukunft nicht mehr 10, sondern vielleicht nur noch 5 Jahre betragen wird, und
  • Ÿ der Regierungspräsident in Arnsberg bei Torfabgrabungsgenehmigungen eine räumliche Begrenzung des Torfabbaus vorschreibt.

DAS MUCKENBRUCH ALS WERTVOLLER LEBENSRAUM ­- KONKURRIERENDE NUTZUNGEN

Für die Erhaltung des Muckenbruchs als Nie­dermoorgebiet sprechen viele Gründe:

  • Ÿ die Tatsache, dass dieses Gebiet eines der letz­ten Niedermoore der gesamten Region ist
  • Ÿ die typische Fauna und Flora dieses Gebietes, in dem zahlreiche Pflanzen und Tiere beheimatet sind, die auf der sog. .Roten Liste“ der besonders bedrohten Tiere lind Pflanzen stehen, so die Nat­ternzunge, das Einspelzige Sumpfried und die Gelbbauchunke. (Vgl. Endler S. 65 u. 73 ff.)
  • Ÿ die vielfältigen emotionalen Bindungen der Bevölkerung
  • Ÿ die Nutzung des Torfes durch die Kurverwaltung . . .

Aber der Belassung als naturnahes Gebiet ste­hen zahlreiche andere Nutzungen konkurrierend

gegenüber. So ist etwa 1980 südlich des Muckenbruchs und unmittelbar nördlich der Straße nach­ Bökenförde eine Drainage gelegt worden, die er­möglicht hat, dass ehemalige Feuchtwiesen, für die: kein landwirtschaftlicher Bedarf mehr vorhanden: war (Abschaffung des Viehs usw.), in Ackerland umgewandelt werden konnten. Diese Drainage entzieht aber auch nach Ansicht zahlreicher Naturschützer dem Kernbereich des Muckenbruchs das nötige Wasser, was unter anderem dadurch bestätigt wird, dass bereits Staubohlen in die Drai­nagerohre eingesetzt wurden und ein Teil des Wassers über eine Rohrleitung aus der Drainage in das Tretbecken geleitet wird.

Von der Ausweitung des Torfabbaus war schon die Rede. – Auch die im oben genannten Bebau­ungsplan entwickelte Vorstellung, einen Groß­parkplatz an der Straße nach Bökenförde anzu­legen und einen See mit Liegewiesen (1) einzurich­ten, stößt nicht nur beim Verfasser auf großes Unbehagen.

WIE IST DAS MUCKENBRUCH ZU ERHALTEN?

Im Sommer 1984 bildete sich eine Bürgerinitia­tive zur Förderung und Erhaltung des Mucken­bruchs. Sie sah im Wesentlichen folgende Ursa­chen für die Gefährdung des Muckenbruchs:

a) die Entwässerungskanäle längs und quer durch das Muckenbruchgebiet, die früher teilwei­se gestaut wurden, heute jedoch zu einer raschen Entwässerung des Feuchtgebietes beitragen

b) die umfangreichen standortfremden Bäume, die aufgrund ihres hohen Grundwasserbedarfs vor allem in der Vegetationsperiode zu einer enor­men Absenkung des Grundwasserspiegels beitragen

c) die Drainage zur Entwässerung der landwirt­schaftlichen Flächen südlich des Muckenbruchs, die auch den Kernbereich des Muckenbruchs mit entwässert sowie möglicherweise (ein diesbezügli­cher Rechtsstreit ist noch nicht abgeschlossen) die Tiefbrunnen der Stadt Lippstadt bei Eikeloh. Alle diese Maßnahmen führen zu einer Austrocknung und letztlich zum Verlust des Moores. Die Ursa­chenbeschreibung wird weitestgehend auch von der Unteren Landschaftsbehörde in Soest geteilt. Ihre Zielvorstellungen hat die Initiative in einem 9-Punkte-Programm zusammengefasst:

1. Ausweisung eines Kerngebietes nördlich und östlich des Rodelberges als Naturschutzgebiet

2. Ausweisung einer darum herumliegenden „Puf­ferzone“ als Landschaftsschutzgebiet

3. Einstauung der oberflächigen Entwässerungs­kanäle

4. Weitestgehende, am besten vollständige Rück­nahme der Drainage    .

5. Räumliche Begrenzung der Torfentnahme durch die Kurverwaltung

6. Möglichst umgehendes Fällen der standortfrem­den Pappeln-, Kiefern- und Tannenbestände und anschließende Belassung des Gebietes als so ge­nannte Sukzessionsfläche.

7. Ausbau einiger Moortaschen zu Teichen und Tümpeln sowie Neuanlage eines solchen amphibienfreundlichen Tümpelbereichs im Nordosten des Kerngebietes.

8. Teilweise Rücknahme einiger nichtasphaltierter Wege, um eine von Besuchern freie Zone im Na­turschutzgebiet zu bekommen, sowie Erhaltung des Muckenbruchs zur so genannten stillen Erholung.

9. Gliederung der an das Kerngebiet angrenzen­den Flächen durch weitere Hecken und Kopfweidenreihen.

Das Bemühen der Initiative sowie verantwor­tungsvoller Behörden und Politiker hat bereits zu gewissen Erfolgen geführt: So wurden Staustufen in einigen Gräben zur Verhinderung eines schnel­len Wasserabflusses angebracht, etliche standort­fremde Bäume gefällt. Der Kreistag geht inzwi­schen bei seinen Überlegungen grundsätzlich da­von aus, im Zusammenhang mit der Novellierung des sog. Landschaftsplanes I das Muckenbruch unter Naturschutz zu stellen.

Um bei der Verabschiedung der Novellierung – nach Angaben der Unteren Landschaftsbehör­de des Kreises Soest ist damit (nach Anhörung der Träger öffentlicher Belange und der öffentlichen Auslegung des Planes) 1988 zu rechnen – bereits konkrete Ziele und Folgen einer solchen Unter­schutzstellung angeben zu können, hat die Untere Landschaftsbehörde im Spätsommer 1987 das Bü­ro für Ökologie und Wasserwirtschaft Loske, Ge­seke, beauftragt, eine exakte Bestandsaufnahme der Fauna und Flora sowie der Landschaft über­haupt vorzunehmen und entsprechende Pflege- ­und Entwicklungsmaßnahmen aufzuzeigen.

Es bleibt zu hoffen, dass auf diesem Wege Be­mühungen um den Erhalt des Muckenbruches als – wenn auch nicht völlig natürliches, so doch na­turnahes – Niedermoorgebiet ein gutes Stück vorankommen.

Eine Unterschriftenaktion zur Unterstützung dieser Forderungen wurde ebenso eingeleitet wie Informationsveranstaltungen und Gespräche mit verantwortlichen Politikern.

LITERATUR:

1. Heimatbuch der Gemeinde Bad Westernkotten, Lippstadt 1958

2. Endler, Michael. Entwicklungs- und Pflegemaßnahmen ,Muckenbruch‘, Diplomarbeit an der Universität Essen v. 11. 9. 84 (Manuskript)

3. Sauerland, Heinz-Josef Quellen am Hellweg, Lippstadt 1969

.4. ,Der Patriot‘ vom 16. 3. 1943

5. Runge, F. (Verf.), Kleiner Bad Westernkotten-Führer, her­ausgegeben von der Kurverwaltung Bad Westernkotten, 1968

6. Bad Westernkotten, Altes Sälzerdorf am Hellweg, Lippstadt 1987

Für zahlreiche mündliche Mitteilungen bin ich vor allem Herrn Franz Pütter, Griesestraße, sowie etlichen Mitgliedern des Heimatvereins Bad Westernkotten dankbar.