2003: Die Familie Halle — eine jüdische Familie in Westernkotten

von Maria Peters (in: Heimatkalender Kreis Soest 2003, S. 72]

Die Familie Halle lebte schon in der dritten Generation in Westernkotten, wie ältere Grabinschriften auf dem Erwitter Judenfriedhof zeigen. Das erste Mitglied der Familie, das in Westernkotten ansässig wurde, war der am 16. September 1785 in Störmede geborene Abraham Halle, der am 1. Juni 1862 in Westernkotten starb. Er war verheiratet mit Hannchen Forstmann, geb. 20. Juni 1810. Diese verstarb in Westernkotten am 23, März 1880.

Von ihren fünf Kindern lebten und starben zwei in Westernkotten; Berta Halle (21. Februar 1839 – 29. März 1921) und Josef Halle (21. August 1841 – 7. Oktober 1923). Die Lebensdaten der drei weiteren Geschwister sind: Benjamin (2. Mai 1833 – 17. März 1902), Isaak (21. Dezember 1836 – 21. Dezember 1904) und Tina, verheiratete Goldschmidt (22. Januar 1844 – 1. Februar 1889); die beiden Letzteren sind auf dem Lippstädter Friedhof beerdigt.

Der am 21. August 1841 geborene Händler Josef Halle war verheiratet mit Julie Bloch, geb. 21. August 1860 in Rothelmshausen bei Fritzlar (an anderer Stelle wird der 8. August 1860 genannt). Ihre einzige Tochter hieß Johanna, geb. 3. Mai 1888.

Josef Halle verstarb am 7. Oktober 1923 und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Erwitte beerdigt. Wie bei Ehepaaren üblich, war an seiner Seite schon ein Platz für seine Ehefrau Julie vorgesehen. Julie Halle lebte in der Familie ihrer Tochter Johanna Ostheimer, geb. Halle, weiterhin in Westernkotten. Sie führten ein Textilgeschäft und waren bis zum Ausbruch des Nationalsozialismus und der damit verbundenen Judenhetze angesehen und geachtet.

Im Sommer 1938 — am 1. Juni — verließ die Familie Ostheimer Westernkotten und verzog in die ihnen sicherer erscheinende Stadt Köln. Mit ihnen ging die 78jährige Mutter Julie Halle.

Bildunterschrift: Der Platz an seiner Seite blieb leer: Julie Halle wurde von den Nazis ermordet und wohl in Minsk in einem Massengrab verscharrt.

Selbst ihr hohes Lebensalter verschonte Julie Halle nicht vor der Ermordung durch die Nazis. In der Deportationsauflistung vom 16. Juni 1942 von Köln-Deutz nach Theresienstadt ist unter der Nummer 254 zu lesen: „Halle, Julie S. von Köln, Cäcilienstraße (Sammelpunkt), geb. 8.8.1860 in Rothelmshausen”.

Julie Halle, die das 82. Lebensjahr fast erreicht hatte, wurde folglich vom Bahnsteig 5 des Bahnhofs Köln-Deutz zunächst nach Theresienstadt und später zur Vernichtung nach Minsk deportiert und dort wahrscheinlich in einem Massengrab verscharrt, anstatt neben ihrem Mann auf dem ihr zugedachten Platze auf dem Erwitter Friedhof ihre letzte Ruhe zu finden.