1952: Die Salzquellen in Westernkotten

Von Heinrich Eickmann

In: Heimatbuch des Kreises Lippstadt 1952, S. 58-61

Am Hellweg haben wir ein reiches Quellgebiet. Die mächtigen Plänerkalkschichten haben viele Hohlräume und Spalten. Durch diese wird das auf dem Haarstrang versunkene Wasser zum Hellweg hingeleitet. Hier staut es sich vor und unter dem Emschermergel und tritt in vielen Quellen zu Tage. Wenn diese unterirdischen Wasserläufe auf ihrem Wege Salzablagerungen passieren, lösen sie einen Zeil des Salzes auf und brechen dann als Salzquelle hervor.

Bis zum Jahre 1845 wurde die Rohsole für die Salzwerke in Westernkotten aus drei Brunnen gewonnen. Diese Brunnen liegen mitten im Dorfe auf dem Königssodplatz. Die Brunnen werden benannt: „Der Mittel-, der Windmühlen- und der Kappelbrunnen“. Vor 1800 war die Bezeichnung: „Der Hauptbrunnen, der vorderste Brunnen und der hinterste Brunnen”.

In älterer Zeit hat der Hauptbrunnen die Bezeichnung Königssood geführt. Es wird angenommen, dass diese Bezeichnung vom Königshofe in Erwitte herrührt. Kaiser Konrad II. schenkte im Jahre 1027 dem Bischof Meinwerk von Paderborn den Königshof in Erwitte und damit den wahrscheinlich dazugehörigen Königssood.

Die Brunnen sind in ihrem oberen Teil viereckig ausgezimmert, mit etwa 2 ½ Meter Seitenlänge, der untere Teil ist in den in der Tiefe anstehenden Pläner Kalk eingebrochen und ohne Bekleidung. Der Mittel- und der Windmühlenbrunnen sind 14 Meter tief, der Kappelbrunnen 17 Meter. Über den Brunnen waren 4 Meter hohe Fachwerkgebäude errichtet. Das Brunnenhaus des Kappelbrunnens ist schon in früherer Zeit abgebrochen, das des Mittelbrunnens 1895 und das des Windmühlenbrunnens 1898. Beim Bau der Kreisstraße Westernkotten – Lippstadt im Jahre 1913 ist der Windmühlenbrunnen zugeschüttet worden, da er zum Zeil im Straßengelände liegt.

Die Sole aller drei Brunnen ist bis über Erdoberfläche gestiegen, heute fließt nur noch der Windmühlenbrunnen über; die anderen beiden entwässern, wenn die Sole eine bestimmte Höhe erreicht hat, durch eine Rohrleitung zum Osterbach.

Aus den Brunnen gefördert wurde die Sole durch Treträder von etwa 6 Meter Durchmesser, die durch Frauen in Betrieb gesetzt wurden. Durch eine angebrachte Vorrichtung entleerten sich die Kübel selbsttätig in ein Bassin. Bei dieser eintönigen Arbeit hatten die Frauen ihren Strickstrumpf zur Hand und sangen ihre alten Lieder. Beim Mittel- und Windmühlen-Brunnen wurde die Sole später durch ein gemeinsames Göpelwerk gefördert. Am Kappelbrunnen wurde noch 1820 ein Tretrad angelegt.

Die Quellen in den Brunnen streichen von Osten nach Westen; durch Gesteinsspalten scheinen die Brunnen miteinander in Verbindung zu stehen. Namentlich der Kappelbrunnen erhält einen großen Teil feiner Sole, wenn nicht alle, von den anderen beiden Brunnen, er ist ja auch drei Meter tiefer. Die Ergiebigkeit der Brunnen ist veränderlich, bei größeren Niederschlägen ist sie höher, auch steigt in diesem Falle der Salzgehalt. Das letztere wohl deshalb, weil bei dem erhöhten unterirdischen Wasserdruck mehr Salzteile aufgelöst werden und weil das Wasser an Salzteile herankommt, die sonst nicht bespült werden. Die Brunnensole hatte im Durchschnitt 8 ½ Prozent Lötigkeit. Herr Weierstraß hat am 1. August 1845 allerdings nur 8,16 Prozent gemessen.

Zu dieser Zeit lieferte der Hauptbrunnen täglich 1766,4 Kff., der Windmühlenbrunnen 1228,8 und der Kappelbrunnen 571,2 Kff. Sole. Die Temperatur der Sole ist 13 bis 14 Grad R [eine mir nicht ganz klare Abkürzung, wahrscheinlich Rankine. WM].  

1843 sind 720 Last Salz produziert worden (Eine Last ist 40 Zentner). Zu dieser Fabrikation wurden etwa drei Viertel der zur Verfügung stehenden Sole gebraucht. Erwähnt werden soll hier noch, dass, nach Seibertz, bei der Anlage eines Salzbrunnens fünfzig römische Kupfermünzen gefunden sind („Heimatblätter” 1940, Seite 43).

Die Saline Westernkotten bestand aus 15 Anteilen, die verschiedenen Interessenten gehörten. Die einzelnen Anteile waren ungleich, darum waren auch die Anteile an den Brunnen verschieden; auch hatten nicht alle Interessenten Anteile an allen Brunnen. Die Schöpfzeit der einzelnen Berechtigten war folgende:

A) Mittelbrunnen

1. Der Graf von Landsberg mit täglich 16 Stunden

2. Der Freiherr von Papen 3 Stunden

3. Die Gebrüder Bredenoll 2 ½ Stunden

4. Der Erbsälzer Löper 2 ½ Stunden

24 Stunden

B) Windmühlenbrunnen

1. Der Graf von Landsberg mit täglich 9 Stunden

2. Der Freiherr von Papen                            12 Stunden

3. Die Gebrüder Bredenoll                           3 Stunden

24 Stunden

C) Kappelbrunnen

1. Der Graf von Landsberg mit täglich 8 Stunden

2. Der Erbsälzer Jesse                                    8 Stunden

3. Der Fiskus                                                     8 Stunden

                                                                          24 Stunden

Ursprünglich ist die Zahl der Schöpfberechtigten sehr groß gewesen. Nach der Soester Fehde haben sich die Bewohner der umliegenden zerstörten Ortschaften Aspen, Hockelheim, Weringhausen, Swick und Ussen bei den Salzquellen angesiedelt. Diese haben sich das notwendige Salz durch Schöpfung aus den Salzquellen verschafft. Mit der Zeit ist dann hieraus ein Schöpfrecht geworden, so dass 1312 schon 92 Salzhäuser bestanden. Die Schöpfberechtigungen waren so klein geworden, dass mehrere Einwohner im Jahre mir ein bis zwei Stunden schöpfen durften, Als das Salz ein wichtiger Handelsartikel wurde, nahm man die Produktion im Großen auf, es gehörten dazu große und teure Anlagen, so dass die Kleinproduktion nicht mehr rentabel war und dadurch die Zahl der Anteile sich allmählich auf 15 verminderte.

Die Erbohrung einer neuen starken Quelle

Im Jahre 1844 erhielt die Pfännerschaft der Saline Westernkotten, die Erlaubnis, auf Salz zu bohren. Man hat geglaubt, wo Salzwasser sei, müsse au Steinsalz sein. Mit der Bohrung an der Gieseler, auf der sogenannten „Isernen [„Eisernen“ [WM] Schute [„Schütte“ im Sinne von Quelle]“, begann man am 27. Juni 1845 mit einem vier Zoll weiten Bohrloch.

Das aufgeschwemmte Gebirge war 15 Fuß stark und bestand bis auf das Kreidegebirge aus: 1 Fuß 8 Zoll Dammerde, 2 Fuß 4 Zoll gelben Lehm, 4 Fuß Lehm mit Sand, 1 Fuß Gerölle mit Kieseln, 1 Fuß 6 Zoll mergeligen Ton und 4 Fuß 10 Zoll lockerem weißen Kalktuff.

Das Wasser im Bohrloch zeigte anfangs keinen Salzgehalt; als man aber eben in den Plänermergel eingedrungen war, wurde das Wasser schwach salzhaltig. Bei 20 Fuß Tiefe war der Salzgehalt 0,625 Prozent, bei 119 Fuß 1,5 Prozent, bei 127 2/12 Fuß 5 Prozent; bei 137 7/12 Fuß 5,875 Prozent, wobei die Sole auszufließen begann. Bei weiterer Bohrung steigerten sich die Ausflussmenge und die Wärme der Sole immer mehr. Am 1. August, bei 247 Fuß 11 Zoll Tiefe, hatte die Sole 8,1 Prozent Salzgehalt und eine Temperatur von 15,7 Grad. Das Bohrgestänge fiel dann plötzlich im Bohrloch 16 Zoll tief hinab und im gleichen Moment schoss schäumend und mit großem Getöse ein hochaufschießender Strahl Sole empor und überschüttete die verdutzten Arbeiter wie ein Strom.

Die ganze Tiefe war nun 249,25 Fuß oder 78 Meter. Schon seit dem 29. Juli hatte die Sole den Bohrschlamm mit hochgebracht und dadurch das Bohren sehr erleichtert und beschleunigt; mur warf die Sole eine Menge Gebirgstrümmer von mehreren Loth Gewicht aus: weißen Mergel, darunter Stücke mit Kalkspat-Adern, ferner Gesteinsbrocken mit grünen Körnern, Kalkspath und Schwefellkies. Dieses dauerte bis zum 3. August, dann war die Sole hell und klar. Am 9. September wurden 8,41 Prozent Salz gemessen bei 15,7 Grad R. Ausflussmenge war 48 bis 5o Kff. in der Minute, täglich 2160 cbm. Im Jahre 1852 hat man die Quelle gefasst und auf den Bohrtäucher ein dreizölliges gusseisernes Rohr, mit Absperrhahn versehen, aufgeschraubt; auf diesem Eisenrohr steht ein hölzernes Standrohr von 8,50 Meter Höhe.

Nun wurde von hier die Sole durch eine zweitausend Fuß lange Holzröhrenleitung zu dem Soleverteilungskasten auf dem Königssood-Platz geführt, für die von Papensche, die Bredenollsche, die Jessesche und die Löpersche Saline. Durch eine weitere Rohrleitung wird die Sole zu den Gräflich von Landsbergischen Gradierwerken geleitet. Durch eine 1920 angelegte Gussrohrleitung erhält auch das Bad vom hier seine Sole. Über dem Bohrloch steht zurzeit ein baufälliges, hölzernes, turnartiges Brunnenhaus.

Eine zweite Bohrung haben die Salineninteressenten 1847 bei der Erwitter Warte, zwischen Gieseler und Lipper Weg, durchgeführt. Die ausfließende Sole enthielt sehr viel Kohlensäure und der Schaum einen durchdringend bituminösen, schwefelwasserstoffähnlichen Geruch. Man hat hier in längeren Abständen weitergebohrt; am 8. Februar 1856 war man 1017,5 Fuß tief, die Sole hatte vor Ort 26,5 Grad R. einen Salzgehalt von 9,3 Prozent und einen Ausfluss von 1,6 Kfl. in der Minute. Man hat bis zu 1214 Fuß weitergebohrt, aber im Laufe des Jahres 1854 die Weiterbohrung aufgegeben. Zuletzt ist man hier auf den bei Belecke vorkommenden Hornstein gestoßen. In der Nähe von Westernkotten sind auf Staatskosten noch zwei Bohrlöcher niedergebracht, um für die Saline Königsborn besondere Sole zu bekommen. Die Saline Unna-Königsborn hat eine ganze Anzahl Quellen, die aber nur 4 – 5,75-prozentige Sole liefern.

Eine Bohrung wurde 1852 begonnen; sie liegt auf dem rechten Ufer der Gieseler, an der Bundesstraße 55 bei der Wirtschaft Preister. Ende Mai 1855 hatte man eine Tiefe von 1265 Fuß erreicht. Das zweite Bohrloch liegt am Glasebach. Bei beiden Bohrungen hat man keine befriedigenden Ergebnisse erhalten. Auf weitere Einzelheiten soll nicht eingegangen werden; bemerkt sei aber noch, dass bei der Bohrung bei der Erwitter Warte und bei Preister unter dem Wiesenkalk eine Schicht von fossilem Holze durchstoßen wurde. Diese braunkohlenartige Schicht enthielt Reste von Pflanzen, die auch heute noch dort vorkommen, wie Alnus glandinosa, Blätter von Gramineen, Früchte von Carexarten und Lebermose. Im Kriege wollte man diese „Braunkohle“ als Brennmaterial verwenden.