1998: Heimkehrerverband, ehemaliger

Der Heimkehrerverband Bad Westernkotten

von Wolfgang Marcus (Bad Westernkotten)

[Erstabdruck: Marcus, Wolfgang, Der Heimkehrerverband Bad Westernkotten, in: Vertell mui watt, Ausgabe 60 und 62 (1998)]

Nach erfolgter Renovierung der Marienkapelle im Turm der Pfarrkirche Sankt Johannes/Evgl. in Bad Westernkotten im Januar/Februar 1998 hat dort auch eine Gedenktafel des Heimkehrerverbandes Bad Westernkotten ihren Platz gefunden. Aus diesem Anlass soll im Folgenden einiges zu diesem Verband, seinen gesamtpolitischen Hintergründen und der Gedenktafel im Besonderen ausgeführt werden.

1. Gesamtgeschichtliche Hintergründe für die Entstehung eines Heimkehrerverbandes

Viele deutsche Soldaten gerieten während des zweiten Weltkrieges oder bei Kriegsende in Gefangenschaft. Kriegsgefangene im völkerrechtlichen Sinne sind Personen, die als Angehörige eines militärischen oder militärähnlichen Verbandes im Zusammenhang mit kriegerischen Ereignissen in die Hände des Gegners gefallen oder nach der Kapitulation oder Besetzung wegen ihres militärischen oder militärähnlichen Dienstes von einer ausländischen Macht gefangen genommen worden sind.“[Der Bundesminister des Innern (Hrsg.), Betrifft: Eingliederung der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten in der BR Deutschland, Bonn 1982, S. 115]

Bei Kriegsende war das gesamte Gebiet des Deutschen Reiches Kriegsschauplatz geworden, und so geriet der überwiegende Teil der deutschen Wehrmacht in Kriegsgefangenschaft. Viele Betroffene, vor allem solche, die den Westalliierten in die Hände gefallen waren, konnten zwar schon 1945 oder 1946 in die Heimat zurückkehren. Ein großer Teil, vor allem in der damaligen Sowjetunion, wurde jedoch oft noch jahrelang zurückgehalten. Diese Kriegsgefangenen hatten in der Regel wesentlich größere körperliche und seelische Belastungen ertragen: Strapazen der Kriegsgefangenschaft, lange Trennung von den Angehörigen, Probleme bei der beruflichen Eingliederung, um nur einige Bereiche zu nennen.

Schon bald nach der Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 versuchte der Bund, durch das sog. Heimkehrergesetz vom 19.Juni 1950 die schlimmste Not dieser Menschen zu verringern. Dabei wurde beschlossen, nicht nur Kriegsgefangenen, sondern auch den Zivilisten mit vergleichbaren Schicksalen zu helfen, also denjenigen, die im Zusammenhang mit den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges durch eine nichtdeutsche Macht wegen ihrer deutschen Staatsangehörigkeit oder Volkszugehörigkeit verschleppt oder interniert worden waren. Neben einem Entlassungsgeld und einer Übergangshilfe standen auch Hilfen zur Förderung der beruflichen Eingliederung. Am 30. Januar 1954 folgte das sog. Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das noch deutlich umfangreichere Hilfen besonders für die am schwersten Betroffenen, vor allem die, die über 1947 hinaus in Gefangenschaft waren, vorsah.

Schon sehr viel früher hatten sich die Kriegsgefangenen und Zivilinternierten und Verschleppten zusammengefunden und organisiert, um gemeinsam ihre Rechte auf Entschädigung und Ausgleich zu vertreten. Auf Bundesebene entstand so der Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen Deutschland e.V. mit Sitz in Bonn, der sich aus auf örtlicher Ebene arbeitenden Heimkehrergruppen zusammensetzte. Zu diesen gehörte auch der Heimkehrerverband Bad Westernkotten.

2. Der Heimkehrerverband Bad Westernkotten

Über den Heimkehrerverband liegen bisher nur einige nicht immer ganz präzise Angaben vor. So erinnert sich Harry Maerthen, dass er, als er am 29.12.1955 als Zivilverschleppter aus Russland vom Lager Friedland mit einem Bus zusammen mit 35 anderen Personen nach Westernkotten kam, auch vom Heimkehrerverband und vom Verband der Kriegsgeschädigten (VdK) begrüßt wurde. Alle 36 Personen wurden im Kurhaus, das damals von Josef Marx geleitet wurde, empfangen und dann auf Privatwohnungen verteilt. Am 31.12. konnten die Spätheimkehrer und Zivilver-schleppten bereits im Kurhaus Silvester feiern. Wenige Wochen später konnte im Rahmen einer Kranzniederlegung am Ehrenmal bereits die vom Heimkehrerverband und VdK gestiftete Gedenktafel feierlich aufgestellt werden. Wann der örtliche Verband genau gegründet wurde, war bisher nicht feststellbar. Er soll aber zeitweise 70 bis 80 Mitglieder gehabt haben. Treffpunkt war die ehemalige Gaststätte Besting an der Aspenstraße, wo bei den monatlichen Versammlungen „manchmal nicht alle Leute in den Raum passten.“ [Angaben nach Aussagen von Willi Jütte vom 3.11.1992] Sonntags wurden auch schon mal Ausflüge in die nähere Umgebung gemacht, auch an ein Bundestreffen in Köln kann man sich erinnern. Vorsitzender in den 1950er Jahren war Herr Josef Reinert, später Leckhausstraße 6a. Herr Josef Besting war wohl eine Zeitlang 2. Vorsitzender.

Der Verein hat sich bereits Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre aufgelöst, einzelne Mitglieder haben sich dem Erwitter Verband unter Leitung von Josef Postert bzw. Dr. Hubert Böckeler oder dem Lippstädter Verband unter der damaligen Leitung von Herrn Türk angeschlossen.

3. Die Gedenktafel des Heimkehrerverbandes

Die Gedenktafel, die jetzt in der Marienkapelle im Turm der Bad Westernkötter Pfarrkirche ihren Platz gefunden hat, ist aus Ton gefertigt und hat eine Länge von 46 cm und eine Breite von 28 cm. Die Tafel zeigt im Halbrelief einen gefangenen Soldaten, der überdimensional mit flehend geöffneten Händen über einem turmbewährten, mit Stacheldraht umzäunten Gefangenenlager dargestellt ist. Die Tafel trägt die Worte: „Gedenket der Gefangenen.“ Die Tafel ist keine Sonderanfertigung für Bad Westernkotten, sondern eine solche, die damals von vielen Orten wahrscheinlich über den Bundesverband bezogen werden konnte. Sie wurde in Bad Westernkotten von den Heimkehrern und vom VdK angeschafft und im Januar 1956 im Rahmen einer Gedenkfeier am Kirchplatz am schmiedeeisernen Zaun des Anwesens Günnewig angebracht. Dort hing sie bis in die 1960er Jahre. Herr Willi Jütte, Hockelheimer Weg, hat sie zu sich nach Haus in Verwahrung genommen und stellte sie im November 1992 den Heimatfreunden Bad Westernkotten zur Verfügung [vgl. Patriot v. 24.11.1992].

Nach Fertigstellung der Schäferkämper Wassermühle fand die Tafel dann ihren vorübergehenden Platz im dortigen Archivraum der Heimatfreunde. Als dann im November 1996 die Gedenktafel für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus am Haus Alter Markt 3 angebracht worden war, sprach mich Herr Harry Maerthen an, ob nicht auch für die Heimkehrergedenktafel ein entsprechend geeigneter Platz gefunden werden könne. Nach Rücksprache mit Pfarrer Heinz Müller und einem entsprechenden Kirchenvorstandsbeschluss vom Januar 1997 waren dann die rechtlichen Voraussetzungen für die Anbringung der Tafel in der Kirchturmkapelle geklärt. Nach erfolgter Reinigung und Konservierung durch die Firma Sprick aus Erwitte hat sie nun ihren angemessenen und bleibenden Platz gefunden. Möge sie uns wie das nahe gelegene Ehrenmal für die Gefallenen und Vermissten der Kriege Mahnmal und Erinnerung zugleich sein.