1998: Die Saline Westernkotten im Jahre 1893

von Wolfgang Marcus (Bad Westernkotten)

In: Heimatblätter 1998, S. 9-13

Vorbemerkung

Vor einiger Zeit erhielten die Heimatfreunde Bad Westernkotten von Herrn Paul Kanne aus Lippstadt, geb. 1921, ein altes Dokument aus dem Jahre 1893, das von seinem Großvater Wilhelm Kolodzieczik stammt. Dieser war Zollaufseher in Westernkotten und hat sich später „Stellmacher“ genannt. Auf seinem Grabstein auf dem Lippstädter Friedhof [unmittelbar nördlich der Friedhofshalle] findet sich folgende Inschrift: „Hier ruhen in Gott Zollaufseher Wilhelm Stellmacher, *4. Jan.1847, +15. Mai 1923; Wilhelmine Stellmacher geb. Endlich, *10.Mai 1849, +5. Feb.1930. Ruhet sanft!“

Herr Kanne wusste zu berichten [bei einem Gespräch am 19.7.1997], dass sein Großvater gebürtig aus Schlesien, und zwar aus Stubendorf, Kreis Groß-Strelitz, stammte. Nach einer Schreinerlehre ist er 14 Jahre bei der Reichswehr gewesen und bis zum Vizefeldwebel der 11.Kompnie des 6. Westfälischen Infanterie-Regiments Nr. 55 aufgestiegen. Anschließend – etwa 1881 – fand er einen Arbeitsplatz beim Zoll. Nach Stellen im Elsass und im Sauerland (u.a. Kontrolle von Schnapsbrennereien usw.) habe er die Salzaufsicht in Westernkotten erhalten. Aus dem Elsass habe sein Großvater auch den Brauch, einen Weihnachtsbaum, eine Rotfichte, aufzustellen, mitgebracht. Dies soll der erste Weihnachtsbaum in der hiesigen Gegend gewesen sein.

Wilhelm Kolodzieczik/Stellmacher wohnte im von Papen’schen Renteigebäude Ecke Leckhausstraße/Nordstraße. Vor dem Haus habe sich eine große Freitreppe mit dem von Papen’schen Wappen darüber befunden. Von der Treppe aus habe er als penibler Beamter das Beladen der Wagen mit Salzsäcken kontrolliert. 6 Kinder hatte sein Großvater, und die hätten „gespurt“, wenn der Vater auf den Fingern gepfiffen hätte.

Herr Kanne erinnert sich, dass sein Großvater sehr tierlieb gewesen sei; so hatte er unter anderem Tauben und einen Hund „Wiedu“, mit dessen Namen er manchen Schabernack getrieben habe. Nach seiner Pensionierung hat er bis zu seinem Tod in der Westernkötter Straße 74 in Lippstadt gewohnt. –

Das oben genannte Dokument, wahrscheinlich für das Zollamt formuliert, schildert mit Datum vom 9.7.1893 gegliedert und präzise die Einrichtungen der Saline, die Anteile der sog. Interessenten sowie das Verfahren bei der Salzfabrikation und ergänzt somit chronologisch und inhaltlich die Schrift „Beschreibung der Saline Westernkotten“, etwa 1840 vom damaligen Rentmeister Ignaz Köhler erstellt, auf das im Bad Westernkötter Heimatbuch [HB] von 1987 vor allem zurückgegriffen wurde [vgl. besonders S. 63ff]. Der nachfolgende Text ist eine wortwörtliche Wiedergabe; einige Anmerkungen sind in eckigen Klammern ergänzt.

„Die Einrichtungen auf der Saline Westernkotten und das Verfahren bei der Rohsalzfabrikation daselbst.“

Die Saline zu Westernkotten hat eine gemeinschaftliche Verwaltung. Dieselbe wird ausgeübt durch den Salinenverwalter Reinhard Jesse hier.

Die Interessenten sind:

  1. Der Graf von Landsberg mit        7  5/6 Antheil.
  2. Der Freiherr von Papen    „          3          „
  3. Die Erben Bredenoll        „          1  2/6   „
  4. „      „      Jesse              „          1          „
  5. Erbsälzer Löper               „              5/6   „     [hier zeigt sich, dass sich seit der Aufstellung von Köhler etwa 1840 – HB S. 67 – wenig an den Anteilen geändert hat: Lediglich ein voller Anteil des Staates – der fiskalische Anteil – ist ca. 1868 nach Wegfall des Salzmonopols entfallen.]

Die Vorrichtungen zur Salzfabrikation bestehen in 7 Siedehäusern von No.1 bis 3 und No.5 bis 8 und 6 Gradierwerken. Davon gehören:

  1. Dem Grafen von Landsberg 3 Siedehäuser, No.1,3 und 7 und 2 Gradierwerke und 3 Siedepfannen von resp. 17500 kg, 19500 kg und 23500 kg Salzgewinn von einem Werke.
  2. Dem Freiherrn von Papen 1 Siedehaus No.5 und 1 Gradierwerk und 2 Siedepfannen von resp. 19000 kg und 6000 kg (letztere wird nicht mehr benutzt) Salzgewinn von einem Werke.
  3. Die Erben Bredenoll 1 Siedehaus No.8 und 1 Gradierwerk und 1 Siedepfanne von 11500 kg Salzgewinn von einem Werke.
  4. Die Erben Jesse 1 Siedehaus No.2 und 1 Gradierwerk und 1 Siedepfanne von 9000 kg Salzgewinn von einem Werke.
  5. Der Erbsälzer Löper 1. Siedehaus Nr. 6 und 1 Gradierwerk [lag an der Nordstraße gegenüber der Einfahrt Antoniusstr.] und 1 Siedepfanne von 8500 kg Salzgewinn aus einem Werke.

Gemeinschaftlich ist die Salzquelle am Brede [gemeint ist die heutige Quelle Westernkötter Warte im Kurpark] und der Sammelbehälter oder Vertheilungskasten für die Kochsoole (mitten im Ort belegen) [befand sich auf dem Königssood] und das Viehsalzmagazin (früher fiskalische Hütte).

Der G. von Landsberg bezieht die Kochsoole nicht erst aus dem Vertheilungskasten, sondern direkt aus der Salzquelle.

In den Siedehäusern befinden sich auch die Salzmagazine. – Trockenböden für das Salz sind noch vorhanden, werden aber nicht benutzt. Das Salz wird nach dem Auszuge aus den Siedepfannen in Körben in die Magazine getragen ( à Korb 25 kg), in denen Öfen erwärmt werden, die zum Austrocknen des frischen Salzes dienen.

Dies geschieht in etwa 8 bis 10 Tagen. Bei einem jeden Siedehause befindet sich ein besonderer Raum für die Salzabfälle zur Düngererde.

Gradierungsbetrieb

Aus dem gemeinsamen Rohsoolen-Sammelbehälter erhält jeder der Betheiligten nach Verhältniß seiner Berechtigung die erforderliche Rohsoole von circa 8 %, welche vermittels der Gradierungen verbessert und zur Siedesoole von circa 19 bis 24 % brauchbar gemacht wird.

Jeder Interessent hat sein eignes Werk, wozu das Siedhaus und Gradier-Leck-Häuser gehören. Auf diese wird die Rohsoole durch Saug- und Druckpumpen befördert. Die Werke des von Landsberg werden durch eine Dampfmaschine, die übrigen durch Pferde betrieben.

Der obere Sammelbehälter auf der Gradierung heißt Rinnkasten, welcher zum Ablassen der Soole an beiden Seiten Krähnen [Wasserkräne] hat; unter diesen befinden sich die sogenannten Tröpfeltröge, aus welchen die Soole egal und gleichmäßig auf die Dornenwände abfließen muß.

An den Seiten, wo der Wind herkommt, werden die Krähne gelöst, damit die Soole in die Dornenwand getrieben wird.

Die Gradierungen sind in Gefälle oder Fälle eingetheilt, und zwar:

1ter Fall für die Rohsoole,

2 „     „   „    „   Soole aus dem 1ten Fall,

3 „     „   „    „       „     „      „   2ten Fall u.s.w.,

bis die Soole die zum Sieden erforderliche Löthigkeit erreicht hat. Bei dem von Papen’schen Werke hat jede Gradierung Soole für 3 Fälle, ihre eigene Abtheilung für den 1ten, zweiten und dritten Fall der Soole.

Im Sommer wird mehr und bessere Soole gewonnen als im Winter, weshalb für die Sommersoole Reservoire zur Aufbewahrung vorhanden sind. Die geringere Soole – mit Soole von stärkerer Löthigkeit vermischt – wird dadurch sehr verbessert.

Die Reservoire, sonstige Soolenbehälter und die Röhrenleitungen, behufs Überführung der Soole, müssen dicht gehalten und vor den Lecken [Löchern, Lecks] verwahrt werden, weil sonst ein großer Nachtheil entstehen könnte.

Siedungsbetrieb

Die zu einer bestimmten Löthigkeit gradierte Soole, hier durchschnittlich 19-24%, wird auf die gereinigte Siedepfanne abgelassen und gleichzeitig das Feuer unter derselben angemacht. Zum Anmachen der Feuerung wird Buchenholz [verwendet] , nachdem aber zur Unterhaltung der Feuerung werden Steinkohlen benutzt [Fehler im Satzbau]. Durch das Kochen verdampft ein Theil der Soole; ist daher das erste Wasser, Soole, gahr, d.h.wenn sich feine Salztheile auf der Oberfläche bilden, so wird das zweite Wasser – Soole – zugelassen, bis die Pfanne streichvoll ist, und mit dem Sieden und Zulassen von Soole so lange fortgefahren, bis nichts mehr verkocht und daher nichts mehr zugelassen werden kann. Vom Beginn des zuerst angelegten Feuers, bis zu der Zeit, bis das zuletzt zugelassene Wasser gahr ist, gebraucht man circa 18 bis 30 Stunden.

Während des Siedens wird der Dreck – Schlamm -, welcher sich auf bestimmten Stellen auf dem Boden der Pfanne ablagert, ausgekrückt. Dieser Dreck – Krückschlamm – wird zum Düngesalz benutzt. Es werden auf 10 000 kg Salz etwa 75 kg dieses Schlammes gerechnet.

Nach beendigter Siedung wird die gahr gekochte Soole zur Ruhe gebracht, d.h. die Feuerung wird gedämpft, oder das Feuer herausgenommen. Ist hiernach die Pfanne ruhig, dann bildet sich auf der Oberfläche eine Salzhaut, die entweder mit einem geeigneten Instrumente – Krücke – abgestrichen, oder mit einer Ruthe niedergeschlagen wird. Hiernach tritt die Sogge- oder Auswärmzeit ein, wobei eine mäßige Feuerung mit taxierter Wärme unterhalten wird.

Beim Soggen bildet sich das Salz in Form von Krystallen, die erst auf der Oberfläche schwimmen und dann auf den Boden der Pfanne sinken, wenn sie eine gewisse Konstanz erlangt haben. Durch das beständige Herabfallen dieser Krystalle füllt sich der Boden der Pfanne mit Salz an. Diese Salzlage wird mit einer eigens dazu eingerichteten Harke fleißig losgeharkt, damit sich auf der Salzlage keine feste Kruste bildet, welche die Wärme von unten nicht durchlassen und wodurch die Krystallisation, wegen mangelnder Wärme, gestört würde. Die Soggezeit dauert 12 bis 14 Tage.

In den einen, oder wohl auch zwei oder drei letzten Tagen der Soggezeit werden die Salzauszüge vorgenommen. Der erste Auszug – Fang- hat das beste Salz und liefert stark 2/3 des Ganzen. Bei dem Ausziehen wird das Salz an die Borde [Rand] der Pfanne gekrückt, wobei durch fleißige Abspülung verhindert wird, daß der unreine Schlamm zurückbleibt.

Nachdem dieses Salz abgelaufen ist, wird es in Körbe gethan und in das Magazin zum Trocknen gebracht. Der untere noch nasse Theil wird auch in Körbe gefüllt, bleibt aber neben der Pfanne so lange stehen, bis er gehörig abgelaufen ist und kommt dann gleichfalls in das Magazin. Ist nun der erste sogenannte Fang beseitigt und die Pfanne wieder zur Ruhe gebracht, dann beginnt die Krystallisation wieder.

Nach einigen Tagen wird ein zweiter Fang vorgenommen, in selber Weise wie der erstere. Dann folgt nach ein bis zwei Tagen der dritte Fang. Nach dem letzten Fang wird, sobald, das Salz aus der Pfanne ist, die zurückgebliebene Mutterlauge oder die Bittersoole, in vor den Siedehäusern befindliche Behälter oder direkt in den Osterbach abgelassen.

Das nach dem Ablaufen der Mutterlauge auf dem Boden der Pfanne noch lagernde schmutzige Salz – auch Scharborde genannt – wird zum Vieh- und Fabriksalz verwendet. Diese Scharborde beträgt auf 10 000 kg Salz etwa 150 kg.

In der Siede- und Soggezeit wird der Boden der Pfanne mit einer harten Kruste – Pfannenstein – überzogen. Wenn die Pfanne von der Scharborde gereinigt ist, muß auch dieser Pfannenstein mittels eiserner Hämmer bei Erwärmung der Pfannen ausgeklopft werden. Der ausgeklopfte Pfannenstein wird weggeworfen.

Nachdem die Pfanne dann wieder sauber gereinigt ist, wird neue Siedesoole eingelassen, und eine neue Siedung beginnt.

Die Zeit vom Beginn der Einlassung der Siedesoole auf die Siedepfanne bis zur beendeten Siedung oder des beendeten Werkes beträgt etwa 14 Tage, es können demnach monatlich 2 Werke, d.h. Siedungen beendet werden. Die Zeit der Zulassung der Soole auf die Siedepfannen bis nach beendeter Siedung, d.h. bis die Sogge eintritt, beträgt 18 bis 30 Stunden, auch wohl noch mehr. Von Beginn der Soggezeit, nach beendeter Siedung, bis zum 1ten Auszug, Fang, 2 Tage, und ebenfalls vom 2ten bis zum 3ten Auszuge oder Fang wieder 1 bis 2 Tage.  Der erste Auszug ergibt stark 2/3 des Ganzen, der zweite Auszug den größeren Theil und der dritte Auszug den geringeren Theil des Restes.

Westernkotten, den 9. Juli 1893                                     K(olodziezczik)

Nachfolgend eine PDF-Datei der Seiten aus den Heimatblättern: