2002: Vom Kölner Krummstab zum Hessischen Löwen – Das Herzogtum Westfalen mit Westernkotten wird 1802 hessisch

Von Wolfgang Marcus, Bad Westernkotten [aus: HB 2002, S. 25-29]

Vor 200 Jahren gelangte das Herzogtum Westfalen (zu dem auch Westernkotten gehörte), das seit 1180 dem Fürstbischof von Köln unterstand, an den Landgrafen von Hessen-Darmstadt. Damit begann auch die sogenannte Säkularisation (von lat. Saeculum = Welt, Verweltlichung) in Deutschland, d.h. die Überführung kirchlichen und klösterlichen Besitzes in weltliches Eigentum.

Im Folgenden soll zunächst eine knappe Darstellung der „großen“ Politik erfolgen, bevor auf die Auswirkungen auf Westernkotten eingegangen wird. Anzumerken ist schon jetzt, dass die Hessenzeit im Bereich der Stadt Erwitte noch einer detaillierteren Aufarbeitung bedarf.

  1. Der Weg bis zur Aufhebung der geistlichen Landeshoheit im Herzogtum Westfalen 1802
  2. Die Aufklärung in ihren Auswirkungen auf die Säkularisation

Nach Immanuel Kant (1724-1804), dem großen Königsberger Philosophen, ist Aufklärung der Mut, seinen eigenen Verstand zu gebrauchen und dadurch die Herausführung des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit zu bewirken. Während des 18. Jahrhunderts wird die Vernunft als die eigentliche, das Wesen bestimmende Eigenschaft des Menschen und Grundlage menschlicher Erkenntnis erkannt. Von Schiller stammt der Ausspruch „Was die Vernunft erkennt, ist Wahrheit“.

„Alles Bestehende – so die Lehren der Aufklärung – sollte mit ‚Vernunft‘ geprägt werden, um dadurch ein ‚aufgeklärtes‘ Urteil zu gewinnen. Menschenrechte, Gleichheit aller vor dem Gesetz, Beseitigung der Folter und Leibeigenschaft, Freiheit im politischen Denken und Handeln sowie in der wirtschaftlichen Betätigung und nicht zuletzt religiöse Toleranz – so lauteten ‚die Postulate‘ der die Aufklärung bestimmenden Gebote der Vernunft.“[1]

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erkennt man auch in den deutschen Kleinstaaten mehr und mehr, dass die Schulen wichtiger Wegbereiter für aufklärerisches Gedankengut sind. „Die von den Schulen vermittelte Bildung wird als ein Mittel – ein für die Aufklärung charakteristischer Gedanke – gewertet, die menschliche Gesellschaft im Geiste der Aufklärung zu beeinflussen, auszurichten und zu vervollkommnen. Dabei greift man zur Verwirklichung dieser Zielsetzungen nachdrücklicher als bisher auf die damals schon verschiedentlich publizistisch vertretene Auffassung zurück, klösterlichen und kirchlichen Grundbesitz zur Reform des Schulwesens sowie anderer dem öffentlichen Wohl dienenden Einrichtungen zu verwenden. Die Kritik, dass in diesem Bereich beträchtliche Vermögenswerte gebunden sind, ohne für die Allgemeinheit Nutzen zu erbringen, stieß in der Öffentlichkeit in zunehmendem Maße auf Verständnis und Zustimmung.“[2] Hier ist als frühes Beispiel die Gründung der Universität in Münster durch den aufgeklärten Generalvikar Franz Freiherr von Fürstenberg im Jahre 1771 zu nennen, bei der das Überwasserkloster aufgehoben und verkauft wurde und das Geld in den Gründungsfond der Uni floss. Wir müssen also den aufgeklärten Rationalismus als geistigen Nährboden für die Vorgänge im Jahre 1802 zur Kenntnis nehmen.

  • Napoleon und die Neuordnung Deutschlands

„Am Anfang war Napoleon“, so eröffnet der bekannte Historiker Thomas Nipperdey sein Buch „Deutsche Geschichte 1800-1866 – Bürgerwelt und starker Staat“[3]. Politisch wurde nämlich das Ende des alten Westfalen durch die militärischen Erfolge Napoleons besiegelt. 1795 hatten französische Truppen in ihrem Bestreben nach „natürlichen Grenzen“ alle deutschen Länder bis zum Rhein besetzt. „Als Entschädigung boten sich die rechtsrheinischen geistlichen Territorien an, die nach längst bestehenden Plänen ‚säkularisiert‘, das heißt hier: in weltliches Eigentum übergehen sollten.“[4] Die linksrheinischen Staaten, insbesondere Preußen, handelten im Friedensvertrag von Lunéville 1801 diese Zusage aus. Die betroffenen rechtsrheinischen geistlichen Territorien waren in Westfalen das Herzogtum Westfalen, das Vest Recklinghausen sowie die Fürstbistümer Münster, Paderborn und Corvey mit ihren reichen Klöstern, Abteien und Stiften.[5]

Im April 1802 drängten sich die Vertreter mehrerer deutscher Fürstentümer in Paris um Napoleon, um „im anstehenden großen Länderschacher ein möglichst günstiges Stück für ihre Auftraggeber herauszuschlagen.“[6] Napoleon hatte schon hier im Blick, den sog. „Rheinbund“ unter französischer Führung zu gründen, um damit das „Heilige Römische Reich deutscher Nation“ zu zerschlagen; genau dies geschah nämlich 1806: als sich 16 deutsche Fürsten für souverän erklären und mit Napoleon den „Rheinbund“ gründen, löst der Kaiser in Wien das „Heilige Römische Reich“ auf.

Zu den Landesherren, die 1802 bei Napoleon um die Zuweisung eines geistlichen Territoriums als Ausgleich für linksrheinischen Besitz buhlten, gehörte auch die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. Dem Gesandten, Baron August Wilhelm von Pappenheim, gelang es schon im Mai bei Talleyrand und anderen maßgeblichen französischen Politikern eine Vereinbarung zu erreichen, die Hessen-Darmstadt u.a. das Herzogtum Westfalen zusicherte. Das Herzogtum Westfalen war damals ein Gebiet von 3300 qkm und hatte 115.000 Einwohner. Über dieses unwürdige Geschacher schreibt der Altmeister der westfälischen Geschichte, Wilhelm Kohl: „Alle eilten nach dem Frieden von Lunéville nach Paris, um ihre Wünsche in Sonderabmachungen mit den Franzosen durchzusetzen. Alle Mittel waren dazu recht. Im Pariser Vertrag vom 23. Mai 1802 erlangte Preußen den Löwenanteil. Für die nicht sehr umfangreichen klevischen und geldrischen Territorien links des Rheins, die an die Französische Republik gefallen waren, gewann die Monarchie die Fürstbistümer Hildesheim und Paderborn, den östlichen Teil des Fürstbistums Münster einschließlich der Hauptstadt sowie der Stifte Herford, Essen, Werden und Elten. Wenig später erwarb der Landgraf von Hessen-Darmstadt das kurkölnische Herzogtum Westfalen. Das Haus Oranien-Nassau sicherte sich das Fürstbistum Corvey und die Reichsstadt Dortmund. Hannover bekam das Hochstift Osnabrück, der Herzog von Arenberg das Vest Recklinghausen und das münsterische Amt Meppen. Der Herzog von Croy nahm das münsterische Amt Dülmen  in Besitz, der Herzog von Looz-Corswarem einen schmalen, aber um so längeren Landstreifen an der Ems, der aus Teilen der münsterischen Ämter Rheine und Wolbeck bestand, und bildete daraus das Fürstentum Rheina-Wolbeck. Die münsterischen Ämter Vechta und Cloppenburg fielen dem Herzog von Oldenburg zu, das Amt Horstmar den Wild- und Rheingrafen zu Grumbach, die Ämter Bocholt und Ahaus den als gemeinsamen Besitzern auftretenden Fürsten zu Salm-Salm und Salm-Kyrburg. Die geistlichen Staaten und die einzige Reichsstadt Westfalens waren damit von der Landkarte verschwunden.“[7]

Nur kurz soll hier noch auf die weitere Entwicklung in Westfalen eingegangen werden, denn anders als im Herzogtum Westfalen mit einer immerhin 14-jährigen Hessenherrschaft (bis zum Wiener Kongress 1815) blieben die vorbenannten Länder weithin nicht lange souverän:

Mit der Besetzung hannoverscher Gebiete, darunter Osnabrück, wollte Napoleon bereits ab 1803 das in Personalunion mit Hannover verbundene England treffen.[8] Über die sich bildende Koalition Englands mit Russland und Österreich siegten die napoleonischen Truppen im Dezember 1805 bei Austerlitz. Damit konnte der französische Kaiser seinen Einfluss über den Rhein hinaus vergrößern:

  • Die Gründung des Rheinbundes war deutlichstes Zeichen dieser Zielsetzung, die 1806 die schon erwähnte Auflösung des „Heiligen Römischen Reiches“ nach sich zog.
  • Durch das Einsetzen von Mitgliedern seiner Familie als Souveräne in deutschen Territorien, etwa im Großherzogtum Berg, schaffte sich Napoleon Satellitenstaaten. Der Sieg über Preußen bei Jena und Auerstedt 1806 und dem Frieden von Tilsit (9.7.1807) verbannte Preußen auf seine rechtselbischen Besitztümer. Napoleon vergrößerte das Großherzogtum Berg unter seinem Schwager Joachim Murat und setzte seinen Bruder Jerome an die Spitze eines zweiten Satellitenstaates, dem Königreich Westfalen, das von Westfalen allerdings nur Paderborn, Osnabrück, Minden und Ravensberg sowie Corvey und die Grafschaft Rietberg umfasste. Neben diesen beiden Staaten und Hessen-Darmstadt blieben in Westfalen nur wenige Kleinstaaten erhalten.
  • Der Einmarsch der Hessen

Die Beschlüsse von Paris im Mai 1802 sollten von einem für 1803 angekündigten Ausschuss des Reichstages, dem Reichsdeputationshauptschluss, rechtskäftig gemacht werden. Eine freie Entscheidung war unter diesen außenpolitischen Zwängen nicht möglich.

Noch lange vor der Unterzeichnung des Reichsdeputationshauptschlusses am 25.2.1803 schaffte der Landgraf von Hessen-Darmstadt, Ludwig X, mit Duldung Napoleons Fakten: Er nahm das Herzogtum Westfalen in Besitz. „Längst hatten die Hessen entsprechende Truppen zusammengezogen und sich bei den Fürstentümern Dillenburg und Siegen das Recht zum Durchmarsch eingeholt. Am 6. September 1802 wurde die Grenze des Herzogtums bei Krombach von ersten hessischen Truppenkontingenten überschritten, anschließend der Übertritt von hessischen Einheiten über die Grenze zwischen Bromskirchen und Hallenberg.“[9] Schnell wurden die Hauptstadt Arnsberg und die wichtigsten Städte, darunter Rüthen, von hessischen Truppeneinheiten „friedlich“ besetzt und Offiziere zu jeweiligen Ortskommandanten ernannt, dem Militär folgten Anfang Oktober hessische Zivilkommissare.[10] Und am 6.10. 1802 erließ Ludwig sein Besitzergreifungspatent, mit dem er „auf ewige Zeiten das Herzogtum Westfalen in provisorischen Civilbesitz übernahm.“

II.             Hessen-Darmstadt als neuer Landesherr von Westernkotten

  1. Einmarsch und Inbesitznahme

Die Übernahme des Amtes Erwitte durch eine hessische Kommission erfolgte am 20.10.1802. Auf dem Marktplatz in Erwitte begrüßt der Amtsrichter Kreilmann untertänigst den neuen hessischen Kommissar in Anwesenheit einer hessischen Miltäreinheit, 180 Schützen aus Erwitte und der militärisch in Reih und Glied aufgestellten männlichen Schuljugend.[11]

Noch am selben Tag wurde auch Westernkotten in Besitz genommen. Begrüßt wurden die neuen Machthaber durch den vom Paderborner Bischof ernannten Salzrichter Wilhelm Jesse sowie die „Schöffen“ Albert Memering, Franz Joseph Humboldt und Caspar Wolrad Bredenoll. Jesse gelobt seine Untertanenpflicht, macht aber deutlich, dass das Grundeigentum Paderborns an den Salzquellen davon unberührt bleiben müsse. Wenig später hoben die Hessen aber dieses Grundeigentum auf (siehe unten).

Der Übernahmeakt fand auf dem Platz bei den drei Solebrunnen an einem aufgestellten Tisch statt, also auf dem heutigen Königssood. Zum Abschluss wurde bei hessischer Militärmusik an einem der Brunnenhäuser das neue Landeswappen, der hessische Löwe, angebracht, an ein anderes Brunnenhaus das Besetzungspatent. Hier wird deutlich, dass es den Hessen zunächst mal um die wirtschaftliche Größe „Salzwerk“ ging. Wenig später, am 23. 10., bestätigte Caspar Hartmann, der Gemeindevorsteher von Westernkotten, auch die Anbringung dieses Patents an der Westernkötter Kapelle.[12]

  • Verlust kurkölnischer Freiheiten und Verbesserungen unter den Hessen-Darmstädtern

Die Hessen-Darmstädter begannen sofort nach dem Einmarsch mit einer umfassenden Gesetzes- und Verwaltungstätigkeit. „In 15 Jahren ihrer Herrschaft erließen sie 638 Verordnungen,“[13] darunter u.a. auch so amüsante Verordnungen wie die über das Rechtsfahrgebot vom 18.9.1807. Nachfolgend werden einige wichtige Änderungen vorgestellt und – soweit möglich – auf Westernkotten bezogen.

Einführung der Wehrpflicht

Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht am 1.2.1804 stieß nicht auf große Zustimmung, war sie doch unter dem Krummstab der Kölner Fürstbischöfe nicht üblich. Alle Männer zwischen 17 und 25 Jahren wurden gemustert. Wer einrolliert, das heißt für tauglich erklärt worden war, durfte das Land ohne Erlaubnis nicht verlassen. Die Wehrdienstzeit betrug sage und schreibe 10 Jahre. Viele versuchten das Land zu verlassen oder zu desertieren, obwohl darauf schwere Strafen standen. Im Bad Westernkötter Heimatbuch von 1987[14] hat Ulrich Dalhoff ausgeführt, dass auch der Westernkötter Joseph Gutermann, ein Vorfahre der heutigen Familie Gudermann in der Schützenstraße, in hessischen Militärdiensten stand.[15] Unter den vielen Verlusten, die Hessen-Darmstadt an der Seite Napoleons, etwa bei großen Russlandfeldzug zu verbuchen hatte, waren aus Westernkotten auch die aus Westernkotten stammenden Soldaten Ferdinand Schulte und Friederich Hulsenbeck.[16]

„Trotzdem hinterließ Hessen-Darmstadt ein geordnetes Militärwesen, bei dem der westfälischer Oberpräsident Ludwig von Vincke lobend die pünktlichen, gehorsamen und genügsamen westfälischen Soldaten erwähnte.“[17]

Neue Behördenorganisation und Landverfassung

Bisher hatte der Kölner Bischof als Landesherr nicht sehr stark in die Entwicklung der einzelnen Städte, Freiheiten und Landgemeinden eingegriffen. Das sollte sich nun ändern: Hessen baute eine starke Zentralverwaltung auf. „Seit 1807 war das Herzogtum Westfalen in 18 übersichtliche Ämter aufgeteilt, 1808 bzw. 1811 wurde für die Landgemeinden, dann für die Städte und Freiheiten, die Schultheißverordnung eingeführt.“[18] Der Schultheiß war nach Schulte Beerbühl Ortspolizeibehörde, Vollstreckungsorgan, amtlicher Taxator und für fast alle staatlichen Aufgaben zuständig. Schöne urteilt jedoch: „Die Verwaltung auf Gemeindeebene besorgten Schultheißen, die nur wenige rechtliche Aufgaben hatten. Diese neu errichteten Gemeinden besaßen keine eigene Gerichtsbarkeit mehr und unterstanden der Jurisdiktion der Amtmänner.“[19] Erster Amtmann im Amt Erwitte in der hessischen Zeit war Friedrich Kreilmann, ihm folgte am 29.12.1815 Joseph Pape.[20]

Neuordnung der Besteuerung

Bisher waren Adel und Klerus im wesentlichen steuerfrei gewesen. Dies wurde mit Erlass von 1806 geändert. Damit war eine wichtige Forderung der Französischen Revolution von der Gleichheit des Menschen in Bezug auf Steuergerechtigkeit umgesetzt worden. „Das Ziel der neuen Herren, eine größtmögliche Steuergerechtigkeit für alle Untertanen herbeizuführen, kostete den Adel langgehütete Privilegien und bescherte dem Land die Anlage eines genauen Steuerkatasters. Gleichzeitig begann eine trigonometrische Landesvermessung, auf der später die preußische Nachfolgebehörde weiterbauen konnte. Parallel zur Aufstellung von Steuergrundbüchern wurde die Erschließung neuer Einnahmequellen betrieben. Mit der immer wiederkehrenden Begründung, es seien wachsende Staatsausgaben und Kriegslasten zu decken, entstanden neben der bisher einzigen Steuerart, der Grundsteuer, noch je eine Vermögens-, Verbrauchs-, Gewerbe-, Bürger- und Viehsteuer.“[21]

Aufhebung der Landstände

„Bisher hatten die in Arnsberg tagenden ‚Landstände‘, die Vertreter von Ritterschaft und Städten, gegenüber dem Kurfürsten die Interessen des Herzogtums z.B. in Fragen der Steuerbewilligung oder dem Einsatz von Militär mit beachtlicher Selbständigkeit vertreten. Diese alte, für den Selbstbehauptungswillen der Region charakteristische Einrichtung überlebte das Ende der ‚Krummstabzeit‘ nicht lange. Allerdings musste erst ein hochpolitisches Ereignis eintreten, ehe den widerstrebenden Landständen ein Ende gemacht werden konnte: Im Jahre 1806 wird unter der Regie Napoleons der ‚Rheinbund‘ gegründet: 16 deutsche Fürsten erklären sich als souverän, schließen sich Napoleon an und sagen sich vom Reich los, worauf der Kaiser in Wien das ‚Heilige Römische Reich deutscher Nation‘ auflöst. Diese neu gewonnene Souveränität nutzt der Landgraf von Hessen-Darmstadt, inzwischen von Napoleons Gnaden Großherzog geworden, um das missliebige Selbstverwaltungsorgan in Arnsberg abzuschaffen. Selbstbewusst sonnt er sich in seinem neuen Status als Verkörperung der gesetzgebenden und ausführenden Gewalt und proklamiert im Edikt vom 1. Oktober 1806, dass er ‚aus unumschränkter Machtvollkommenheit die Landstände sämtlicher Provinzen des Großherzogthums‘ auflöse. Die bisherigen Funktionen der Landstände in Arnsberg übernehmen nun die abhängigen hessischen Beamten.“[22]

Aus Westernkotten gehörte bis dahin das adlige Haus von Ense (danach von Schade und später von Papen) den Landständen an.

Aufhebung der Grundherrschaft und Neuordnung der ländlichen Besitzverhältnisse

Am 9.7.1808 ordneten die Hessen die Teilung der Gemeinheiten (Woldemeinen, Gemeine Mark) und die Aufhebung der Hudeberechtigungen an, sobald ein Eigentümer oder Miteigentümer dies beantragte. So wird in Westernkotten aber erst am 12.10.1854 die Aufteilung des Westernkötter Bruches beantragt, abgeschlossen ist dieser Vorgang am 28.1.1873. Nur das eigentliche Muckenbruch bleibt im Eigentum der politischen Gemeinde.

Das Verbot der Teilung eines Hofes oder Kottens und somit das herrschende Anerbenrecht wird aufgehoben. Noch einschneidender war am 5.11.1809 die Aufhebung der Leibeigenschaft – die in unserem Raum keine große Rolle mehr spielte – und die Überführung von Zeit- und Erbpachtsflächen in das Eigentum der Pächter. Dafür mussten die Gutsherren allerdings entschädigt werden. Viele Hofbesitzer sind damit zwar zu Eigentümern geworden, die neue Freiheit, vor allem aber auch die hohen Entschädigungen an den vorherigen Grundeigentümer, haben aber so manchen Hof in den finanziellen Ruin getrieben. Abgeschlossen wurde die Ablösung der Grundherrschaft erst 1850 durch Preußen.[23] Mit der Aufhebung der Grundherrschaft endete zum Beispiel auch die seit 1379 ausgeübte Grundherrschaft des Klosters Benninghausen über den Weringhoff.

Veränderungen der Eigentums- und Besitzverhältnisse an der Saline Westernkotten

Die Aufhebung der Grundherrschaft veränderte auch die Saline: das Stift Meschede sowie besonders der Bischof von Paderborn, dem bis dahin Grund und Boden und damit als Obereigentümer weithin die Sole gehörte, wurden ausgezahlt. Die Erbsälzer, die bereits im 17. Jahrhundert das Siederecht für sich erblich gemacht hatten, wurden durch das Gesetz vom 5.11.1809 unumschränkte Eigentümer ihrer Salinenanteile.

III.         Das Ende der Hessen-Zeit: Preußen wird neuer Landesherr

„Der für Napoleon und seine deutschen Verbündeten katastrophale Ausgang des Rußlandfeldzuges brachte auch das Ende der Zugehörigkeit des Herzogtums Westfalen zum Großherzogtum Hessen. Im Gegensatz zu anderen Rheinbundfürsten wie dem König von Bayern, der am 8. Oktober 1813 noch rechtzeitig auf die Seite der Gegner Napoleons übergewechselt war, versäumte der Großherzog von Hessen es, noch vor der Schlacht von Leipzig im Oktober 1813 diesen Wechsel zu vollziehen. Er holte das erst mit dem Frankfurter Akzessionsvertrag vom 23. November 1813 nach – zu spät, um ohne Gebietsabtretungen davonzukommen. So wurde auf dem Wiener Kongress von 1815 das Herzogtum Westfalen dem König von Preußen zugesprochen. Endgültig ging es aufgrund eines am 30.Juni 1816 zwischen Preußen, Österreich und dem Großherzogtum Hessen geschlossenen Staatsvertrages durch die in Frankfurt am Main am 7. Juli 1816 vorgenommene formelle Übergabe an Preußen über. Die Übergabe erfolgte am 15. Juli 1816.“[24] Westernkotten wurde damit Teil einer Großmacht. Die Provinz Westfalen mit drei Regierungsbezirken wurde gebildet und Westernkotten dem Regierungsbezirk Arnsberg und dem Kreis Lippstadt eingegliedert.


[1] Pardun, Heinz (2001), Das Zeitalter der Aufklärung und die Säkularisation der Klöster im Herzogtum Westfalen; in: Jahrbuch Hochsauerlandkreis 2002, Brilon, S. 103 ff, hier S. 103

[2] ebd. S. 103/104

[3] München 1983, S. 11

[4] Richter, Erika (2001), Vom westfälischen Ross zum hessischen Löwen. Ein Regierungswechsel vor 200 Jahren; in: Jahrbuch Hochsauerlandkreis 2002, Brilon , S. 110 ff, hier S. 110

[5] Nach einem Prospekt des LWL „Vom Krummstab zum Adler“ vom Januar 2002

[6] Richter, aaO. S. 110

[7] Kohl, Wilhelm (1994), Kleine Westfälische Geschichte, Düsseldorf, S. 164

[8] vgl. zum Folgenden: Lahrkamp, Monika, 1801 – 1816; in: Katalog Köln – Westfalen 1180 – 1980, Münster 1980, S. 92ff, hier S. 96

[9] Richter, aaO. S. 110

[10] vgl. zum Folgenden: Sommer, Friedhelm, Die hessische Zeit 1802 – 1816; in: Bockhorst, Wolfgang /Maron, Wolfgang (2000), Geschichte der Stadt Rüthen, Paderborn, S. 643ff.

[11] vgl. dazu: Dalhoff, Ulrich, Westernkotten als Teil des Herzogtums Westfalen unter der Herrschaft von Hessen-Darmstadt (1802-1816), in: Marcus, Wolfgang (1987), Bad Westernkotten. Altes Sälzerdorf am Hellweg, Lippstadt, S. 154

[12] ebd. S. 155

[13] Schulte Beerbühl, Hubert (1985), Eikeloh, ein Dorf am Hellweg 836-1986, Münster, S. 115

[14] Marcus, Wolfgang u.a.(Hg.) (1987), Bad Westernkotten. Altes Sälzerdorf am Hellweg, Lippstadt

[15] ebd. S. 158/159

[16] vgl. dazu auch die entsprechenden Ausführungen für Medebach (in: Klüting, Harm (1994), Geschichte von Stadt und Amt Medebach, Medebach, S. 303f)

[17] Schöne, Manfred (1989), Die Hessenzeit (1802-1816); in: 750 Jahre Arnsberg, Arnsberg, S. 109f, hier S. 113)

[18] Schöne, aaO.,  S. 110

[19] ebd. S. 111

[20] Schulte Beerbühl, aaO. S. 116

[21] Schöne, aaO. S. 111

[22] Richter, Erika, aaO. S. 112; vgl. zu den Landständen auch Schulte Beerbühl, aaO. S. 10

[23] vgl. Schulte Beerbühl, aaO. S. 123

[24] Klüting, Harm, Geschichte von Stadt und Amt Medebach, aaO, S. 303/304

Abbildungsunterschriften

  1. Karte des Kurkölnischen Sauerlandes [aus: Jahrbuch Hochsauerlandkreis]
  2. Karikatur auf die geistlichen Fürstentümer, Radierung um 1800 [Abb.2-4 aus: Katalog 1180- 1980]
  3. Landgraf Ludwig X. von Hessen-Darmstadt, Kupferstich
  4. Karikatur auf Napoleon und seine Satelliten, Radierung 1813
  5. Behördenorganisation im Großherzogtum Hessen [Aus: 750 Jahre Arnsberg]
  6. Ausschnitt aus dem Entlassungsbrief des Joseph Gutermann aus Westernkotten aus dem hessischen Militärdienst [aus: Bad Westernkotten. Altes Sälzerdorf am Hellweg]