Wolfgang Marcus
Vorbemerkungen
Mir fallen spontan folgende Erinnerungen ein: Kleines Kino oben im Gasthof Kemper, wo ich einige Male Karl-May-Filme gesehen habe; Stummfilme, die ich von Westernkotten kenne; Caritas-Filmsonntag; Kinobesuche in Lippstadt und DVDs, die wir selber haben und wofür man nicht ein Kino besuchen darf/muss…
Hier erst einmal historische Fotos des Gasthofs Kemper:

Zu lesen ist „Drei Tage voll Schabau“ und ein Werbeschild mit der Inschrift „Weißenburger Bier“. Vor dem Eingang eine lustige Truppe.

Hier noch eine Aufnahme aus der Zeit, als es noch kein Kino im Saal der Gastwirtschaft Kemper gab.

Heute am Gasthof Kemper zu lesen. Der Gasthof besteht also mindestens seit 1889.
I. Kinogeschichte in Deutschland allgemein
Die Kinogeschichte in Deutschland ist eng mit technischen Innovationen, gesellschaftlichem Wandel und regionalen Besonderheiten verknüpft. Hier ein kurzer Überblick.
Pionierzeit (1895–1918): 1895: Die Brüder Skladanowsky zeigen im Berliner Wintergarten die erste öffentliche Filmvorführung in Deutschland – kurz nach den Brüdern Lumière in Frankreich. In vielen Städten entstehen sogenannte „Kinematographen-Theater“ – einfache Wanderkinos oder feste Spielstätten. – In Lippstadt: Schon früh (ca. 1910er Jahre) gab es Wanderkinos und erste feste Spielstätten. Apollo-Theater (gegründet ca. 1920) – eines der ältesten festen Kinos in Lippstadt.
Weimarer Republik (1918–1933): Blütezeit des deutschen Films: Metropolis (1927), Nosferatu (1922). Ufa (Universum Film AG) wird zum führenden Filmstudio. In vielen Städten – auch in Mittelzentren wie Lippstadt – entstehen repräsentative Kinosäle.
NS-Zeit (1933–1945): Der Film wird zur Propagandamaschine (Goebbels: „Film ist die stärkste Waffe“). Gleichzeitig florieren Unterhaltungsfilme, um „Ablenkung“ zu bieten. Viele kleinere Kinos überleben durch das wöchentliche Pflichtprogramm der NS-Reichsfilmzensur.
Nachkriegszeit und Wirtschaftswunder (1945–1960er): Wiederaufbau vieler Kinos in Trümmerstädten. Kino als Massenmedium: Höhepunkt um 1956 mit über 800 Mio. Kinobesuchen pro Jahr. In fast jeder Kleinstadt gibt es ein Kino – auch in Orten wie Lippstadt, Erwitte, Rüthen oder Soest. In Lippstadt: Film-Eck und das Union-Theater (UT) prägten das Kinobild der Nachkriegszeit.
Krise durch Fernsehen (1960er–1980er): Das Fernsehen verdrängt das Kino aus dem Alltag. Viele Säle schließen – insbesondere in kleineren Städten. In Lippstadt schließen mehrere Kinos – nur wenige überleben.
Multiplexe und Kino-Revival (ab 1990): Großstädte setzen auf Multiplexkinos. Gleichzeitig entstehen Filmkunstkinos und Programmkinos. Digitalisierung verändert die Branche: 3D, Dolby, digitales Filmmaterial. 1998: Eröffnung des Cineplex Lippstadt am Südertor – modernes Multiplex mit mehreren Sälen. Heute ist das Cineplex das zentrale Kino mit regionaler Ausstrahlung.
II. Kinogeschichte in Westernkotten
- ChatGPT fragen
Auf meine Frage: „Welche Kinos und offizielle Filmvorführungen gab es mal in Bad Westernkotten?“ antwortet die Künstliche Intelligenz [Zugriff: 13.5.2025]: „Im Moment kann ich keine aktuellen Informationen durchsuchen. Aber ich kann dir eine erste Einschätzung auf Basis historischer und lokaler Kenntnisse geben: In Bad Westernkotten, einem Ortsteil von Erwitte, gab es über die Jahrzehnte keine dauerhafte, große Kinoeinrichtung wie in größeren Städten. Dennoch gab es vermutlich folgende Formen von Filmvorführungen: 1. Mobiles Kino / Wanderkino – In kleineren Orten wie Bad Westernkotten waren früher sogenannte Wanderkinos oder mobile Filmvorführungen üblich – vor allem in den 1950er bis 1970er Jahren. Dabei wurden Filme in Gaststätten, Gemeindehäusern oder Turnhallen gezeigt. Mögliche Orte wären: Schützenhalle, Pfarrheim St. Johannes Baptist, Haus des Gastes oder Kurhaus; 2. Kurveranstaltungen mit Film – Bad Westernkotten ist ein Kurort – es ist daher wahrscheinlich, dass im Haus des Gastes oder im Kurhaus regelmäßig Kulturveranstaltungen inkl. Filmvorführungen für Kurgäste stattfanden. Diese könnten sowohl Informations- als auch Unterhaltungsfilme umfasst haben. 3. Schulische Filmvorführungen – In Schulen (z. B. Grundschule oder ehemalige Hauptschule) wurden früher häufiger Lehrfilme vorgeführt – mit dem „16mm-Filmprojektor“. Das war besonders in den 1960er bis 1980er Jahren verbreitet. 4. Kooperationen mit Nachbarorten – Da es in Bad Westernkotten kein dauerhaftes Kino gab, sind viele Menschen wohl nach Erwitte, Lippstadt oder Geseke ausgewichen. Dort gab und gibt es richtige Kinos, wie z. B. das Cineplex Lippstadt (früher „Capitol“). – Wenn du eine genauere Liste oder Details zu bestimmten Jahren brauchst, wäre es hilfreich: in alten Gemeindeblättern oder Kurzeitungen (Archiv der Stadt Erwitte) zu recherchieren, beim Stadtarchiv Erwitte oder bei der Tourist-Info Bad Westernkotten nachzufragen, Zeitzeugen zu befragen, z. B. aus Heimatvereinen…“
Die Antwort hat mich nicht besonders zufrieden gestellt und ist sogar teilweise falsch – so gab und gibt es kein „Pfarrheim St. Johannes Baptist“. – Und so machte ich mich weiter auf die Suche, etwa im „Patriot“. - Filmvorführungen im Umfeld von Lippstadt vor und nach dem 2. Weltkrieg – Aussagen im „Patriot“ und im Heimatbuch von 1987
1925
Dass schon 1925 Kino-Filme in unserer Region gezeigt wurden, zeigt eine Anzeige vom 25.04. im „Patriot“:

1946
Hier fand ich zunächst einmal eine Darstellung zu Mellrich im „Patriot“ vom 21.05.1946: „Mellrich. Die Laienspielgemeinschaft begann ihre Tätigkeit, wie wir bereits berichteten, mit der Aufführung des Legendenspiels „Genoveva“. Es ist sehr zu begrüßen, dass den Einheimischen und Fremden etwas geboten wird, das sie die Härte der Zeit für Stunden vergessen lässt. Von den Zukunftsplänen der Spielgemeinschaft sei verraten, dass Dorfabende geplant sind und, da ein Filmvorführgerät vorhanden, auch Kinodarbietungen. Es wäre zu wünschen, wenn das Beispiel der Mellricher Spielgemeinschaft im ganzen Kreise Lippstadt Nachahmung findet.“ – Und unter dem 30.08. ist zu lesen: „Nochmals: „Apollo und die Python-Schlange“ – Zu der veröffentlichten Zuschrift teilt uns das Apollo-Theater mit: „In dem Brief -der Leserin heißt es, dass der 14tägige Spielplan rückständig sei. Diese Behauptung ist nichtzutreffend. Eine 14tägige Spielzeit wurde erstmalig am 16.11.45 durch die Ufa, Deutsche Filmvertriebs-GmbH in Lippstadt angeordnet. Als Begründung für diese Maßnahme wurde mitgeteilt: Der Kopien- Bestand ist durch das neuerliche Verbot einer großen Anzahl ehemals prominenter Darsteller und Regisseure stark dezimiert worden Wir glauben sicher, dass Sie unserer Meinung sind, wenn wir lieber frühzeitig gewisse Einschränkungen vornehmen, als dass wir später unter Umständen vor einer absoluten Lieferungsunmöglichkeit stehen. — Das Anstehen für Kino-Karten ist nicht eine Einzelerscheinung in Lippstadt, sondern im ganzen Westen zu beobachten. Ich bezweifle daher stark, dass die geschilderten Verhältnisse in Goslar zutreffend sein sollen.“ – Daran wird schon deutlich, dass es in Lippstadt bereit echte Kinofirmen gab und dass das Zeigen von Filmen immer noch durch die Auswirkungen des Krieges beeinträchtigt war.
1947
Für dieses Jahr fand ich unter dem 11.07. etwas über Kinowerbung: „ISOLDE GmbH. Solingen! Haushaltwaren u. Küchengerät. Pack-Stahlwaren nur noch v. ISOLDE GmbH.-Solingen. Wir besuchen Sie durch. Herrn Heinrich Sauerland. Sehen Sie, unsere Kino Werbung. – ISOLDE GmbH. – Solingen.“
1987
Im Heimatbuch von 1987 ist zu finden: „Gasthof Kemper” Gründung vor 1889 Aspenstraße 6 – Nach dem Umbau von 1982 zeigt sich die traditionelle Gastwirtschaft Kemper in neuem Gewande. Gründer der Schänke war der Schankwirt Anton Kemper (1794 – 1864), der auf dem Grundstück in der Weringhauser Straße 3a – heute Aspenstraße 6 – erstmals diese Schänke betrieb. Das genaue Gründungsjahr ist nicht bekannt. Ab 1889 übernimmt Engelbert Kemper (1830 – 1900) die Kneipe am heutigen Standort in der Aspenstraße 6. – Nachfolgend betrieben die Schänke Anton Kemper (1870 – 1956), Anton Kemper (1913 – 1977) und heute deren Sohn Antonius Kemper. Nach dem 2. Weltkrieg fanden auch jahrelang im vorhandenen Saal Filmvorführungen statt. Abgesehen von einer kurzen Zeit, von 1964 bis November 1982, in der sie verpachtet war, ist sie lückenlos im Familienbesitz.“
3. Mitteilungen von Anton Kemper
Am 23.07.2025 fand ich von Toni Kemper einen Brief im Briefkasten. Darin heißt es: „Lieber Wolfgang! Anbei zwei alte Fotos (möchte ich gerne zurück). Der Kinosaal hatte um 1960 mit Cord gepolsterte Sitze. Die Leinwand war vor der alten Theaterbühne zur Aspenstraße hin. Davor stand auch noch das alte Klavier. Der Vorführraum war in einem Anbau an der hinteren Giebelwand zum Hof hin. Darin standen zwei große Projektoren und eine Spule. Die Filmrollen mussten nach dem Ablauf zurückgespult werden. Filmvorführer waren Norbert Kemper, Auf der Brede, und Köneken Heini vom Schäferkamp. Auf der Treppe zum Kinosaal war auf halber Höhe ein Absatz mit einem Kassenraum. Kassiererin war unter anderem ‚Post Elli‘ Schmidt. Vor der Kino-Tür war rechts eine Tür zu unserer alten Fleischbühne mit Räucherschrank und abgemauertem Kasten zum Schinkeneinsalzen. Ich hoffe, ich kann dir damit helfen. Viele Grüße Anton Kemper.“
Hier die beiden Fotos von Anton Kemper:

Recht ist die Inschrift „Kino“ zu erkennen, auf der Beleuchtungsanlage „Kegelbahn“.

Links der Info-Kasten, der auf die nächsten Filme aufmerksam macht, unter anderem „Das Haus auf der Geisterbrücke“ und „Die Brücke“ . Oben am Bildrand ist noch „Kurtheater“ zu lesen. Ganz rechts an der Stirnwand des Gasthofes Kemper wieder „Kino“. Das Foto entstand Anfang der 1960er Jahre.
Am 29.07. bekam ich telefonisch noch folgende Ergänzungen: Das Kino hatte 196 Sitzplätze. Es existierte von ca. 1959 bis 1979. Neben der Fleischbühne gab es noch eine Batteriekeller für Notstrom. Eine Treppe an der Südseite diente als Notausgang. Darunter gab es noch einen Raum, in dem gezeigte Filme abgeholt und neue vom Filmverleiher gebracht wurden, diese hatten auch einen Schlüssel.
Das Ende des Kinos bei Kemper ist sicherlich auch auf die starke Konkurrenz im nahen Lippstadt zurückzuführen. Hier eine Kinowerbung im „Patriot“ vom 09.03.1979:

III. Fazit
Die größte Bedeutung in der „Kinolandschaft“ von Bad Westernkotten hatte sicherlich der Gasthof Kemper. – Danach kamen wohl die Caritas-Filmsonntage. – Und heute spielt beides keine Rolle mehr: Wenn man nicht nach Lippstadt oder in die weitere Umgebung ins Kino fährt, holt man sich Filme über das Internet auf das eigene Handy oder ins eigene Wohnzimmer: man streamt oder schaut sich Filme über Apps usw. an. Ist die Zeit der öffentlichen Kinos bald vorbei?
Lassen wir auch dazu noch einmal ChatGPT sprechen: „Die Frage, ob die Zeit der öffentlichen Kinos bald vorbei ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Zwar stehen Kinos vor erheblichen Herausforderungen, doch es gibt auch positive Entwicklungen und Anpassungen, die Hoffnung geben: Rückläufige Besucherzahlen, Streamingdienste als starke Konkurrenz…Kinos setzen auf neue Konzepte, Programmkinos im Aufwind, Heimkino als Alternative. Fazit: Die Kinobranche steht vor Herausforderungen, doch das Ende der öffentlichen Kinos ist nicht zwangsläufig. Durch Innovationen, besondere Events und die Fokussierung auf einzigartige Filmerlebnisse können Kinos weiterhin bestehen. Gleichzeitig bietet das Heimkino eine komfortable Alternative für Filmfans. Letztlich könnten beide Formate nebeneinander existieren und diverse Bedürfnisse bedienen.“
Ich persönlich gehe nicht davon aus, dass bald wieder ein neues Kino eröffnet. Und der Gasthof Kemper setzt heute andere Schwerpunkte. „Gut essen und trinken… sich wohlfühlen. – Im Herzen von Bad Westernkotten: Lebendige Familientradition in fünfter Generation. Rustikaler Thekenbereich – Gemütlicher Gastraum – Behagliches Kaminzimmer – Bundes Kegelbahn – Idyllische Gartenwirtschaft“, so heißt es auf der Homepage.