1906 – 1965: Ziegenzuchtverein Westernkotten

Erstabdruck in: Heimatbuch von 1987, Seite 400 – 402

Herr Osterloh, Betreuer der Ziegenbockstation

Ende des vorigen Jahrhunderts gab es in Westernkotten über 350 Ziegen, noch 1883 mit 345 sogar fast doppelt so viel wie Schweine (181).7) Die Ziegenbesitzer schlossen sich im
März/ April 1906 zum „Ziegenzuchtverein Westernkotten“ unter dem Vorsitz von Josef Duwentester, H. Hammelbeck, Th. Senger, Jos. Hense, Franz Wenner, Friedrich Stange
und Werminghaus zusammen.8) Über den Zweck des Vereins geben die §S 1 u. 2 der
Satzung Auskunft:
„§ 1: Der Ziegenzuchtverein zu Westernkotten verfolgt den Zweck, die Zucht der Ziegen
zu veredeln und die Verwertung der Zuchtprodukte zu fördern.
§ 2: Zur Erreichung dieses Zieles sind

  1. Deckstationen zu errichten, in welchen reine Schweizerböcke oder diesen gleichwertige
    Tiere in bester Qualität gehalten;
  2. wird der Verein es sich angelegen sein lassen, den An- und Verkauf von Zuchttieren
    unter den Mitgliedern nach Möglichkeit zu erleichtern, Ausstellungen und Prämiierungen
    zu veranstalten und hierzu die Unterstützung der landwirtschaftlichen Behörden, der
    landwirtschaftlichen Kreis- und Lokalvereine und der Provinzial-, Kreis- und
    Gemeindeverwaltung zu erhalten suchen;
  3. sollen Belehrungen und Besprechungen über Zuchthaltung und Ernährung der Ziegen
    in den vierteljährlich stattfindenden Versammlungen stattfinden.“Bis zum Jahre 1912 wurde — vor allem auf Drängen der zu der Zeit 161 im Verein zusammengeschlossenen Ziegenhalter — das Muckenbruch drainiert. Für die Ziegen, die, wie sich Zeitzeugen erinnern, „nach dem 1. Weltkrieg im Sommer auf jedem nur verfügbaren Stückchen Gras angepflockt wurden“, fehlte es an preiswertem Futter, vor allem für die Wintermonate.Durch die Drainagegräben entstanden nun kleinere und größere Parzellen, die jeweils im Sommer und Herbst zum Abheuen ersteigert werden konnten. Dazu begab sich der Bürgermeister, mit Notizblock bewaffnet, mit allen Interessierten ins Muckenbruch. Vor jeder Parzelle wurde halt gemacht, die Interessenten boten und überboten sich, und der mit dem Höchstgebot bekam den Zuschlag. Jede Parzelle hatte am oberen und unteren Ende einen Stein mit einer entsprechenden Nummer, der sog. Pollernummer, die sich der neue Besitzer dann nur merken und der Bürgermeister aufschreiben mußte. Die feuchten, tieferliegenden Parzellen, im Bereich etwa der ehemaligen Torfkuhle gelegen, fanden dabei wenig Interessenten. Für nur eine Reichsmark konnten sie oft ersteigert werden. „Dat Gras friätet muine Hitten nich, do mäket se prrh,“ hieß es dann oft, und dabei konnten die passionierten Besitzer der „Beamtenkühe“, wie die Ziegen auch genannt werden, die Geräusche der Ziegen wirklichkeitsnah nachmachen.Tatsächlich fraßen die an sich genügsamen Ziegen auch nicht jegliches Heu; und je besser das Heu, desto größer die Milchleistung, die bei 3-4 Litern pro Tag liegen konnte. – Die etwas höher gelegenen Nummern fanden dann größeres Interesse, so daß Preise bis zu 30 Reichsmark und mehr erzielt werden konnten. Die erste Nummer bekam immer kostenlos der Bockhalter, der im Auftrag des Ziegenzuchtvereins 3 „eingekörte“, d.h. ausgewählte und prämierte Zuchtböcke hielt, die für den Ziegennachwuchs zu sorgen hatten. Der Bockstall befand sich zuletzt etwas südlich der Leckhausstraße in einem Maschinenhaus einer Saline. Die Zuchtwarte, d.h. Unterhalter der Deckstation, zu der übrigens auch Züchter aus Bökenförde ihre Ziegen — meist mit einem Handwagen — brachten, waren nacheinander die Herren Kramer, Osterbachstraße 26, Osterloh, Holzweg (bis März 1942), dann Frau Anna Brexel (bis 1958) und Fritz Schrewe. Langjährige Vorsitzende, die u.a. die sog. Deckscheine ausgaben und den Austausch der Böcke organisierten, waren Friedrich Jochheim, Osterbachstraße 9,) und Wilhelm Kerkhoff, Bruchstraße. – Zunehmender Wohlstand, verbesserte Einkaufsmöglichkeiten usw. ließen nach und nach den Ziegenbestand und damit oft auch die traditionellen Misten vor dem Haus verschwinden. Waren bei der Viehzählung 1957 noch 73 Ziegenhalter mit 118 Ziegen registriert, so erscheinen 1969 nur noch 6 Halter mit 9 Ziegen. Bereits 1965 schließen sich die noch verbliebenen 11 Mitglieder dem Erwitter Verein an. Die letzte Ziege in Bad Westernkotten wurde bei der Zählung 1971 registriert. Sie stand bei August Hötte. Nach mehr als 60 Jahren hatte die Ziegenzucht ein Ende gefunden.