Erstabdruck: Der Patriot vom 06.07.1948
Westernkotten. (Eig. Ber.) Um den Ostvertriebenen Gelegenheit zu geben, aus berufenem Munde über ihr weiteres Schicksal zu hören, hatte die CDU-Ortsgruppe Westernkotten Geistlichen Rat Göbel zu einer Rede in einer öffentlichen Versammlung gewonnen. Die zahlreich erschienenen Ostvertriebenen lauschten gebannt den Ausführungen, die der Redner in eindringlichen Worten gab.
Es geht um das allgemeine Schicksal.
„Es geht nicht nur um die 11 Millionen Vertriebenen“, so betonte Geistl. Rat Göbel, „sondern es geht um Deutschland, um ganz Europa.“ Dem Werben um Deutschland sowohl vom Westen wie vom Osten her dürfe nicht nachgegeben werden. Wir müssten selbst bemüht sein, Deutschland und Europa auf christlicher Grundlage wiederaufzubauen und wieder ein christliches Abendland zu werden. Um zu diesem Ziele zu gelangen, sei es aber nötig, dass Deutschland wieder geeint werde. Darum dürften auch die Westdeutschen den Osten nicht aufgeben, denn die Wiedererwerbung der östlichen Agrarprovinzen sei nicht ein Privatinteresse der Vertriebenen, sondern deutsches Interesse. Würde dagegen, wie wir fordern müssen, der Osten wieder frei, könne genug Getreide und Kartoffeln angebaut werden und die Güter, wie Kohle und Holz, die für ausländische Lebensmittel eingetauscht werden, für deutsche Zwecke freigestellt werden.
Gleichberechtigung erforderlich
Bis jetzt haben sie, die Vertriebenen, zu allem geschwiegen, weil sie immer noch hofften, in die Heimat zurückzukommen. Nähme man ihnen diese Hoffnung, käme es zu einer Explosion. Und ein weiteres Leben hier im Westen sei nur dann möglich, wenn sie gleichberechtigt an Land und Gewerbe Anteil hätten. Eine Lösung im Auswandern zu suchen, sei irrig. Erstens würden nur junge Menschen aufgenommen, die über eine gute Fachausbildung verfügen, und die alten und durch den Krieg verletzten Leute blieben im verarmten Deutschland zurück.
Das Gebot für die Einheimischen
Diese großen Schicksalsschläge und Probleme ließen sich leichter ertragen und lösen, wenn jeder bemüht sei, Christ zu sein und als oberstes Gebot die Nächstenliebe übe. Denn so nur könne Deutschland und damit auch ganz Europa gerettet werden. Der kommende Lastenausgleich werde zeigen, inwieweit die Deutschen sich noch Christen nennen könnten. Denn Geld allein könne das nicht ersetzen, was die Vertriebenen verloren hätten. Fester Besitz sei dazu schon notwendig. Und wie schwer es sei, sich vom erarbeiteten Grund und Boden oder Betrieb zu trennen, hätten sie am eigenen Leibe gespürt. Darum gelte es auch für die Westdeutschen, um große Unzufriedenheiten in vermelden, sich intensiv für die Wiedergewinnung des Ostens einzusetzen, schloss der Redner unter dem anhaltenden Beifall der nach Hunderten zählenden Zuhörer.