1997: Dernbacher Schwester im Stadtgebiet Erwitte

Die Dernbacher Schwestern im Stadtgebiet von Erwitte

Von Wolfgang und Jan Marcus, Bad Westernkotten

[Erstabdruck: Marcus, Wolfgang/Marcus, Jan, Die Dernbacher Schwestern im Stadtgebiet von Erwitte: in: Vertell mui watt, Ausgabe 27 (1997)]

Die Ordensgemeinschaft der Armen Dienstmägde Jesu Christi, im Volksmund Dernbacher Schwestern genannt, wurde 1851 von Katharina Kaspar aus Dernbach im Westerwald gegründet. Innerhalb weniger Jahre machte diese Gemeinschaft, die sich besonders der Krankenpflege, der Alten-, Behinderten- und Kindergartenarbeit widmete, eine rasante Entwicklung durch, und als die Ordensgründerin 1898 starb, war die Gemeinschaft bereits auf 1725 Schwestern angewachsen. Aus entsprechenden Karten ist zu ersehen, dass sich die deutschen Niederlassungen beiderseits des Mittel- und Niederrheins und beiderseits der Lahn, also in der näheren Umgebung von Dernbach, konzentrierten.

Im Bereich der heutigen Stadt Erwitte hat es – obwohl weiter weg von den Schwerpunkträumen der Ordenstätigkeit gelegen – ebenfalls eine verhältnismäßig große Zahl von Niederlassungen gegeben, nämlich in Erwitte (von 1860 bis 1984), in Horn (von 1909 bis heute) und in Westernkotten (1921 bis 1962).

Alle drei Filialen der Dernbacher Schwestern sollen im folgenden kurz(!) vorgestellt werden.

  • I. Die Dernbacher Schwestern in Erwitte (1860-1984)

Das Auftreten der Dernbacher Schwestern in Erwitte steht im engen Zusammenhang mit der Gründung des Erwitter Krankenhauses. Bekanntlich ist das Krankenhaus eine Stiftung von Kunigunde, Freifrau von der Decken, verwitwete Freifrau von Hoerde. Die Statuten für dieses zu gründende „von Hoerde’sche Marienhospital“ legte die Stifterin am 5.Juni 1859 in einem Vertrag mit dem Kirchenvorstand von St. Laurentius fest. Darin heißt es in § 13:“Zur Pflege der Kranken sollen Mitglieder einer kirchlichen Genossenschaft, deren Aufgabe Krankenpflege ist, … aus einem bewährten Mutterhause berufen werden.“ [Schmidt, Hubert, Die Geschichte des von Hoerde’schen Marienhospitals; in: 100 Jahre von Hoerde’sches Marienhospital Erwitte, Erwitte 1960, S. 15]

Vermutlich hat dann oder schon einige Zeit vorher der damalige Pfarrer von Erwitte, Johann Ludwig Habbel, Kontakt mit dem seit 1851 bestehenden Orden der Armen Dienstmägde Jesu Christi in Dernbach aufgenommen. Warum er sich gerade an diese Ordensgemeinschaft gewandt hat, konnte nicht ermittelt werden, auf jeden Fall war das Bemühen von Erfolg gekrönt, denn am 14. Juli 1860 wurden drei Schwestern von der Ordensgründerin Maria Katharina persönlich nach Erwitte gebracht. Damit konnte das Krankenhaus seinen Betrieb aufnehmen. Neben der stationären Krankenpflege oblag den Schwestern die ambulante Krankenpflege in den Häusern der Pfarrei Erwitte und die Betreuung von Waisenkindern. Bereits 1864 wurden zwei weitere Schwestern nach Erwitte beordert.

1885 erweiterten die Schwestern ihren Wirkungskreis, indem sie eine Industrieschule (Nähschule) für die weibliche Jugend eröffneten. Als im Jahre 1886 Typhus in Erwitte herrschte, schonten sich die Schwestern nicht, so dass auch zwei von ihnen an der heimtückischen Krankheit starben [ebd. S. 19].

Im Jahre 1906 eröffneten die Schwestern einen Kindergarten in einem Nebengebäude des Krankenhauses. 1914, als das Krankenhaus zum Lazarett umfunktioniert wurde, mußten Kindergarten und Nähschule aufgelöst werden, um alte Leute aufzunehmen, die bis dahin im Krankenhaus gewohnt hatten. Erst 1919 wurde das Lazarett aufgelöst, Kindergarten und Nähschule wieder eröffnet.

Am 15. Januar 1924 wurde das Erwitter Krankenhaus von einem schweren Brand heimgesucht, die Krankenpflege konnte in den verschont gebliebenen Räumen fortgesetzt werden, Kindergarten und Nähschule blieben bis 1926 geschlossen.

1928 mußte der Kindergarten wegen Raummangel erneut geschlossen werden; erst am 11.Mai 1930 wurde eine neue Einrichtung an der Lippstädter Straße eröffnet [ebd. S. 27]. 1960 ließ das Krankenhaus ein separates Schwesternwohnhaus errichten [ebd. S. 32].

„Bis zum Januar 1984 haben Schwestern der Genossenschaft der Armen Dienstmägde Jesu Christi segensreich im Erwitter Krankenhaus gewirkt. Leider mußte die Ordensleitung wegen akuten Schwesternmangels die letzten Schwestern aus Erwitte am 31. Januar 1984 zurückziehen.“ [Pfr. Ludger Grewe in seinem Vorwort für die Festschrift zum 125jährigen Jubiläum des Krankenhauses, Laumanns Druck, Lippstadt, 1986, S. 6] Die feierliche Verabschiedung fand am Sonntag, dem 29.1.1984, statt.[Patriot v.30.1.1984]

II. Die Dernbacher Schwestern in Horn (1909-heute)

„Die Schwestern vom Orden der Armen Dienstmägde Jesu Christi …kamen im Jahre 1909, genau am Elisabeth-Tag, ins Kirchspiel und fanden zunächst im alten Müllerschen Haus eine Bleibe.“[Tageszeitung „Der Patriot“ vom 17.11.1984 aus Anlaß des 75jährigen Bestehens der Filiale]

Der „Patriot“ vom Donnerstag, 25.11.1909, berichtet kurz über das Ereignis:“Horn. 24. Nov. Ein langgehegter Wunsch unseres ganzen Kirchspiels ist nunmehr in Erfüllung gegangen. Drei Schwestern aus dem Mutterhause Dernbch haben ihren Einzug in ihr schön hergerichtetes Heim, das zu Ehren der heiligen Ida „Idastift“ genannt worden ist, gehalten. Am vorigen Freitag führte Herr Pastor Rath die Schwestern nach vorausgegangenem Hochamte feierlich in ihr Haus ein. Zwölf ‘Engelchen“ schritten den Schwestern voraus, während eine große Prozession ihnen bis zu ihrem Heime folgte. Neben der Krankenpflege widmen sich die Schwestern auch dem Näh- und Arbeitsunterrichte junger Mädchen. Wie wir hören soll auch eine Kleinkinderbewahrschule in Aussicht genommen sein. Möge der liebevollen Tätigkeit der Schwestern reicher Segen zu teil werden.“

Schwester Annette Jülich, ADJC, heute in Horn als Gemeindereferentin tätig, nennt zwei mögliche Gründe für die Errichtung der Filiale in Horn, zum einen die Nähe zur schon seit 1860 existierenden Filiale im Erwitter Krankenhaus, zum zweiten möglicherweise den Einfluß der Dernbacher Ordensschwester Maria Büse aus Horn-Millinghausen, die bereits 1883 in den Orden eingetreten war, von 1917 bis 1929 Generalassistentin und von 1929 bis 1944 sogar Generaloberin aller Armen Dienstmägde war.[In einem Gespräch mit den Verf. am 17.12.96]

1921 wurden Pläne geschmiedet, ein neues Schwesternhaus zu bauen, das heutige Ida-Stift. 1923 konnten die Schwestern einziehen und wohnen dort bis heute [vgl. Patriot v. 31.12.1983].

Neben der Kranken- und Altenpflege bildete auch die Unterweisung der weiblichen Jugend einen wesentlichen Schwerpunkt (Nähschule, Kochkurse…) So weist die von den Schwestern angelegte Chronik für das Jahr 1923 270 Nachtwachen, 221 gepflegte Kranke und 75 Mädchen in der Nähschule aus.

Bereits 1919 richteten die Schwestern vorübergehend eine Kinderbewahranstalt in einem leerstehenden Zimmer der Mädchenschule ein.

Ende der 60er Jahre engagierte sich Schwester Annette für die Errichtung des 1970 errichteten und heute auf 4 Gruppen angewachsenen Kindergartens.

1965 sollte die Horner Filiale ganz geschlossen werden, vor allem aber durch das Engagement des Dechanten Bunsmann konnte ihr Bleiben erreicht werden. Umfangreiche Renovierungen im Ida-Stift fanden in den nächsten Jahren statt.

Heute sind noch 4 Schwestern in Horn, zwei sind im Ida-Stift, das heute Seniorenheim ist, tätig, zwei in der Gemeindepastoral im Kirchspiel Horn aktiv.

Weitere nähere Einzelheiten aus der Geschichte der Filiale in Horn sind vor allem einer Patriot-Sonderseite vom 31.12.1983 zu entnehmen.

III. Die Dernbacher Schwestern in Bad Westernkotten (1921-1962)

Der Westernkötter Pfarrer Bokel ließ am 24.Mai 1914 mit dem Bau eines Schwesternhauses beginnen. Mit dem Beginn des 1.Weltkrieges wurde der Roh-bau fertig. Das Interesse an der Fertigstellung erlahmte für die Dauer des Krieges. Am 28.Juli 1918 wurde unter dem neuen Pfarrer Johannes Ronnewinkel der „Elisabethverein“ als Träger des Schwesternhauses „Elisabethheim“ gegründet. Inzwischen war auch die Genehmigung des Ministers für „Geistliche und Unterrichtsangelegenheiten“ erteilt worden. In seinem Bericht vom 9. Juni 1918 heißt es: „Auf den Bericht vom 14.Mai d.J. wollen wir genehmigen, daß in Westernkotten eine neue Niederlassung der Armen Dienstmägde Jesu Christi aus dem Mutterhause zu Dernbach behufs [=wegen] Ausübung der Hauskrankenpflege errichtet werde. Zugleich wollen wir der genannten Genossenschaft widerruflich gestatten, in Verbindung mit dieser Niederlassung die Pflege und Unterweisung von Kindern katholischen Bekenntnisses, die sich noch nicht im schulpflichtigem Alter befinden, in der daselbst neuzuerrichtenden Kleinkinderbewahranstalt, sowie die Leitung und Unterweisung in einer Haushaltungsschule für katholische Mädchen nicht mehr schulpflichtigem Alter.“

Aber die Eröffnungsfeier verschob sich, denn das Mutterhaus in Dernbach konnte zunächst keine Schwestern zur Verfügung stellen. Doch am 3.Mai 1921 fand endlich die feierliche Einweihung statt.

Die ersten Wochen waren die qualvollsten für die vier Schwestern, denn dem Elisabethheim fehlten noch ganze Teile der inneren Einrichtung, und der erste Stock war noch im Rohbau. Doch nach und nach wurden diese Zustände beseitigt.

Das Schwergewicht der Arbeit der Schwestern lag auf der ambulanten Krankenpflege. Neben dem bereits 1921 eröffneten Kindergarten gab es schon von 1922 an eine Nähschule für Mädchen, die nach der von den Schwestern angelegten Chronik bis 1954 betrieben wurde. Die Schwestern boten aber auch Kochkurse an. 1931 wurde die zum Elisabethheim gehörende Scheune zum Kindergarten umgebaut, da der Raum im Elisabethheim zu klein geworden war.

Nach dem 2. Weltkrieg eröffnete Dr. med. Bisping im Ambulanzraum eine Arzt-Praxis. Die Krankenschwester nutzte den Raum für ihre ambulante Behandlung mit. Diesen Raum erfaßte Zahnarzt Probst später (1951) für eine Zahnarztpraxis.

Am 29.März 1962 mußten die letzten Schwestern Bad Westernkotten verlassen, weil der Orden nicht mehr genug Nachwuchs hatte.

Insgesamt waren 28 Schwestern in den fast 41 Jahren in Bad Westernkotten segensreich tätig.