1994: Karneval im 19. Jh.

Zum Karneval in Westernkotten im 19. Jahrhundert

Von Wolfgang Marcus

[aus: Aus Kuotten düt und dat 1994, Nr. 65]

Bis 1858 gab es in Westernkotten neben dem Männer-Schützenverein noch zwei wei­tere eigenständige Schützenvereine, beides Junggesellenvereine, und zwar den der Ackerknechte/Bauern und den der Handwer­ker. Zwischen diesen beiden gab es laufend Streit. [vgl. auch das Heimatbuch von 1987 S. 449]        .

Erst 1858 gelang es Gemeindevorsteher Reinhard Jesse, alle drei Westernkötter Ver­eine zu einem zu vereinen.

Aber auch nach der Zusammenlegung gab es weiterhin Streit zwischen Ackerknechten und Handwerksburschen, weniger beim Schützenfest als vielmehr beim Karneval. Hören wir dazu den Text einer Schützenf­estzeitung, die 1928 aus Anlass der Grün­dung unserer Ehrenkompanie herausgege­ben wurde:

„Alljährlich ritt die Kompanie der Bauern vor Aschermittwoch das Kränzchen. Ein Pfahl stand in der Erde und darauf befestigt hing ein Kranz, der im Vorbeireiten gegriffen wer­den musste. Dabei fiel ein mancher aus dem Sattel, da die Peitsche nachhalf.

Wer den Kranz griff, war der Herr. Knechte behielten sich vor, ein Pferd gestellt zu be­kommen. Auf der Straße herrschte an die­sem Tage wegen der Reiterei große Unsi­cherheit. Am Sonntag vor Aschermittwoch holte die Kompanie der Landwirte den „Fast­abend“ als Strohkerl auf dem Pferd aus ir­gendeiner Scheune ins Vereinslokal und wurde Aschermittwoch in einer Dungstätte begraben, oder man drehte auch wohl einen Betrunkenen in Raufutter und steckte ihn dann in die Miste. Vom Sattelkissen las man das Haarbaiken-Evangelium vor. Die Namen der Landwirte rief man laut in das um­stehende Volk, und dies antwortete: ‚Gutt för us‘ oder ‚Nitt gutt för us‘, je nachdem viel oder wenig gegeben war. Auch fand das Hahnenschlagen statt, das aber später von der Polizei verboten wurde.

Die Handwerker fuhren an diesem Tage einen Wagen mit Pauke und Horn.“

1870 beschwerte sich der Gemeindevorste­her Jesse über diese und andere Karnevals­erscheinungen [Stadtarchiv Erwitte, Bestand B 2, vorl. Nr. 28]: „Es besteht in der hiesigen Gemeinde noch immer die Unsitte während der Fastnachtstage, dass die Ackerburschen und die Handwerkergesellen, in zwei ge­trennten Haufen, von Haus zu Haus ziehen, um unter entsetzlichem Rumor mit Pauke oder Trommeln, Gesang und wildem Lärm, Würste einzusammeln.

Abgesehen von der Störung der öffentlichen Ruhe hat dieses Unwesen auch manche ef­fektiven Nachtheile: Manche Familie, die für den Haushalt die Würste gern verwendete, ist indirect gezwungen, eine oder zwei Wür­ste an die Burschen, mit denen es unter allen Umständen keiner verderben mag, abzuge­ben.

Es werden auf diese Weise weit über 100 Stück große Würste zusammengebracht und dann. in dem betreffenden Wirthshause ent­weder roh oder halbgar gekocht mit einer wahren Unmäßigkeit verzehrt. Mehrmals hat man schon Fälle erlebt, dass wegen Überl­adung des Magens mit den Würsten Perso­nen schwer erkrankt sind.“

Der Amtmann Schlünder konnte aber laut Aktenlage nicht einschreiten, da ihm die Rechtsmittel fehlten.

1881 wurde bei diesen Karnevalsausschrei­tungen ein Bauer erschlagen. Das rief den damaligen Pfarrer von Erwitte, Franz Xaver Schulte, auf den Plan. Er setzte beim Bischof eine Mission über die Karnevalstage durch und – ab 1883 – ein 40stündiges Gebet, so dass jegliche Feierlichkeiten zum Erliegen kamen. [vgl. Näheres dazu im Heimatbuch von 1987 auf S. 450]