2007: Zur Geschichte der LW und des LW-Ortsvereins

[Erstveröffentlichung: Marcus, Wolfgang, 1906-2006 – 100 Jahre Landwirtschaftlicher Ortsverein Bad Westernkotten. Entwicklungslinien und Ereignisse von 1945 bis heute, in: Heimatblätter 2007, S.33-39]

1906 – 2006: 100 Jahre Landwirtschaftlicher Ortsverband Bad Westernkotten

Zur Geschichte der Landwirtschaft in unsem Raum

Von Wolfgang Marcus

Vorbemerkungen

Am 14. Januar 1906, also genau vor 100 Jahren, wurde der Landwirtschaftliche Ortsverband Westernkotten gegründet.

Im Folgenden soll die Geschichte dieses Vereins in ihren Grundzügen dargelegt werden. Eine solche Geschichte bleibt aber oberflächlich, wenn nicht auch auf die Landwirtschaft in dieser Zeit und ihre rasanten Veränderungen eingegangen wird. Vorangestellt ist deshalb ein kurzer Überblick über die Landwirtschaft in der Zeit vor der Gründung des Vereins, eingeschränkt auf die Zeit des 19. Jahrhunderts. Auch die dann folgenden 100 Jahre Vereinsleben werden im Spiegel der Veränderungen in der Landwirtschaft landesweit, aber insbesondere in Bad Westernkotten, betrachtet.

Wesentliche Quellen für die eigentliche Vereinsgeschichte waren die verschiedenen Protokollbücher des Vereins[1], einzelne Zeitungsberichte sowie Erinnerungen älterer Vereinsmitglieder.

Für die Landwirtschaft im Raum Westernkotten im 19. Jahrhunderts habe ich als wesentliche Quelle das Heimatbuch von Bad Westernkotten aus dem Jahre 1987[2] benutzt, für die Entwicklung der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert diverse Fachliteratur.[3]

1. Landwirtschaft im Raum Westernkotten im 19. Jahrhundert

1.1. Zur allgemeinen Entwicklung

Bereits 1688 war im Raum Westernkotten die Leibeigenschaft abgeschafft worden, zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden den Bauern im Zuge der sog. Bauernbefreiung und die Aufhebung der Grundherrschaft weitere Rechte zuteil.

Bei einer Viehzählung aus dem Jahre 1781 wurden in Westernkotten 90 Pferde, keine Zugochsen, 234 Kühe, 150 Schweine, 694 Schafe, 3 Esel und 66 Geißen gezählt.[4]

Um 1830 wurden durch die preußische Regierung erstmals alle Ländereien vermessen und nach den Erträgen bewertet.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert waren die Aufteilung der Gemeinheitsflächen und die Flurbereinigung einschneidende Maßnahmen.

Aus einer „Urwählerliste“ aus dem Jahre 1864, die für Westernkotten 1247 Einwohner ausweist, gehen die Berufe der Hausvorstände der 281 Familien bzw. Hausstände hervor. Danach waren 23 arm bzw. ohne Beruf, 44 im landwirtschaftlichen Bereich, 185 im produzierenden und 29 in Dienstleistungsbereich tätig. Im landwirtschaftlichen Bereich waren insgesamt 44 Hausvorstände tätig, davon 30 Ackerer,  9 Schäfer,  1 Gutsbesitzer (Domhof),  3 „Oeconom“ (Mönnig, Reinhard Jesse, Witwe Anton Jesse) und  1 Rentmeister (von Baron von Papen).

Bedenken muss man aber, dass auch viele der Tagelöhner und Vertreter anderer Berufsgruppen noch eine (kleine) Landwirtschaft im Nebenerwerb führten.

Im produzierenden Bereich waren insgesamt 185 Hausvorstände beschäftigt, davon 121 Tagelöhner, 8 Schneider, 14 Schreiner, 12 Sälzer, 1 Oberkontrolleur, 1 Salinenkontrolleur, 2 Magazinaufseher, 1 Aufseher, 1 Steueraufseher, 2 Zigarrenmacher, 2 Zimmermann, 1 Ziegeleipächter, 4 Maurer, 1 Böttcher, 3 Schmied, 4 Weber, 1 Holzschuhmacher, 2 Müller, 1 Mollenmacher, 2 Schlosser, 1 Wagener.

Im produzierenden Bereich fällt zunächst die hohe Zahl von Tagelöhnern auf. Davon waren einige in der Salzproduktion, die meisten aber in Lippstadt beschäftigt:  Lippstadt hatte 1850 den Bahnanschluss bekommen und schon 1861 eröffneten hier die Brüder Anton und Theodor Linhoff ein Drahtwerk in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs, die spätere „Westfälische Union“, ein Eisen- und Drahtwerk. Dieses Werk hatte schon bei der Gründung 1861 146 Arbeiter und steigerte diese Zahl schnell auf über 600 Beschäftigte.

Das kam auch den Westernköttern zugute. Schon 1869, so ein Protokoll des Gemeinderates, gingen täglich fast 100 Arbeiter „übern Knapp“ nach Lippstadt. Und „gingen“ ist dabei wörtlich zu nehmen. An der Brücke bei Klossebaum, beim Klössner, traf man sich, und dann ging’s die 4 Kilometer bis zum Werk zu Fuß nach Lippstadt und nach einem anstrengenden und langen Arbeitstag zurück.

Die Salzindustrie spielte im Jahr 1864 in Westernkotten noch eine sehr große Rolle.

Aus der Produktion und Vermarktung des Salzes bezogen nach diesem Verzeichnis 18 Personen ihren Lebensunterhalt, 12 als Salzberechtigte und 6 als Aufseher. Hier wird deutlich, dass weithin noch keine Arbeiter mitgezählt worden sind, die demnach bei den „Tagelöhnern“ zu finden sein müssen. Nach Ausweis der Unterlagen der Saline Westernkotten waren dies 1864 etwa 20 Arbeiter[5], so dass fast 40 Familien direkt vom Salz lebten. Hinzu rechnen muss man noch die Betriebe, die Leistungen für die Salzproduktion erbrachten, so etwa Wagener, Schmiede, Schlosser und Zimmerleute.

Im Dienstleistungsbereich waren 1864 in Westernkotten insgesamt 29 Hausvorstände beschäftigt, davon 3 Lehrer, 4 Wirt (Kemper, Bürger, Dietz und Deckmann), 4 Näherinnen, 8 Händler, 1 Flurschütz, 2 Bäcker, 5 Schuster, 1 Vikar (Anton Fischer), 1 Barriereempfänger. Die größte Gruppe stellte die Händler dar. Hier ist auffällig, dass alle jüdischen Familien im Ort unter „Händler“ geführt werden.

Die 4 Gaststätten sind weithin auch heute noch zu finden: Im heutigen Kurhaus hatte die Witwe Bürger geb. Plöger eine Gaststätte. Schon damals befand sich die Gaststätte Kemper, Aspenstraße 8, in Händen der Familie Kemper, sie wurde geleitet von der Witwe Anton Kemper mit ihren Kindern. Die Gastwirtschaft Dietz, heute Weringhauser Straße 2, wurde damals geführt von Anton Dietz und seiner Frau Mina geb. Hegel. Lediglich die Gastwirtschaft Deckmann gibt es nicht mehr. Sie befand sich in an der Lippstädter Straße (B 55) im Haus Nr. 107, heute im Eigentum von Adolf und Helga Schröer.[6]

Bis ins 20. Jahrhundert hinein hatten in Westernkotten die meisten Höfe kaum Landbesitz über 20 ha. Größere Höfe mit je 100 ha waren lediglich der Domhof und der Weringhoff mit jeweils etwa 100 ha. Die meisten Bauern hatten Land von den beiden großen adeligen Grundbesitzern, von Papen („Der Baron“) und von Landsberg, gepachtet.

1.2. Zur Organisationsstruktur der Bauern im 19. Jahrhundert

Aus einem Situationsbericht aus dem Jahre 1836[7] des damaligen Oberpräsidenten von Westfalen Herrn von Vincke an den König von Preußen geht hervor, dass es zur Behebung der schlechten wirtschaftlichen Lage der Landwirtschaft zur Bildung von landwirtschaftlichen Kreis- und Ortsvereinen kommen müsse. Diese Vereine sollten vom Staat mit Beihilfen zur Förderung der Landwirtschaft unterstützt werden. Die Aufsicht über diese Vereine sollte ebenfalls beim Staat liegen. Diese Anregung des Herrn von Vincke nahm der König von Preußen auf und ordnete an, dass in allen Kreisen Westfalens die Gründung landwirtschaftlicher Kreisvereine und auch vielerorts von landwirtschaftlichen Ortsvereinen erfolgen sollte.“[8]

So entstanden in der eigentlichen Gründungsphase 1836 die Kreisvereine Ahaus, Warendorf und Bielefeld, 1837 Borken, Tecklenburg, Halle, Herford, Lübbecke, Arnsberg, Hamm, Iserlohn, Höxter und Paderborn, 1838 Münster, Recklinghausen, Altena, Dortmund, Warburg, Lippstadt und Soest.[9]

Über den Lippstädter Kreisverein führt Gerke[10] aus: „Vorgänger des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Lippstadt war der ‚Kultur- und Gewerbeverein des Kreises Lippstadt‘, welcher am 12. Juni 1838 in Erwitte gegründet wurde. Als Dirigent des Vereins wurde der Landrat des Kreises Lippstadt, Freiherr von Schade, gewählt…1860 wurde der Kultur- und Gewerbeverein Lippstadt unter dem damaligen Vorsitzenden Landrat Freiherr von Schorlemer umbenannt in den ‚Landwirtschaftlichen Verein des Kreises Lippstadt.‘ Durch die Tätigkeit der beiden Vereine gelangte der lang verkannte Bauernstand wieder zu innerer Festigkeit. Die auf Kreisebene gegründeten Landwirtschaftlichen Kreisvereine wurden gebietsmäßig zu Bezirksvereinen bzw. Hauptvereinen, auf Provinzebene zu einem Provinzialverein und schließlich auf Landesebene zu einem Landesökonomiekollegium zusammengefasst. So gehörte z. B. der Kultur- und Gewerbeverein des Kreises Lippstadt, bzw. der Landwirtschaftliche Verein des Kreises Lippstadt, bis 1922 zur Landeskulturgesellschaft für den Regierungsbezirk Arnsberg und anschließend dann zum Paderborner Hauptverein.“

Diese Kreisvereine waren aber „von oben“ angeordnet, mittlere und kleinere Bauern waren gar nicht vertreten. In Reaktion auf die Revolution von 1848 war dem preußischen Staat nicht daran gelegen, dass sich diese Vereine politisch betätigten.

Das war nicht das, was sich die Bauern und Standesvertretung vorgestellt hatten. So gründete der „westfälische Bauernkönig“, Burkard Freiherr von Schorlemer-Alst (*21.10.1825 auf Schloss Herringhausen) am 10.Juni 1862 in Wettringen, Kreis Steinfurt, den ersten Bauernverein Westfalens als freie berufsständige Organisation der Landwirtschaft.[11] Dieses Unterfangen wurde von der preußischen Landesregierung in Münster mit Argwohn betrachtet. Es kam zu polizeilicher Überwachung und Versammlungsverboten. 1871 löste von Schorlemer deshalb kurzerhand die bisherigen Kreisbauernvereine auf und gründete auf Provinzebene den einheitlichen Westfälischen Bauernverein. „Es dauerte aber noch fast 20 Jahre, bis durch Kabinettsorder 1891, der jungen westfälischen Bauernorganisation, der Rechtsvorgängerin des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes, die Kooperationsrechte verliehen wurden…Mit dem Westfälischen Bauernverein war der Grundstein für das gesamte freie landwirtschaftliche Organisationswesen in ganz Deutschland gelegt.“[12]

Auch in Westernkotten gab es schon vor Gründung des Landwirtschaftlichen Ortsvereins 1906 erste Formen der gemeinsamen Interessenvertretung, so zumindest den 1879 gegründeten Rindvieh-Versicherungsverein Westernkotten.

„Der Zweck des Vereins ist: gegenseitige Versicherung des Rindviehes gegen natürliche Todesfälle, natürliche und zufällige, auch für den Fall, wenn Krankheit oder ein Unfall das Schlachten des Viehes nöthig machen und dabei die Bestimmungen dieses Statuts beobachtet werden. In allen diesen Fällen haben die Mitglieder des Vereins Anspruch auf Entschädigung auf Grund dieses Statuts“, so lautet § 1 der Satzung des Rindvieh-Versicherungsvereins Westernkotten, der am 19. Februar 1879 gegründet wurde.[13] Den ersten Vorstand bildeten: Reinhard Jesse (1. Vors.), Lehrer Tuschhoff (Rendant) und die Taxatoren H. Mönnig, Joseph Besting und Th. Hollenbeck. Die Taxatoren mussten das angemeldete Vieh untersuchen und schätzen sowie mit dem Brandzeichen „R.V.W“ am linken Horn versehen. 9/10 des Taxwertes bildeten die Versicherungssumme, bis zu deren Höhe im Schadensfall gezahlt wurde. Finanziert wurde diese Entschädigung durch ein bei Vereinseintritt zu zahlendes Eintrittsgeld von 50 Pf je 100Mark Versicherungssumme sowie durch eine nach Höhe der Versicherungssumme anteilige Umlage der Vereinsmitglieder. Im Jahr 1883, also 4 Jahre nach Vereinsgründung, gab es in Westernkotten insgesamt 337 Stück Rindvieh.

Der Verein wird eingegangen sein, als die Landwirte dazu übergingen, ihr Vieh bei Versicherungsanstalten privat zu versichern.

2. Die Landwirtschaft in Westernkotten und der Landwirtschaftliche Ortsverein im 20. Jahrhundert

2.1. Zur Gründung des Vereins im Jahre 1906

„Als zweiter landwirtschaftlicher Ortsverein im damaligen Kreis Lippstadt wurde am 14.1. 1906 in der Gastwirtschaft Dietz, das bis heute Vereinslokal ist, der ‚Landwirtschaft­liche Lokalverein Westernkotten‘ gegründet. 36 Landwirte traten damals sofort dem Verein bei“, so heißt es im Heimatbuch von 1987. Weitere sind dann aber noch 1906 hinzugekommen, wie aus dem Protokollbuch hervorgeht.

Die 36 anwesenden Gründungsmitglieder waren (in Klammern dahinter einige erläuternde Angaben):

Wilhelm Hollenbeck

Franz Westerfeld

Josef Pilk

Franz Göbel

Peter Lanze

Joseph Schwarzenberg

Heinrich Deimel

Franz Pieper

Bernhard Westerfeld

Lorenz Meyer

Ludwig Schulte

Joseph Hoppe-Nucke

Theodor Adämmer

Joseph Spiekermann

Franz Hollenbeck

Adolf Büker

Joseph Büker

Franz Hoppe gt. Nucke

Johann Jakobi

Engelbert Spiekermann

Joseph Göbel

Adam Schrop

Joseph Schröer

Franz Hoppe-Klossebaum

Anton Lüning

Rudolf Loeper

Leo Jesse

Joseph Hoppe Nucke

Joseph Schütte

Franz Schütte

Karl Otto

Anton Hoppe

Heinrich Erdmann

Engelbert Kemper

Theodor Dabrock

Joseph Erdmann

In der Gründungsversammlung[14], die Franz Westerfeld eröffnete, wurde Leo Jesse zum ersten Vorsitzenden gewählt, Franz Westerfeld zum Stellvertreter, Rudolf Loeper zum Schriftführer und Franz Pieper zu dessen Stellvertreter. Sodann las der Vorsitzende eine vorbereitete Satzung vor, die die Versammlung einstimmig annahm. Darin heißt es unter anderem: „Der Zweck des Vereins ist es, die Landwirtschaft im Vereinsbezirk zu heben und besonders den landwirtschaftlichen Kreis-Verein Lippstadt in seinen Bestrebungen zu unterstützen.“ Der Mitgliedsbeitrag betrug 1,50 Reichsmark pro Jahr.

2.2. Die Entwicklung des Vereins bis 1933

Schon in der zweiten Sitzung waren als Ehrenmitglieder auch Pfarrer Bokel und Gemeindevorsteher A. Jesse anwesend. Gemeindebote Carl Hasel bekam auch das Amt des Vereinsboten. Am 20.5.1906 beschloss die Versammlung, auch den Landrat, Freiherr von Werthern, und den Amtmann des Amtes Erwitte, Dr. Hechelmann, zu Ehremitgliedern zu ernennen.

In den folgenden Jahren fanden immer wieder Fachvorträge zu bestimmten Themen statt. „Im Jahre 1909 wurde eine Viehwaage angeschafft. Im Jahre 1910 konnte das erste Winterkränzchen gefeiert werden, die Wirtin Dietz hatte sich bereit erklärt, 20 Mark zu spenden und für Musik zu sorgen. Lange Zeit wurden auch Sämereien, Dünger- und Futtermittel gemeinschaftlich bezogen. Von den Landwirten wurden Steine von Berge geholt, um den Weg nach Bökenförde fahrbar zu machen. Am 13.4.1928 fand im Gasthof Dietz die Gründung einer Schwarzbunten- und Rotbunten-Bullenhaltungs-Genossenschaft satt.“[15]

Weitere Themen aus dem Protokollbuch in Stichworten: 13.1.1929: einstimmige Ablehnung des geplanten Lörmecke-Wasserwerkes; 10.3.1929: Für die Kirchenvorstandswahlen wird wieder Lorenz Maier vorgeschlagen; der Ortsverein trägt ein Fünftel der Kosten der Wahlzettel; 24.4. Vortrag von Dr. Bussmanns von Stickstoffsyndikat; 5.5.: Antrag auf Stundung von Steuern nach Witterungsschäden; ein „Apparat für Bodenuntersuchungen“ soll angeschafft werden; 20.9.: Ablehnung einer eigenen ländlichen Fortbildungsschule; Anmeldungen für die Winterschule; 13.10.: Vorbereitung der Gemeinderatswahl: gemeinsam mit dem kath. Arbeiterverein und dem Hirsch-Dunkerschen Gewerkeverein soll eine Einheitsliste aufgestellt werden.

12.1. 1930: Angebot von überregionalen Kursen in Obstbau und Pflugführung; 6.4.: Als Vertrauensperson für den Landfrauenverband wird für Westernkotten Frau H. Mönnig vorgeschlagen; Offerten über Kohlebezug sollen wieder eingeholt werden. 21.8.: Beratung über Frost- und Dürreschäden, die Unterrichtszeiten an den ländlichen Fortbildungsschulen, Düngekalkbestellung und Obstbaumpflanzungen.

22.1.1931: 25-Jahr-Feier bei Dietz mit Festrede von Landwirtschaftsrat Schmidt, einem Theaterstück und einer sog. Damenrede. „Der Lehrer Erich Riekenbrauck ehrte die anwesenden Damen durch eine von Ernst und Scherz durchsetzte, inhaltvolle Rede und schloss mit einem dreifachen Hoch auf die Damen.“[16] 26.4.: Erneute Ablehnung des geplanten Lörmecke-Wasserwerkes. 22.7.: Diskussion über Jagdpacht; 30.8. gemeinsam mit nichtlandwirtschaftlichen Pächtern will man gegen die zu hohen Pachten der Herren von Papen und von Landsberg vorgehen.

21.2.1932: Josef Besting wird zum Nachfolger von Leo Jesse gewählt, nach-dem dieser sein Amt niedergelegt hatte. Themen am 18.4.:Einheitsbewertung, gemeinschaftlicher Bezug von Bindegarn, Kohlen und Thomasmehl. Am 22.5.: Richtsätze für Arbeitspersonal, Stutenschau, Bericht aus dem Kreisverein, Vorstellung des neuen Kreistierarztes Dr.Wintermann; Widerspruch gegen Einheitswert. 12.6. Vortrag von Dr.Wartenhorst über die Einheitswerte, drei Tage später findet eine Begehung der Feldflur mit der Möglichkeit von Einsprüchen statt. Am 30.10. geht es u. a. um die Maut- und Klauenseuche. Sodann heißt es im Protokoll: „Um das Hamster- und Bettlerunwesen zu steuern, werden Wandergutscheine zu 2,5 und 5 Pfennig ausgegeben, die bei den Ortsbehörden zu haben sind.“

22.1.1933: Informationen über Ergebnisse von eingerichteten Versuchsringen.

2.3. Landwirtschaft und Landwirtschaftlicher Ortsverein in der Zeit des Nationalsozialismus

Einen gewaltigen Einschnitt brachte das Jahr 1933 durch eine zwangsweise Umorganisation aller landwirtschaftlichen Organisationen und Institutionen durch den Reichsnährstand. Zunächst ist aber in den Protokollen des Ortsvereins Westernkotten nur indirekt etwas vom Machtwechsel am 30.1.1933 zu spüren. So findet die erste Versammlung danach am 15.2.1933 statt. Hier wird ohne nähere Begründung festgestellt, dass der bisherige erste Vorsitzende Josef Besting sein Amt niedergelegt hat und die Versammlungen bis zur Neuwahl im nächsten Jahr vom stellv. Vorsitzenden Anton Otto geleitet werden. Sodann geht es um die Aufstellung von eigenen Kandidaten für die Gemeinderatswahl. Man einigt sich darauf, die Kandidaten zu übernehmen, die auf einer eigenständigen „Bauernversammlung“ – also keine offizielle Versammlung des Ortsvereins – nominiert wurden, und zwar Bernhard Heithoff, Josef Pieper, Anton 0tto, Josef Schulte, Josef Gudermann und Franz Erdmann. Kurios das Abstimmungsergebnis, wie es das Protokoll wiedergibt: „Der Antrag wurde mit 32 gegen 4 Stimmen angenommen. Bei der Gegenprobe stimmen 27 für den Antrag bei 9 Stimmenthaltungen.“ Alsdann legt auch Wilhelm Hollenbeck sein Amt als Kassierer nieder, zum Nachfolger wird einstimmig Bernhard Heithoff gewählt. Hierin scheinen sich der Machtwechsel in Berlin und die Auswirkungen vor Ort ebenfalls niederzuschlagen.

Es schließt sich ein Lichtbildervortrag von Diplom-Landwirt Schüttert über Kaltblutzucht und die Vorbereitung von Pferden für den Verkauf an.

Am 11.3.1933 geht es um die Bestellung von Düngekalk vom Weißkalkwerk Brilon und von Bindegarn. Dieses wird ab Mai bei Gebrüder Köneke und Josef Niggenaber zu je 45,5 Pfennig das Kilo gekauft. Es folgt ein Hinweis, dass Baron von Papen, dem die meisten Ländereien in der Gemarkung Westernkotten gehörten, eine Abordnung der Bauern empfangen will, um über Pachtverringerung zu diskutieren. Dieses Thema steht in den folgenden Sitzungen noch häufiger auf der Tagesordnung.

Am 30.3. 1933 hält Zuchtinspektor Böingh aus Münster einen Lichtbildervortrag über Fütterung und die Entwicklung der schwarzbunten und rotbunten Zucht. Überhaupt spielte die Fortbildung in diesen Jahren im Ortsverein eine große Rolle.

Am 14.5.1933 werden vor allem Informationen über regionale Ausstellungen und Tierschauen gegeben, so am 19. Juli eine Kreistierschau in Erwitte und am 8. Juni eine Bezirkstierschau in Paderborn. Im Protokoll vom 3. Juli 1933 ist dann erstmals von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der neuen Regierung die Rede: laut Landrat Dr. Malzbender und Gemeindevorsteher Josef Pieper sollen 50 Arbeitslose Steine aus der Pöppelsche brechen und damit die Wirtschaftswege Holzweg, Berger Weg (heute Sauerländer Weg) und den Weg von Erdmann zur Kreisstraße nach Erwitte (heute Schäferkämper Weg) ausbauen, die Bauern sollen dafür kostenlos die Steine anfahren, da sie ja ein Interesse an gut ausgebauten Wegen hätten. Das stößt nicht auf ungeteilte Zustimmung unter den Landwirten, zumal in der Ernte jede Hand gebraucht wird. Weiter Themen dieser Versammlung sind dann noch die Landhilfe (Erntehelfer), der „ständische Aufbau der Bauernschaft“ sowie Einheitswert, Haftpflichtangelegenheiten und Kohlebezug.

Mitte des Jahres ist dann aber die Umwandlung der gesamten landwirtschaftlichen Organisation weithin abgeschlossen.

Protokollant Heinrich Eickmann, gleichzeitig auch einer der ersten Heimatgeschichtsforscher in Westernkotten, schreibt dazu im Protokollbuch III:

„Alsbald nach der Machtübernahme der Regierung Hitler ist das gesamte landwirtschaftliche Organisationswesen auf eine völlig neue Grundlage gestellt worden. Die Landwirtschaftlichen Orts-, Kreis und Hauptvereine, der Westfälische Bauernverein, der Reichslandbund und der Westdeutsche Bauernbund sind aufgelöst. Die gesamte Landwirtschaft ist nunmehr im Reichsnährstand einheitlich zusammengefasst. Nach unten hin ist der Reichsnährstand in die Landes-, Kreis- und Ortsbauernstände gegliedert. An der Spitze der einzelnen Gliederungen steht der Bauernführer. Diesem sind drei Unterführer zur Seite gestellt. Der erste bearbeitet das wirtschaftspolitische Gebiet, der zweite das technische und der dritte das genossenschaftliche Gebiet. Im Ortsbauernstand Westernkotten ist Bauernführer Josef Pieper, Abt.. 1: Bernhard Heithoff, Abt. 2: Anton Otto, Abt. 3: Josef Deimel. Außerdem ist Herr Eickmann zum Schriftführer bestimmt. Kreisbauernführer ist Hense-Sengeling, Norddorf, Stellv. Henkelmann, Klieve, Abt. I: Koch Schulte, Bökenförde, Abt. II: Henke, Ellingerhof bei Rüthen, Abt. III: Schulte-Frielinghaus, Benninghausen.“

Rein äußerlich ist in den folgenden Protokollen wieder festzustellen, dass Protokollant Eickmann die alten deutschen Namen für die Monate verwendet wie Hartung für Januar, Brachet für Juni, Heuert für Juli, Ernting für August, Gilbhard für Oktober, Nebelung für November und Christmond für Dezember. Ein wichtiger Eingriff in die Grundrechte der Bauern war das sog. Reichserbhofgesetz vom 29.9.1933. In dessen Präambel heißt es: „Die Reichsregierung will unter Sicherung alter deutscher Erbsitte das Bauerntum als Blutquelle des deutschen Volkes erhalten. Bauernhöfe sollen vor Überschuldung und Zersplitterung im Erbgang geschützt werden, damit sie dauernd als Erbe der Sippe in der Hand freier Bauern verbleiben.“[17] Folgende Bestimmungen aus dem Gesetz sind besonders wichtig:

sämtliche Höfe von 7,5 ha bis 125 ha fallen unter dieses Sondergesetz, in Westfalen allein mehr als 37 000.

Nur deren Eigentümer dürfen sich „Bauern“ nennen, Kötter und Heuerlinge sowie Großgrundbesitzer waren fortan „Landwirte“.

„Erbhöfe“ durften weder verkauft noch zwangsversteigert werden.

Eine Vererbung darf nur ungeteilt erfolgen.

Die Erbfolge war genau geregelt und bevorzugte die männlichen Erben, schwierig etwa, wenn „nur“ Töchter geboren waren..

Ein Erbhof durfte nicht mit Hypotheken belastet werden, schwierig, wenn man zum Beispiel teure Maschinen auf Kredit anschaffen wollte. Andererseits stellten aufgrund dieses Passage manche Bauern Abfindungen an Kinder usw. ein.

Alles lief darauf hinaus, die Kontinuität eines Hofes – im Sinne der Blut-und-Boden“-Ideologie – über Generationen in der Hand einer „Sippe“ zu sichern. Vor 1933 gehörte der Erbhof dem Bauern, jetzt gehörte der „Erbhofbauer“ zum Hof, als „Treuhänder seiner Sippe“. Wer nicht ehrbar war oder den Verpflichtungen (des Staates) nicht nachkam, konnte „abgemeiert“ werden, ein Rechtszustand, der Anfang des 19. Jahrhunderts im Zuge der „Bauernbefreiung“ abgeschafft worden war, als die Grundherren befugt waren, ihren Untertanen Nutzungsrechte für Hof und Acker zu entziehen.

In Westernkotten wurden 33 Höfe zur Eintragung in die Erbhofrolle vorgesehen (in Klammern die Hofstättennamen):

Anton Schulte (Domhof)

Anton Schulte (Berendwilm)

Franz Göbel (Göbel)

Josef Pieper (Rüsing)

Josef Spiekermann (Dröge)

Franz Westerfeld (Albur)

Wilhelm Hollenbeck (Balshof)

Josef Göbel (Kucham)

Franz Erdmann (Plaßbur)

Bernhard Heithoff (Frickemeier)

Josef Hoppe (Wieneke)

Adolf Schröer (Schäperhahne)

Anton Kemper (Bonemeyer)

Heinrich Mönnig (Weringhof)

Heinr. Eickmann (Stratmann)

Franz Hoppe (Nucke)

Witwe Theodor Gerling (Kaltnershof)

Lorenz Meyer (Bombardier)

Josef Westerfeld (Löper)

Leo Jesse (Jessenhof)

Engelbert Spiekermann (Jöster)

Josef Pilk (Kolle)

Franz Schütte (Valentin)

Witwe Adolf Büker (Vahlhaus)

Witwe Franz Rieke (Büker)

Josef Buxhoidt (Brülle)

Franz Mintert (Suern)

Witwe Franz Hollenbeck (Coers)

Josef Schrop (Lindenhof)

Josef Besting (Besting)

Johannes Schäfer (Wulwes)

Witwe Bernhardine Gudermann (Humbold)

Josef Deimel (Steinhögger).[18]

In der Versammlung am 15.10.1933 wird auf die neu zu erwerbende Mitgliedschaft im Reichsnährstand hingewiesen. Versäumte Anmeldungen können mit bis zu 1000 RM Strafe geahndet werden. Ab dm 1. November erscheint die NS-Zeitung „Westfälischer Bauernstand“, die Pachteinigungsämter werden aufgelöst und dem Landesbauernstand unterstellt, „die Volksschulen und etwaige Ländliche Fortbildgungsschulen in der Gemeinde unterstehen dem Ortsbauernführer; alles Maßnahmen im Rahmen der sog. Gleichschaltung.

In der Zusammenkunft am 26.11.1933 geht es erneut um die zu hohen Land- und Gartenpächte des Herrn von Papen, die „zum Teil 200 % der Friedenspacht betragen“, wobei aber mit dem Vertreter des Barons, Rentmeister Otto Eickenscheidt, weiterhin keine Einigung erzielt werden kann. Nun will man ggf. die Pachtzahlungen einfach aussetzen. Sodann stimmt Gastredner Dr. Wartenhorst aus Lippstadt die Versammlungsteilnehmer kräftig auf die neue Ideologie ein. Interessant vor allem auch die vorgenommenen Verdrehungen der Geschichte. Dazu das Protokoll: „Das dolle Durcheinander und Gegeneinanderarbeiten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Syndikus und Arbeitersekretären. Deutschland, das Land der Bauern, wurde zum Industrieland. Daher seit 1882 ständiger Rückgang der Landwirtschaft. Durch die steigende Ausfuhr zogen wir uns den Neid anderer Staaten besonders Englands zu. Die Folge davon war der Weltkrieg. Im Kriege bauten andere Staaten, besonders auch Japan, ihre eigene Industrie auf, so dass nach dem Kriege die Ausfuhr fast völlig stockte, und nur mehr auf dem Rücken der Landwirtschaft notdürftig aufrecht erhalten wurde. Die Folge war eine Verelendung der Massen, die in der Industrie keine Beschäftigung mehr fanden. Darum, und auch um ein allmähliches Aussterben Deutschlands zu verhindern, will Adolf Hitler Deutschland wieder zum Agrarstaat machen. In den 4 Monaten der Regierung Hitler ist der ständige Aufbau der Landwirtschaft beendet, ist der Vollstreckungsschutz, das Entschuldungsgesetz und das Reichserbhofgesetz in Kraft getreten. Ferner sind die Festpreise für Getreide geschaffen. Darum muss jeder Bauer bei der Volksabstimmung mit ja und bei der Reichstagswahl für die NSDAP stimmen. – Der Bauernführer sprach dem Redner seinen und der Versammlung Dank aus.“

Die Versammlung klingt dann ganz profan aus: Wegen der großen Mäuseplage werden in einer Sammelbestellung Giftweizen und 5 „Legeflinten“ geordert.

Am 28.11.1933 werden alle Bauern zur Großkundgebung am 2.12. nach Hamm mit Reichsernährungsminister Darré eingeladen. Die Steine für den Verbindungsweg von Erdmann zur Straße nach Erwitte sollen in Kürze angefahren werden, für den Holzweg nach Weihnachten.

„Zweck Aufstellung der Erbhöferolle kommt das Anerbengericht nach hier“, heißt es im Protokoll vom 16. Christmond 1933. Vorher findet noch eine Informationsveranstaltung statt, und zwar am 27. Hartung 1934.

Im Januar 1934 wird dann noch über die Verpflichtung, alle nicht an Direktverbraucher verkauften Eier an eine zentrale Eiersammelstelle Lippstadt abzugeben, informiert. Pro Ei gibt es 0,2 Pfennig. Für Jungen aus der Stadt soll ein Landjahr eingerichtet werden; tagsüber sollen die Jungen in der Landwirtschaft arbeiten und in einem Lager untergebracht werden.

Am 15. Hornung 1934 fand die Versammlung des Bauernstandes wieder als Pflichtveranstaltung statt. Landwirtschaftsrat Ostendorf aus Lippstadt referierte über das Programm der Reichsregierung und den Bauernstand: „Der Redner sprach zunächst über die nordischen Völker, die als Siedlervölker immer schöpferische Aufbauarbeit geleistet haben, und als Pioniere der Kultur tätig waren. Im Gegensatz dazu schilderte er dann die Nomadenvölker wie Hunnen, Kirgisen, Mauren, Juden, die anfangs Hirtenvölker, später Raubvölker wurden. Gegen die letztgenannten Rassen wollen wir uns schützen, indem wir unsere Rasse und unser Blut rein erhalten. Da dieses aber nur in Verbindung mit dem Boden geschehen kann, sehen wir das Bemühen der Reichsregierung Deutschland wieder zum Agrarstaat zu machen. Zu diesem Zwecke ist auch das Reichserbhofrecht geschaffen. Dahin gehören auch eine großzügige Siedlungspolitik, die den nachgeborenen Bauernsöhnen den Erwerb einer eigenen Scholle ermöglichen soll. Der Redner sprach dann noch über den Anbau von Raps und Lein…“. Am 11.4.1934 werden Abzeichen für den Reichsnährstand verteilt; SA-Männer sollen sich im Ort erholen, es wird um Quartiere nachgesucht. Flachs sollte angebaut werden, aber kein Bauer hat Interesse.

Anfang Mai 1934 verfügt dann das Pachteinigungsamt in Lippstadt, dass an von Papen nur die Pacht in Höhe der Jahre 1912-13 gezahlt werden muss; Rentmeister Eickenscheidt hatte nur einen Nachlass um 10 Prozent zubilligen wollen. Die festgesetzte Pacht muss bis 25. Mai nebst Zinsen an die Renteikasse gezahlt werden. Hiergegen legt der Rentmeister allerdings Berufung vor dem Landgericht Paderborn ein. – 1000 Zentner Thomasmehl werden vom Kornhaus Erwitte bestellt. – Das Anfahren von Steinen für den Wirtschaftswegebau ist nun rechtlich geregelt. Eine Vergabe erfolgt in den nächsten Tagen. Für ein Kubikmeter Steine werden 0,80 RM gezahlt. – Für die „Mäusevertilgung“ sollen laut dem Protokoll vom 23.9.1934, durch das FAD Lipperode 30 Mann zum Zutreten der Mäuselöcher zur Verfügung gestellt werden. Dazu kommen von der Apotheke Erwitte bezogene Delizia-Giftkörner zum Einsatz. – Von der diesjährigen Getreideernte sollen  30 % des Roggens und 25 % des Weizens abgeliefert werden. Der Festpreis für Esskartoffeln beträgt 2,55 RM zuzüglich 14 Pfennig Zuschlag für die Kreiskartoffelstelle. – Für das Erntedankfest wird ein Festausschuss gebildet. „22 Uhr schloss der Ortsbauernführer mit einem dreifachen „Sieg Heil“ auf den Führer die Versammlung.“

Hier brechen dann die Protokolleinträge für die NS-Zeit ab. Es bleibt unklar, ob keine Versammlungen des Ortsbauernstandes mehr stattgefunden haben oder nur keine Protokolle mehr geschrieben wurden. Vermutlich ist ersteres der Fall, denn was sollte noch diskutiert werden in einem Führerstaat, in dem alles auf die Vorbereitung der Kriegswirtschaft hinauslief. Und während des Krieges war an Versammlungen sowieso kaum zu denken.

2.4. Nachkriegszeit bis 1975

Zur allgemeinen Entwicklung sollen hier nur einige Stichworte genannt werden:

  • Wenngleich das Land im Gegensatz zu den Städten weniger unter Bombardierung zu leiten hatte, lagen auch in Westernkotten nach dem Ende des 2. Weltkrieges einige Höfe ganz oder teilweise in Schutt und Asche (z. B. Hof Kleeschulte, Osterbachstraße).
  • Viele Männer waren im Krieg getötet worden und im Juni 1945 fiel einem britischen Journalisten auf, „dass so viele Frauen und Kinder so fieberhaft auf den Feldern arbeiten, dass viele Frauen schwarz gekleidet sind und man so wenig Männer sieht.“[19]
  • Die Felder waren ausgelaugt und der Tierbestand hatte unter der Kriegswirtschaft erheblich gelitten. Und Viehbestand und Felderträge sanken bis 1947 auf einen katastrophalen Tiefstand.[20] Es fehlte insbesondere an nötigen Düngemitteln und geeignetem Pflanz- und Saatgut. Auch die Landmaschinenproduktion kam erst langsam wieder in Schwung, da sie bereits 1942 eingestellt und auf Kriegsproduktion umgestellt worden war.
  • Die britische Militärregierung setzte die Lebensmittelbewirtschaftung des Krieges fort, die Verbraucher bekamen weiterhin Lebensmittelkarten, die Bauern Ablieferungsbescheide.
  • Besonders im Frühjahr und Sommer 1945 waren überall Menschen unterwegs, die der Krieg entwurzelt hatte: Flüchtlinge, Vertriebene, Evakuierte, Kriegsgefangene, Hamsterer, die ersten Heimkehrer…
  • Auf den Höfen musste zumeist nicht gehungert werden, aber Reibungen und Spannungen in dieser „Hamster- und Schwarzmarktzeit“ blieben nicht aus. Vor allem im „sibirischen Winter“ 1946/47 war die Hungersnot in Deutschland besonders groß.
  • Gewalttaten und Rache befreiter Zwangsarbeiter bestimmten auch in Westernkotten kann wesentlich die ersten Wochen nach Kriegsende.
  • Auch in der Bauernschaft standen „Säuberungen“ an: Belastete Parteimitglieder wurden aus ihren Ämtern entfernt. 1947 wurde in Westfalen der Landwirtschaftsverband (Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband, WLV) als Interessenvertretung der Bauern gegenüber Staat und Gesellschaft gegründet, dem sich die neu gegründeten Ortsvereine anschlossen. Daneben entstanden am 17. und 18.11. 1949 aus der Landesbauernschaft die Landwirtschaftskammern Rheinland und Westfalen-Lippe als Organe der Selbstverwaltung. Der gesetzliche Auftrag der Kammern lautete, „die Landwirtschaft und die in ihr Berufstätigen zu fördern und zu betreuen.“[21] Aus Lippstadt nahm an der Gründungsversammlung in Münster Kreislandwirt Pehle teil. – Auch die Landfrauenarbeit wurde Zug um Zug wieder aufgebaut.
  • Am 20. Juni 1948 brachte die Währungsreform mit 40 DM „Kopfgeld“ endlich wieder Schwung in die Gesamtwirtschaft. Auch hier gab es viele Verlierer, aber ebenso zahlreiche Gewinner dieses Währungsschnitts. Obst, Gemüse und Eier konnten fortan wieder frei gehandelt werden, Getreide, Fleisch und Milch mussten die Bauern allerdings weiter abliefern. Die Preise stiegen aufgrund der hohen Nachfrage schnell, die Geldmenge war aber bewusst knapp gehalten.
  • 1947 bis 1949 stand die Bodenreform in NRW an, die britische Militärregierung sah die Großgrundbesitzer als eine Quelle für den Nationalsozialismus an.
  • In den 1950er und 1960er Jahren fand der größte Strukturwandel in der Landwirtschaft statt: vielseitige Mischbetriebe, wie sie um 1950 noch typisch waren, wandelten sich in hoch spezialisierte Fachbetriebe; Mägde, Knechte und Heuerlinge verschwanden mehr und mehr von den Höfen; im Rahmen von Flurbereinigungen entstanden größere, maschinengerechte Schläge; befestigte Wirtschaftswege lösten Trampelpfade, Gras- und Hohlwege ab, befestigte Land- und Kreisstraßen führten durch den Ortskern, wo sich auch das Sozialgefüge mehr und mehr änderte; die Zahl der Bauernhöfe sank („Wachsen oder Weichen“): 1949 wurden in Westfalen-Lippe rund 170 000 landwirtschaftliche Betriebe gezählt, 20 Jahre später waren es nur noch 103 000[22]; enorme Produktionssteigerungen vor allem durch verbesserten Pflanzenschutz, bessere Düngung und verbessertes Pflanzgut sowie die Einführung vielseitiger Schlepper, die zunehmend Pferde und Zugochsen ersetzten; mit dem Schlepper eroberten auch andere Geräte die Bauernhöfe wie Ackerpflüge, Düngerstreuer, Drillmaschinen, Miststreuer und dergleichen; selbstfahrende Mähdrescher setzten sich bis Ende der 1960er Jahre gegenüber dem Schlepper gezogenen Mädresch-Binder durch; ökologische Probleme; Agrarüberschüsse und Eingriffe in den Markt durch die nationale und europäische Landwirtschaftspolitik…

Aus den Protokollen des Vereins sind folgende Ereignisse besonders erwähnenswert:

Am 30.12.1946 wird Heinrich Eickmann zum Nachfolger von Josef Jacobi gewählt, der aber „Ortsbauernvorsteher“ (später Ortslandwirt) bleibt. Die Landwirte werden über die Auflösung des Reichsnährstandes und die Gründung des WLV informiert. Im Protokoll vom 30.4.1947 ist vermerkt, dass eine Eingabe wegen zu hoher Quoten bei der Ablieferung von Getreide gemacht werden soll. Am 24.11.1947 hält Landwirtschaftsrat Schüttert einen Vortrag über Fütterungsfragen.

Am 26.9. 1948 geht es um die Aufstellung geeigneter Kandidaten bei der anstehenden Kommunalwahl am 17.10. Geschäftsführer Helmig vom Kreislandwirtschaftsverband hält am 25.11. einen Vortrag über die Lage der Weltwirtschaft und den Marschall-Plan.

1949 berät man zusammen mit Bürgermeister Rieke die Anschaffung einer neuen Turmuhr auf dem Kirchturm.

Am 16.11.1950 wählte die Versammlung Leo Jesse zum Vorsitzenden, der dieses Amt 27 Jahre lang bekleidete.

Am 13.4.1951 ist von einem zunächst erfolgreichen Protest gegen die Erhöhung der Grundsteuer A von 110 auf 150 Prozentpunkte die Rede. Am 23.11.1951 hält Oberlandwirtschaftsrat Dr. Berghoff einen Vortrag über künstlich getrocknete Futtermittel und den Bau arbeitssparender Silos.

Landwirtschaftsrat Behrend spricht am 17.2. 1952 über Kartoffelanbau.

Am 30.12.1953 ist Bürgermeister Josef Westerfeld zu Gast. Mit ihm berät die Versammlung über die Unterhaltung der Wirtschaftswege. Es folgen Informationen über Steuerbefreiungen bei der Anschaffung von Treckern. Anschließend gibt es heftige Auseinandersetzungen über angeblich ungeeignete Kandidaten für die letzte Kommunalwahl.

Am 27.2. 1954 folgt ein Vortrag von Dr. Kerkhoff über die Marktwirtschaft. Am 17.11.1954 spricht sich die Versammlung gegen die Einführung einer Müllabfuhr in der Gemeinde aus, da sie für die Landwirtschaft wenig sinnvoll ist und die Landwirte ihren Müll selbst abfahren bzw. entsorgen können. Am 8.12. wird die Bonitierung der Feldflur durch das Katasteramt kritisch beraten. Und noch ein interessantes Thema steht auf der Tagesordnung: Die mögliche Anschaffung einer „Waschanstalt“ für Westernkotten zur „Entlastung und Zeitersparnis der Hausfrau“.

Die Einbeziehung italienischer Arbeitskräfte wird am 17.11. 1955 beraten.

1956 geht es wieder um die Benennung von Kandidaten für die Kommunalwahl. Für die CDU sollen aus den Reihen der Bauern Josef Westerfeld und Leo Jesse kandidieren. Mit dem 5.12.1956 enden die Protokolle und finden erst mit einem Protokoll von 1976 ihre Fortsetzung.

2.5. Entwicklungslinien und Ereignisse von 1975 bis heute

Zum 1.1.1975 trat die kommunale Neuordnung in Kraft. Damit kam das Gebiet nördlich der Gieseler bis zum Suckeweg, das bisher zu Lippstadt gehört hatte, zur Stadt Erwitte bzw. zur Gemarkung Bad Westernkotten. Damit gelangten auch die Höfe Hoppe-Kloßebaum, Nordstraße 43 (Westernkötter Warte), und Schäfermeier, Nordstraße 55 (1964/65 aus der Aspenstraße 10 nach hier ausgesiedelt) in den Bereich von Bad Westernkotten.

An allgemeinen Entwicklungen in diesen letzten 30 Jahren sind insbesondere zu verzeichnen[23]:

  • Zahlreiche Höfe haben aufgrund des Fehlens eines Hoferben, eines zu geringen Eigenlandanteils, zu geringen Eigenkapitals, des allgemeinen Preisverfalls für viele landwirtschaftliche Produkte oder fehlender Expansionsmöglichkeiten ihren Betrieb eingestellt.
  • Dies lässt sich auch an der Mitgliederzahl des Landwirtschaftlichen Ortsvereines ablesen. Hatte der Verein 1940 noch 60 Mitglieder, so waren es 2002 nur noch 30 (davon zahlreiche ehemalige Landwirte). So kam es auch dazu, dass sich dem Ortsverein 1998 die Landwirte aus Eikeloh anschlossen. Und 2005 löste sich der Landwirtschaftliche Ortsverein Bad Westernkotten-Eikeloh dann seinerseits auf und schloss sich dem Verein „Erwitte und Umgebung“ an.
  • Aufgrund des Kurortes mit seinem Heilbadstatus werden an die Emissionen der Landwirtschaft hohe Anforderungen gestellt. Die Interessen der Intensivlandwirtschaft und des Heilbades lassen sich nur begrenzt unter einen Hut bringen, so dass im Ortskern bis auf den Hof Westerfeld, Wolfsangel 5, der aber keine intensive Viehhaltung mehr betreibt, alle Höfe verschwunden sind.
  • Die im Ort verbliebenen ehemaligen Hofstellen wurden zum Teil flächensaniert bzw. überplant und durch neue Gebäude ersetzt (ehemaliger Hof Westerfeld, Schützenstraße, ehemaliger Hof Göbel, Hockelheimer Weg 5, ehemaliger Hof Hoppe, Salzstraße = jetzt Kurhotel Grüttner…). Jüngstes Beispiel wird der Hof Jesse, Aspenstraße 5, sein, wo eine Service-Wohnanlage entstehen wird. In einigen Fällen ist es der Politik gelungen, dass zumindest die Gebäude des Hofes nicht abgerissen, sondern für Wohnzwecke bzw. eine gewerbliche Nutzung (Café Gerling, LVM-Büro Eickmann) umfunktioniert wurden. So kann heute noch die alte Gehöftstruktur abgelesen werden (zum Beispiel ehemaliger Hof Schrop, Aspenstraße 36; ehemaliger Hof Pilk, Nordstraße 24; ehemaliger Hof Eickmann, Weringhauser Straße, ehemaliger Hof Erdmann, Aspenstraße 46; ehemaliger Hof Eickmann, Weringhauser Straße…).
  • Einzelne Höfe konnten erfolgreich ausgesiedelt werden (Hof Hoppe-Nucke, Nordstraße 57, ehemals Salzstraße 15), andere verlagerten zumindest Teile der Produktion (Schweinemastställe usw.) in den Außenbereich (Hof Deimel, Am Zehnthof 2; Hof Mintert, Hockelheimer Weg 20; Weringhoff, Weringhauser Straße…).
  • Andere Höfe, die nach dem 2. Weltkrieg aussiedelten, sind mittlerweile durch die expandierende Wohnbebauung wieder eingeholt worden (u. a. die ehemaligen Höfe Gerling, Schäferkämper Weg; Schröer und Schütte-Rixmeier, Westerntor; Wieneke, Antoniusstraße; Schäfer-Jacobi, Lindenstraße…).
  • Weithin landwirtschaftlich geprägt ist noch der südlich Bad Westernkotten vorgelagerte „Ortsteil“ Schäferkamp. Hier befinden sich noch vier Vollerwerbsbetriebe. Zahlreiche ehemalige Scheunen und Stallungen stehen aber auch hier mittlerweile leer, und es bedarf eines besonderen städtebaulichen Fingerspitzengefühls, hier eine behutsame Umnutzung zu gestalten.
  • Einige Höfe haben sich neben der Landwirtschaft weitere wirtschaftliche Standbeine geschaffen, etwa durch den Bau von Mietwohnungen, die Nutzung alternativer Energien oder das Betreiben von Pensionen und Ferienwohnungen.
  • Durch die expandierende Wohnbebauung im Heilbad Westernkotten (derzeit ca. 4200 Einwohner, seit dem 2. Weltkrieg verdreifacht) konnten zahlreiche Flächen für Wohnbauzwecke zur Verfügung gestellt werden. Auch der Erwitter Zementindustrie mit ihrem Flächenbedarf für Abbaugelände von Kalkstein fielen zahlreiche landwirtschaftliche Flächen zum Opfer. Spektakulär hier vor allem der komplette Verkauf des südlichsten Hofes der Gemarkung, des Domhofes, an ein Zementwerk Ende der 1990er Jahre.
  • Derzeit gibt es noch die folgenden neun Vollerwerbsbetriebe in der Gemarkung Bad Westernkotten, die sich alle entweder im Außenbereich und auf dem ländlich geprägten, am Südrand des Ortes liegenden Schäferkamp befinden:
  • o Deimel, Am Zehnthof 2
  • o Hoppe-Klossebaum, Nordstraße 43
  • o Hoppe-Nucke, Nordstraße 57
  • o Jakobi, Erwitter Warte 1
  • o Mintert, Hockelheimer Weg 20
  • o Mönnig, Weringhauser Straße 2700,
  • o Ostermann, Laarweg 31
  • o Schäfermeier, Nordstraße 55
  • o Westerfeld, Hockelheimer Weg 15
  • Im Nebenerwerb sind noch die acht Landwirte Hollenbeck-Bals, Schrop, Josef Erdmann, Josef Schäfer, Josef und Franz Westerfeld, Franz-Josef Brock, Franz-Josef Schütte und Theo Gerling tätig.

Aus der Geschichte des Ortsvereins sind die folgenden Aspekte erwähnenswert[24]:

Im Februar 1976 fand die Feier des 70-jährigen Bestehens im Rahmen des traditionellen Winterfestes statt. Zu Beginn des Abends wurde der Vorsitzende Leo Jesse für seine 25-jährige Tätigkeit als Vorsitzender vom Geschäftsführer des Kreisverbandes, Engeln, sowie dem Geschäftsführer des Ortsverbandes, Franz Mintert, geehrt. Dabei fand besonders das Engagement Jesses im Kreisverband Erwähnung. Festredner Engeln ging auf die Umbenennung des Ortsvereins in „Ortsverband“ ein und erläuterte die nötigen Satzungsänderungen.

Weitere Ehrungen erhielten Josef Hoppe-Nucke und Josef Westerfeld. Nach einem gemütlichen Abendessen mit Ehrengästen aus der Verwaltung und dem Spar- und Darlehenskassenvorstand sorgte eine Kapelle für fröhliche Stunden.[25]

1977 legte Leo Jesse nach 27 Jahren als Vorsitzender das Amt in jüngere Hände. Sein Nachfolger als Ortslandwirt und Vorsitzender des Ortsvereins wurde Josef Gudermann, sein Stellvertreter Josef Schäfermeier.

Die Bullenhaltungsgenossenschaft konnte 1978 ihr 50-jähriges Bestehen feiern. Geschäftsführer dieser Genossenschaft war in den ersten 20 Jahren Ferdinand Günnewig, seit 1948 Wilhelm Gerling. Bullenhalter im Jubiläumsjahr war Fritz Vorderwülbecke. In den besten Jahren hatte die Genossenschaft 48 Mitglieder, im Jubiläumsjahr waren es 15. [26]

Am 10. Juli 1979 fand gemeinsam mit den Ehepartnern ein Ausflug zum Schlachthof Westfleisch und zum Haus Düsse statt.

Am 10.1.1980 hielt Rechtsdirektor Ludwig Mintert, Hardehausen, im Saale Dietz-Köthemann einen Vortrag zum Thema „Testament und Übergabe“.

1981 feierten die Landwirte das 75-jährige Bestehen des Ortsverbandes. Dazu heißt es im Heimatbuch: „Die Geselligkeit kam und kommt gleichermaßen nicht zu kurz. So wurde im Jahre 1910 zum ersten Mal und seitdem viele Male ein Winterkränzchen (Winterfest) gefeiert. Besonders in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg standen plattdeutsche Theaterstücke im Mittelpunkt so mancher Versammlung. Bei der Feier des 75jährigen Bestehens des Vereins am 11. Februar 1981 lebte diese Tradition wieder auf, als eine Kunstkuh auf die Bühne gebracht wurde, die nicht nur Milch geben konnte, sondern auch noch die Melkerin Kattrin (Albertine Lange) vom Melkschemel katapultierte.“[27] Ebenfalls im Jahr 1981 fand ein dreitägiges Seminar im Gasthof Sarnowski zum Thema „Buchführung“ statt. 40 Personen haben daran teilgenommen. Im Juli stand eine Besichtigung des Werkes „WZG Kraftfutter“ in Minden sowie ein Besuch des Schiffshebewerkes auf dem Programm.

Am 10.2. 1986 konnte das 80-jährige Bestehen gefeiert werden. 60 Personen waren anwesend. Die Musik führte eine Ein-Mann-Kapelle aus Schallern aus, und auch ein Alleinunterhalter war eingeladen. Als Ehrengäste konnte Vorsitzender Josef Gudermann Ortsvorsteher Beste und von der Volksbank die Herren Plümpe und Fulhorst mit ihren Frauen begrüßen.

1987 engagierte sich der Ortsverband gegen seiner Meinung nach zu hohe Einheitsbewertung der landwirtschaftlichen Flächen und schaltete sogar den Petitionsausschuss des Landtages ein, leider ohne Erfolg.[28] Im Ablehnungsbescheid vom 3.9.1987 wird unter anderem auf die relativ hohe durchschnittliche Ertragsmesszahl von 62 hingewiesen.

Am 19.5. nahmen die Landwirte Pilk, Schröer, Schütte und Jesse an einer Demonstration in Brüssel teil. Anschließend konnten sich die Demonstranten der Tage

Am 3. Juni 1987 beschloss die Versammlung auf dringendes Anraten der Geschäftsleiter der Volksbank, Groene und Plümpe, die Verpachtung der Warenabteilung der Volksbank an die WCG Kornhaus. Die Warenabteilung hatte zuvor Jahr für Jahr Verluste gemacht.[29]

Am 12.1. 1988 fand eine Versammlung zum Thema „Erbrecht“ mit Herrn Gerke vom WLV statt. 48 Personen waren anwesend. 21.6.: Besichtigung der Firma Bayer mit den Partnerinnen. Am 25.6. fand ein Grillabend am Feuerwehrgerätehaus statt. Am 1.9. wurden Maisfelder besichtigt.[30] Im Herbst diskutierten Vertreter des Landwirtschaftlichen Ortsverbandes mit der örtlichen SPD, die ein „Programm 2000″ aufstellte.[31]

Im Jahr 1998 erfolgte eine Neuorganisation des Ortsverbandes: Die Landwirte des benachbarten Ortsvereins Eikeloh schlossen sich dem hiesigen Ortsverband an, der sich fortan „Landwirtschaftlicher Ortsverein Bad Westernkotten-Eikeloh“ nannte.

In den Jahren 1999 bis 2003 war Hubert Schäfermeier Vorsitzender, sein Stellvertreter Hubertus Lohmann aus Eikeloh. Er erinnert sich, dass in dieser Zeit in der Regel nur eine Versammlung pro Jahr stattfand. Darüber hinaus fanden Fahrten statt, unter anderem zu den Firmen Westfleisch (Paderborn), Claas (Harsewinkel) und Amazone (Hasbergen). Interessen der Landwirte wurden auch bei Demonstrationen in Bonn, Düsseldorf und sogar Brüssel vertreten. Einmal war dafür sogar der komplette Hellweg blockiert.[32]

In der Mitgliederversammlung am 8.12.1999 informierte Herr Gerke vom WLV über die Themen Strompool, Milchquote und günstiges Telefonieren. An die Stadt Erwitte sollte ein Antrag gestellt werden, den Lipperweg auszubauen. Ein gemeinsam angeschaffter Schneckenkornstreuer steht allen Mitgliedern zur Verfügung.

Von 2003 bis 2005 war Heinz-Bernd Ostermann, Laarweg 31, Vorsitzender. Er erinnert sich daran, dass schon vor dieser Zeit immer wieder Diskussionen über eine Fusion mit dem Ortverband „Erwitte und Umgebung“ stattfanden, aber mal von der einen und dann von der anderen Seite abgelehnt wurden. „Es lohnt sich einfach nicht, einen Referenten zu besorgen, wenn nicht mindestens 15 aktive Landwirte an der Veranstaltung teilnehmen.“[33] Er erinnert sich, dass in diesen Jahren zum Beispiel Pflanzenschutzberater zu Gast waren, mit denen man auch auf den Ackerflächen Informationen ausgetauscht habe.

Die Chronik von Bad Westernkotten[34] für 2005 hält folgende Daten fest: 9.8.: Fast alle aktiven Landwirte treffen sich mit Vertretern der Stadt und Ortsvorsteher Wolfgang Marcus, um die Verkehrsberuhigungsmaßnahmen an der Aspenstraße zu inspizieren. Da ein Schlepper mit zwei Anhängern kaum durchkommt, wird die Stelle aufgeweitet.[35] – 10.11.: Versammlung und gemütlicher Abend des Landwirtschaftlichen Ortsvereins im Café Gerling mit Vortrag zum Naturschutz. Dabei wird auch die geplante Fusion mit dem Landwirtschaftlichen Ortsverein Erwitte diskutiert und einstimmig unterstützt. Die Entscheidung soll nun am 24.11. fallen. Gleichzeitig wird beschlossen, am Sonntag, dem 11.6. 2006 ein Fest bzw. einen Aktionstag zum 100jährigen Bestehen zu feiern. – Mitte November: Marlies Hoppe-Nucke wird als Vorsitzende des Landfrauenverbandes Erwitte wieder gewählt. Ortslandfrau für Bad Westernkotten bleibt Martina Schäfermeier, auf Anni Ostermann als Ortsvorsitzende folgt Agatha Ewers-Mönnig.[36] – 24.11.: Fusionsversammlung mit dem Landwirtschaftlichen Ortsverband Erwitte und Umgebung. Einstimmig wird der Fusion zugestimmt.[37]

Damit hat der Landwirtschaftliche Ortsverband nach nahezu genau 100 Jahren aufgehört, als eigenständige Organisation zu existieren. Die 100-Jahr-Feier am 11. Juni 2006 hat noch einmal an diese ereignisreichen Jahre erinnert und war all denen Landwirten, Frauen und Männern gewidmet, die die Landwirtschaft in unserem Ort beeinflusst und geprägt haben.

3. Ausblick

  • Nach meiner Auffassung wird das „Höfesterben“ in Bad Westernkotten nicht mehr im großen Umfang stattfinden. Die verbliebenen neun Vollerwerbsbetriebe sind nach meiner Einschätzung – als Nichtlandwirt – recht gut aufgestellt (Expansionsmöglichkeiten, Spezialisierung, Stabilisierung durch Ausweitung auf nichtlandwirtschaftliche Bereiche, Hofnachfolger…).
  • Alle Investitionen dieser Betriebe in eine nachhaltige Entwicklung für diese Betriebe sollten insbesondere von der örtlichen Politik wohlwollend, natürlich unter Berücksichtigung der Heilbadinteressen, begleitet werden.
  • Die Zukunft der Nebenerwerbslandwirtschaft ist im Wesentlichen abhängig davon, ob hier ausreichend Verdienstmöglichkeiten gegeben sind und geeignete und interessierte Nachfolger gefunden werden können.
  • Städtebaulich kommt es vor allem darauf an, auf dem Schäferkamp die Umstrukturierung behutsam voranzutreiben, ohne die bestehenden Betriebe zu beeinträchtigen.
  • Im Außenbereich ist insbesondere für ordentliche und gepflegte Wirtschaftswege und einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Naturschutzes, der Zementindustrie und der Landwirtschaft zu sorgen.

Anhang:

Vorsitzende des Vereins:

1906 – 1926   Leo Jesse

1926 – 1928   Heinrich Deimel

1928 – 1932   Leo Jesse

1932 – 1933   Josef Besting

1933 – 1945   Josef Pieper

1946              Josef Jakobi

1946 -1950    Heinrich Eickmann

1950 -1977    Leo Jesse

1977 -1986    Josef Gudermann

1987- 1993    Josef Schäfermeier

1993 – 1999   Josef Schütte-Rixmeier

1999 – 2003   Hubert Schäfermeier

2003 – 2005   Bernd Ostermann


[1] Die Akten des LW-Ortsvereins Bad Westernkotten wurden von mir im Frühjahr 2006 gesichtet und befinden sich nun in einem Depositalbestand im Stadtarchiv Erwitte; so sind noch drei Protokollbücher  vorhanden: Band I: 1906-1913, Band II: 1914-1928, Band III: 1928- 1986; darüber hinaus einige Einzelprotokolle

[2] Marcus, Wolfgang u. a. (Hg.) Bad Westernkotten. Altes Sälzerdorf am Hellweg, Lippstadt 1987

[3] die Titel finden sich im Folgenden in den Anmerkungen.

[4] Vgl. Bad Westernkotten…1987, S.132

[5] Ders., Die im 19. Jahrhundert am Salzwerk Westernkotten beteiligten Interessenten und Arbeiter; in: Internationales Jahrbuch für Salzgeschichte, Hall/Tirol 2001, S. 333-350

[6] vgl. Bad Westernkotten. Ein Heimatbuch, Lippstadt 1958, S. 52

[7] Abgedruckt u. a. in: Paderborner Hauptverein zur Förderung der Landwirtschaft (Hg.), 150 Jahre Paderborner Hauptverein zur Förderung der Landwirtschaft 1842-1992, Paderborn 1992, S. 21-25

[8] Gerke, Walter, Bericht über die Entwicklung im Raume Soest und Lippstadt, in: 150 Jahre Paderborner Hauptverein zur Förderung der Landwirtschaft, Paderborn 1992, S. 60-63, hier S. 63

[9] Hanisch, Ewald, 150 Jahre Paderborner Landwirtschaftlicher Hauptverein, ebd. S.34-39, hier S. 34

[10] Gerke, Walter, aaO. S. 60

[11] Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband (Hg.), Von Schorlemer bis Heeremann. 125 Jahre Westfälischer Bauernverein, 50 Jahre Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband, Münster 1997; darin den Aufsatz von Norbert Wenger: Burghard Freiherr von Schorlemer-Alst und die Begründung des christlichen Bauernvereinswesens, S.16-35

[12] Gerke, aaO. S.61

[13] diese und die folgenden Angaben nach: Marcus, Wolfgang u. a. (Hg.), aaO. S.399

[14] vgl. zum Folgenden das 1. Protokollbuch

[15] so Josef Gudermann in seiner Rede zur Feier des 75-jährigen Bestehens am 11.2.1981.

[16] Patriot vom 31.1.1931

[17] Diese und die folgenden Angaben nach: Strotdrees, Gisbert, Reichserbhofgesetz zwang Bauern in die Grundherrschaft des Regimes; in: ders. Höfe, Bauern, Hungerjahre. Aus der Geschichte der westfälischen Landwirtschaft 1890-1950, Münster 1991, S.138-140

[18] Heimatbuch von 1987, S.219; interessant wäre es hier noch, die Namen mit den Gründungsmitgliedern von 1906 zu vergleichen und unter anderem festzustellen, welche Höfe 1906 sich an der Gründung nicht beteiligt haben bzw. welche Höfe nicht zu sog. Erbhöfen ernannt wurden.

[19] Nach Strotdrees, aaO. S.200

[20] ebd. S.208

[21] ebd. S.231

[22] ebd. S.234

[23] Einschätzungen auch aufgrund meiner langjährigen Erfahrungen als Vorsitzender des Planungs- und Gestaltungsausschusses der Stadt Erwitte

[24] Im Wesentlichen aus den Protokollbüchern, die allerdings lückenhaft sind, zusammengestellt

[25] Patriot 20.2.1976

[26] aus dem Redemanuskript von Josef Schäfermeier, Nordstraße, am 1.6.2006 freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

[27] Bad Westernkotten. Altes Sälzerdorf am Hellweg, Lippstadt 1987; vgl. dazu auch: Patriot, 13.2.1981

[28] Schriftverkehr im Eigentum von Josef Schäfermeier, Kopien im Archivbestand des Landw. Ortsverbandes

[29] Einzelprotokoll vom 3.6.1987

[30] Protokollbuch IV, S. 1 und 2

[31] wie Anm. 6

[32] mündliche Mitteilung von Hubert Schäfermeier am 31.5.06

[33] mündliche Mitteilung von Heinz-Bernd Ostermann am 31.5.2006

[34] Ortschronik Bad Westernkotten 2005

[35] Patriot 8/05

[36] Patriot 18.11.2005

[37] Patriot 22.11.2005