2004: Karl Weierstraß – bedeutender Mathematiker

[aus: Vertell mui watt 2004, Nr. 237 und 238]

Vor 150 Jahren: Karl Weierstrass, ein bedeutender Mathematiker mit Bezug zu Westernkotten, veröffentlicht Forschungen „Zur Theorie der Abelschen Funktionen“

Von Wolfgang Marcus

Bereits in den Lippstädter „Heimatblättern“ 1988 [S.79/80] habe ich diesen berühmten Mathematiker und seine Beziehung zu Westernkotten vorgestellt.

Jetzt erhielt ich freundlicher Weise von Herrn Johannes Plassmann, gebürtig aus Erwitte und jetzt in Paderborn als Ingenieur für technische Information tätig, weitere Hinweise zu Karl Weierstraß. Nachfolgend zunächst einiges zum Lebenslauf, dann einige Ausführungen zu seinen Beziehungen zu Westernkotten und abschließend Aussagen zur Bedeutung und Wirkungsgeschichte von Weierstraß.

1.Zum Lebenslauf

Karl Weierstraß wurde am 31.10.1815 in Ostenfelde (3 km nördlich von Oelde im Kreis Warendorf) geboren. Sein Vater Wilhelm war Sekretär des Bürgermeisters, der auf Schloss Vornholz in Ostenfelde regierte. 1840 wechselte er in den Staatsdienst und wurde Rendant der Steuerkasse auf der Saline Westernkotten.  Karl hatte einen Bruder und zwei Schwestern (die Schwester Pauline ist 1843 in Westernkotten gestorben), die wie er alle unverheiratet blieben; die Familie war arm. Für den Eintritt in den Staatsdienst musste Vater Wilhelm eine hohe Summe in den Pensionsfonds einzahlen; ein Darlehen des Besitzers von Schloss Vornholz ermöglichte dies. Die Rückzahlung des Darlehens wurde mehrfach gestundet, damit die beiden Söhne das Gymnasium besuchen und ein Studium absolvieren konnten. (Karls Bruder Peter wurde Gymnasialprofessor.)

Karl ging auf das Gymnasium Theodorianum in Paderborn, wo er ein Jahr übersprang und 1834 als bester Schüler das Abitur machte. In Bonn studierte er auf Wunsch des Vaters Jura, was ihn aber nicht befriedigte. Er brach 1838 das Studium ab und begann ein Lehramtstudium in Münster. Hier vertiefte er sich vor allem in mathematische Studien. Schon 1841 bestand er sein Staatsexamen und nach dem Referendarjahr in Münster trat Weierstraß 1842 seine erste Stelle als Gymnasiallehrer in Deutsch-Krone (Westpreußen) an. Die Arbeit war aber auch nicht das, was er sich vorgestellt hatte. 1848 wechselte er an das Gymnasium in Braunsberg (Ostpreußen), wo er erneut Zugang zu mathematischer Literatur fand und oft nächtelang forschte.

1854 veröffentlichte er in der Fachzeitung „Crelles Journal“ einen Aufsatz über die sog. Abelschen Funktionen, und das brachte die Wende in sein Leben. Die Arbeit war so gut, dass er noch 1854 die Ehrendoktorwürde der Universität Königsberg erhielt. Weierstraß wurde für das Schuljahr 1855/56 zur Vollendung wissenschaftlicher Arbeiten beurlaubt. 1856 wurde er dann Professor am damaligen Gewerbeinstitut in Berlin-Charlottenburg und ordentliches Mitglied der preußischen Akademie der Wissenschaften. 1864 schließlich folgte die Ernennung zum Ordentlichen Professor an der Berliner Universität, deren Rektor er von 1873 bis 1874 war.

Die 1870er und 1880er Jahre brachten die Glanzzeit von Weierstraß, obwohl es schon 1861 gesundheitliche Probleme gegeben hatte, deren Grund zum großen Teil in der langen Überlastung durch Lehre und Forschung gesehen werden muss.

Weierstraß hatte viele bekannte Schüler. So unterrichtete er auch privat die Russin Sonja Kowalewsky, da Frauen damals noch nicht studieren durften. Sie promovierte 1874 in Göttingen „in absentia“ als erste Frau überhaupt in der Mathematik und wurde 1884 in Stockholm auch als allererste Frau Professorin.

Weierstraß erhielt viele Ehrungen. Seine Schwester führte ihm den Haushalt. Er hielt bis zum Wintersemester 1889/90 mit Unterbrechungen Vorlesungen ab, war zum Ende seines Lebens an den Rollstuhl gebunden und starb am 19.2.1897 in Berlin.

2. Die Beziehungen Weierstraß‘ zu Westernkotten

Karl Weierstraß weilte während seiner Gymnasialzeit in Deutsch-Krone (1842-48) und Braunsberg (1848-56) regelmäßig in den Ferien in Westernkotten, wo seine Familie in der Aspenstraße 8 wohnte und sein Vater die preußische Salzsteuerkasse leitete. In den Sommerferien schrieb er hier seine wegweisende Arbeit „Zur Theorie der Abelschen Funktionen“, die unterzeichnet ist mit „Saline Westernkotten in Westfalen, 11. September 1853.“ Weierstraß hatte kurz zuvor den – ihm bis dahin vorenthaltenen – ganzen Text seiner Examensbeurteilung seines Professors Christof Gudermann aus Münster zu lesen bekommen, die sein Selbstwertgefühl enorm steigerte.

Näheres über seine regelmäßigen Aufenthalte in Westernkotten ist nicht bekannt. Sein Vater gilt aber als der tüchtigste unter den Salzfaktoren, die in Westernkotten gewirkt haben.

3. Bedeutung und Wirkungsgeschichte von Weierstraß

Hier will ich nur einige wirkungsgeschichtliche Dinge nennen:

  • – Nach Weierstraß ist in Berlin das WIAS benannt, das „Weierstrass-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik“, das projektorientierte Forschungen im Bereich der angewandten Mathematik betreibt.
  • – Nach Weierstraß sind verschiedene Sätze in der Mathematik benannt, u. a. der Weierstraßsche Produktsatz oder der Weierstraßsche Approximationssatz.
  • – Über Weierstraß sind mehrere Bücher geschrieben worden, er taucht immer in einschlägigen Mathematik-Lexika auf [vgl. etwa: Meschkowski: Mathematik-Lexikon, S. 294-297]
  • – Die Fakultät für Elektotechnik, Informatik und Mathematik der Universität Paderborn vergibt jährlich den „Weierstraß-Preis“ für ausgezeichnete Lehre.
  • – Weierstraß wurde mit dem Orden pour la merite (Friedensklasse) geehrt.
  • – Am Gymnasium Theodorianum in Paderborn, wo Weierstraß 1834 sein Abitur als „primus omnium“ machte, zeugt eine Gedenktafel (neben Engelbert Humperdinck und Kardinal Hengsbach) von der Bedeutung dieses großen Mathematikers. Auch einen „Weierstraßweg“ gibt es in Paderborn.
  • – In seinem Geburtsort Ostenfelde ist ebenfalls eine Straße nach ihm benannt, an seinem Geburtshaus eine Gedenktafel.

Wäre es da nicht angebracht, auch in Bad Westernkotten eine Straße oder Ähnliches nach Karl Weierstraß zu benennen?

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