1999: Westernkötter Warte

Die Westernkötter Warte- für mehr als 400 Jahre begann hier das Ausland

Von Elfriede Molitor geb. Hoppe-Kloßebaum , Bernkastel-Kues

und Wolfgang Marcus, Bad Westernkotten

[Erstabdruck: Molitor, Elfriede/Marcus, Wolfgang, Die Westernkötter Warte – für mehr als 400 Jahre begann hier das Ausland; in: Heimatblätter 79 Jg. (1999), S. 113-119]

Vorbemerkungen

Am nördlichen Ortsausgang von Bad Westernkotten, gleich nach Überqueren der Gieseler und noch vor dem 1991 fertiggestellten Verkehrskreisel, liegt auf der linken Straßenseite der heutige Naturlandhof Hoppe-Kloßebaum. Schon der Hofstättenname „Kloßebaum“ oder „Klößner“, wie ältere Bad Westernkötter auch formulieren, macht deutlich, dass sich hier ein alter Grenzübergang befand, der mit einem Schlagbaum geschlossen werden konnte (vgl. englisch to close oder lateinisch claudere = schließen).

Im folgenden möchten wir einiges zur Geschichte, zur Bedeutung und Funktion dieses Grenzübergangs, aber auch zu den Pächtern und Eigentümern des Hofes sowie zu den Grenzstreitigkeiten im Süden Lippstadts darstellen.

  • 1. Anfänge der Westernkötter Warte

Die Anfänge der Westernkötter Warte reichen bis in die Zeit der Soester Fehde (1444-1449) und davor zurück.

Bereits im Jahre 1180 kam das Gebiet Lippstadts und die südlich angrenzende Region mit Westernkotten, Erwitte usw. als Herzogtum Westfalen unter die Herrschaft der Kölner Fürstbischöfe. Als Lippstadt um 1185 vom Edelherren Bernhard II. zur Lippe gegründet wurde, übereignete er die Stadt dem Kölner Landesherren und erhielt sie für sich und seine Nachkommen als Lehen zurück.

Zunehmend kam es jedoch zu Spannungen zwischen dem Landesherren in Köln und dem selbstbewußter werdenden Bürgertum in Lippstadt, dass vor allem mehr Eigenständigkeit und weniger Steuern verlangte. In der Soester Fehde sagten sich die verbündeten Städte Soest und Lippstadt von ihrem Kölner Landesherren los. Als Verbündeten suchten und fanden sie den Herzog Johann von Kleve. Im März 1445 schlossen das Fürstentum Lippe und Kleve einen Vertrag, in dem Kleve mit der Hälfte der Landesherrschaft und den daraus resultierenden Einkünften eingesetzt wurde. Damit begann für Lippstadt die bis zum Jahre 1851 dauernde Doppel- oder Samtherrschaft.

Der Krieg schleppte sich mit Rauben und Morden dahin, und erst im Friedensschluß von Maastricht vom 27.4.1449 wurde die Loslösung Soests und Lippstadts vom Herzogtum Westfalen besiegelt. Seitdem war Lippstadt für die Westernkötter Ausland und ist es auch bis ins 19. Jahrhundert geblieben.

Der Friedensvertrag von Maastricht legte allerdings keine klaren Grenzen zwischen den neuen Staatsgebieten fest. So suchten die Lippstädter auf der einen und die Kölner bzw. Westernkötter auf der anderen Seite ein möglichst großes Gebiet unter ihren Einfluß zu bringen.

Wie bei Soest mit der Soester Börde versuchten auch die Lippstädter, alsbald die unter ihren Einfluß bzw. in ihrem Grundbesitz stehende Feldflur durch eine Landwehr abzugrenzen. Eine Landwehr ist ein aufgeworfener, mit Dornengestrüpp bepflanzter Wall mit einem künstlichen oder natürlichen Wassergraben. In Sichtweite voneinander entfernt wurden befestigte Bauernhöfe mit Wachtürmen (Warten) angelegt.

Aus einer Karte der Lippstädter Feldmark von 1572 [Junk/Wenger S. 1029] geht hervor, dass die Lippstädter Landwehr entlang der Weihe, der Gieseler und dem Roßbach (früher Ostbecke oder Ostbach) – dieser verläuft östlich von Overhagen und mündet beim Hagedornweg und der dortigen Brücke in die Lippe – geführt worden war. Damit lag die südliche Lippstädter Grenze mehr als 5 Kilometer von den Toren Lippstadts entfernt, umgekehrt aber nur einige hundert Meter nördlich der ersten Häuser Westernkottens. Auf der Karte, die vor dem Reichskammergericht wohl im Rahmen der genannten Grenzstreitigkeiten vorgelegt wurde und deshalb auch nur bestimmte Grundgegebenheiten aufweist, sind drei Warten eingezeichnet: die Warte „an der Suydtbrugge“ (heute Bökenförder Warte), die Warte „an der Steinenbrugge“ (heute Erwitter Warte) und die Warte „zu Ingerindhaus“ (heute Stirper Warte).

Im Bereich der heutigen Westernkötter Warte ist nur ein Durchlaß mit einem Schlagbaum eingezeichnet, aber weder eine Hofstelle noch ein Wachturm.

[Abb. I: Karte „Eigentliche Gelegenheit des dorffs Westerenkotten“, zwischen 1575 und 1591 entstanden]

Eine weitere Karte aus dem 16. Jahrhundert „Eigentliche Gelegenheit des dorffs Westerenkotten“, die zwischen 1575 und 1591 entstanden ist, zeigt im Bereich der heutigen Westernkötter Warte aber bereits ein Hofgebäude, was direkt in die Lippstädter Landwehr eingebunden ist. Es ist also davon auszugehen, dass das erste Gebäude im Bereich der heutigen Westernkötter Warte spätestens um 1570 hier errichtet wurde.

Interessant an der Karte ist auch, dass sehr viel weiter nach Lippstadt zu eine Gräftenanlage zu sehen ist, die mit „Kotener warde“ beschriftet ist. Die heutige Westernkötter Warte muß also einen Vorgänger deutlich weiter nördlich gehabt haben. Es ist denkbar, dass die Lippstädter Landwehr und damit auch die Territorialgrenze zunächst noch nicht so weit südlich verlief. Zu vermuten ist aber auch, dass die erste Westernkötter Landwehr aus Sicherheitsgründen noch nicht unmittelbar vor die Nase der Westernkötter/Kölner gesetzt wurde. Denkbar ist ebenfalls, dass der weiter nördlich gewählte ursprüngliche Standort der Warte gewählt wurde, weil er höher und nicht in der Talaue der Gieseler liegt, so dass sich so ein besserer Überblick über das Gelände und eine bessere Fernsicht bot.

  • 2. Die Westernkötter Warte im und nach dem 30jährigen Krieg

Die Besetzung der Stadt Lippstadt durch spanische, also katholische Truppen zu Anfang des 30jährigen Krieges hat den kölnischen Landdrosten im Gogericht Erwitte ermutigt, die strategische Stellung gegenüber der weiterhin überwiegend protestantischen Stadt Lippstadt auszubauen [vgl. zum Folgenden Marcus 1999]. So werfen Kölnische Arbeiter nördlich von Westernkotten und südlich der Stadtmauern von Lippstadt, also innerhalb der oben beschriebenen Lippstädter Landwehr, eine Schanze auf. Daran erinnert noch der sog. Schanzenweg. Dieser Versuch einer neuen Grenzziehung, der sich im übrigen schon im 16. Jahrhundert nachweisen läßt, ist vor allem damit zu begründen, dass dadurch das Haus zum Rade und die Reste der Siedlung Swiek, beide südlich des Schanzenweges, zu Westernkotten gekommen wären und für das Kölnische Gogericht weitere Steuereinnahmen gebracht hätten.

Auch im Kriegsjahr 1621 kam es hier wieder zu Auseinandersetzungen: So klagt mit Schreiben vom 18.6.1621 der Magistrat von Lippstadt beim Landesherrn, dem Grafen Simon zur Lippe, über die Westernkötter, die bei Nacht die Landwehren der Stadt verwüsten, das Getreide verschleifen und allerhand Unfug treiben. Ob hier auch die Hofanlage der Westernkötter Warte betroffen war, ist nicht im einzelnen zu belegen, liegt aber durchaus nahe. Vom 4. Juli 1621 liegt ein Schreiben des kölnischen Landdrosten an den Grafen Simon vor. Darin heißt es: Die Bürger Lippstadts hätten die Landwehren weiter als erlaubt ausgedehnt und die zum Gogericht Erwitte gehörenden Dörfer zur Stadt gezogen. In diesem kölnischen Distrikt der Landwehr hätten die Kölnischen Bürger Lippstadts arretiert, also nicht innerhalb der lippischen Hoheit. Der sog. Liebfrauenweg mache die Grenze aus. Am 4. Juli 1621 führt wiederum der Lippstädter Magistrat Klage beim Grafen Simon zur Lippe, wie die gefangenen Lippstädter Bürger von den Kölnischen behandelt würden. An den Wachtürmen der Warten stünde das klevische und lippische Wappen. Die Stadt verschließe die Schlagbäume. Mithin sei alles, was die Landwehr umschlösse, lippische Gesamthoheit.

Der Streit um die Südgrenze Lippstadts ging auch nach dem 30jährigen Krieg weiter, wieder vor dem Reichskammergericht.

Aus dem Jahre 1655 liegt eine weitere Feldmarkkarte vor [vgl. Junk/Wenger S. 1031], die ebenfalls wieder für die Westernkötter Warte ein einzelnes Hofgebäude darstellt und durch die Eintragung „Kotter brücke“ ergänzt wird. Als Warte wird dieser Bauernhof nicht bezeichnet, auch fehlt die ausdrückliche Darstellung eines Wachturms, wie er an der heutigen Erwitter, Stirper und Bökenförder Warte zu finden ist. Wir müssen also weiterhin davon ausgehen, dass zu dieser Zeit die spätere Westernkötter Warte nur ein Bauernhof war, mit dem die Bedienung eines Schlagbaumes an der Gieselerbrücke verbunden war.

Wann die Grenzstreitigkeiten im Süden von Lippstadt im Bereich der Westernkötter Warte endgültig beigelegt wurden, ist uns bisher nicht bekannt geworden.

  • 3. Die Westernkötter Warte im 18.und 19. Jahrhundert bis zur Aufhebung der Warte am 31.12.1853

Von 1771 an sind die Wartmänner der Westernkötter Warte aus den Hofakten zu entnehmen. Bis zur Aufhebung der Wartenfunktion waren dies:

Bis 1771        Hermann Lemme

1771 – 1793   Johann Hermann Flöer

1793 – 1838   Christian Wortmeier

1838 – 1853   Meinolph Jungemann

Zu einzelnen Wärtern ist noch Näheres bekannt.

Johann Hermann Flöer stammte vermutlich aus Overhagen und war mit einer Agnes Kesting verheiratet. Sie hatten 6 Kinder.

Als Christian Wortmeier, der der Stiefsohn des Cappeler Bruchbäumers Rüsing war, 1793 den Zuschlag vom Magistrat der Stadt Lippstadt für die Westernkötter Warte bekam, verpflichtete er sich nicht nur, die Witwe des erst im Vormonat  verstorbenen Wärters Flöer zu heiraten, sondern auch den nachfolgenden Pflichtenkatalog zu erfüllen:“

  • 1. Bürgermeister und Rat dieser Stadt gnädig und gehorsam sei.
  • 2. Auf die Gränze diesseitigen Gebiets wohl zu achten, und jede darin vorgenommene Änderung sofort dem regierenden Bürgermeister anzuzeigen.
  • 3. Die zu der Warte gehörigen Gebrauchsstücke als ein guter Hauswirth im guten Stande erhalten.
  • 4. Die an dem Wart-Gebäude anfallenden kleinen Reparaturen auf seine Kosten stehen.
  • 5. Die der Stadt zu leistenden Dienste unweigerlich, wenn er dazu bestellt wird, verrichteten und
  • 6. In allem als ein treuer und redlicher Wärter in seinen Handlungen und Verrichtungen sich bezeigen wolle. Da nun vorbenannter Christian Wortmeier diesem allen nachzukommen mittels Handschlags zu Eides Statt angelobt hat, als ist demselben gedachte Warte mit den dazu gehörigen Grundgärtnereien auf seine Lebenszeit und wenn er etwa solche nicht selbst verwirkt übertragen, mit dem Versprechen die Obrigkeit zu schützen. Dokument und Stadtsiegel und Unterschrift angefertigt so geschehen Lippstadt den 23.10.1793.“

Der vierte bekannte Wärter, Meinolph Jungemann genannt Vollmer, stammte aus Bökenförde. Er heiratete am 9.2.1836 Adolphine Heithoff aus Westernkotten, die 19jährige Enkelin des verstorbenen früheren Wartmanns Johann Hermann Flöer. Aus der Ehe gingen 5 Kinder hervor.

Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, als die Warten keine Funktion mehr hatten, war die Stadt Lippstadt bestrebt, die alten Verträge mit den Wärtern aufzuheben [vgl. zum Folgenden auch: Laumanns ²1958, S. 337/338]. So heißt es in einem notariell beglaubigten Vertrag vom 20.9.1853: „Der Meinolph Jungemann ist als Besitzer der Westernkottener Warte berechtigt, in den öffentlichen städtischen Wegen in der Nähe des Kloßebäumer bis an den Silbergraben drei Kühe an der Sträcke zu hüten. Derselbe hat ferner von der Stadt Lippstadt ein jährliches Dienstgeld von sieben Thaler zehn Silbergroschen zu beziehen. Dagegen ist der Meinolph Jungemann verpflichtet, der Stadt Lippstadt jährlich zwölf Spanndienste mit zwei Pferden, Knecht und Wagen zu leisten. Diese Berechtigungen und Verpflichtungen werden hiermit gegenseitig aufgehoben und höeren mit Ende dieses Jahres auf. Für den Mehrbetrag des Werths der Berechtigung des Meinolph Jungemann zahlt die Stadt Lippstadt am ersten Januar künftigen Jahres 100 Thaler.“

  • 4. Die Familie Hoppe-Kloßebaum als Eigentümer der Westernkötter Warte

Meinolph Jungemann verstarb 1872. Seine Tochter Bernardine heiratete am 13.9.1879 den Landwirt Franz-Kasper Hoppe aus Erwitte vom Hof Doiker und übernahm den Hof am Kloßebaum. Seit dieser Zeit ist der Hof im Besitz der Familie Hoppe, und dies schon in der 4. Generation:

1879- 1914: Franz-Kasper Hoppe

1914- 1954: Franz Hoppe

1954- 1997: Norbert Hoppe

1997- heute: Norbert-Franz Hoppe.

Bis zum 31.12.1974 gehörte der Hof kommunalrechtlich nach Lippstadt, da die Gieseler hier die Grenze zwischen Bad Westernkotten und Erwitte bildete. Durch die Kommunalreform, bei der auch die Grenze an den Suckeweg verlegt wurde, gelangte der Hof zu Bad Westernkotten bzw. der neuen Stadt Erwitte.

Die heutige schöne Hofanlage ist in verschiedenen Jahren entstanden: An das älteste Wohngebäude erinnert ein Deelenbalken am Wagenschuppenturm. Darauf steht: Durch Gottes Hülfe haben die Eheleute Meinolph Jungemann und Adolphine Heithoff dieses Haus verbessern lassen den 26ten Juni 1866. 1882 wurde das Wohngebäude ganz neu errichtet und später mehrfach umgestaltet. Die Viehställe und die Scheune wurden 1922, der Wagenschuppen 1923 errichtet. Auf dem zweiten Deelenbalken ist hierzu zu lesen: Arbeit bringt Segen, Segen bringt Arbeit. Erbaut in schwerer Zeit. 15. November 1923. Franz Hoppe und Anna Hoppe geborene Schrop.

Heute betreibt das Ehepaar Norbert und Doris Hoppe geb. Hiegemann mit seinen drei Kindern auf der ehemaligen Westernkötter Warte einen viel besuchten Naturlandhof.

Quellen: 1. Hofakten des Hofes Hoppe-Kloßebaum. 2. Jung/Wenger, Ältere karthographische Unterlagen; in: Lippstadt. Beiträge zur Stadtgeschichte, Lippstadt 1985, S. 1027ff. 3. Laumanns, Carl, Bilder aus der Biedermeierzeit in einer kleinen Stadt, Lippstadt ²1958. 4. Ders., Wärtner und Bruchbäumer, Spanndienste und Huderechte, in: Heimatblätter  1.Jg, S. 4, und 20.Jg., S.10. 5. Marcus, W., Westernkotten im 30jährigen Krieg, in: Heimatblätter 1999

Abbildungen:

  • 1. Auschnitt aus der Karte aus dem Ende des 16. Jahrhunderts: Eigentliche Gelegenheit des Dorfs Westernkotten. Links ist Norden. Zu erkennen ist die Lippstädter Landwehr, in Höhe der Nordenfurt ein Bauernhaus und weiter nach Lippstadt zu die Gräftenanlage der ursprünglichen „Kotener warde“
  • 2. Gesamtansicht der Warte um 1900, von der Gieselerbrücke aus gesehen
  • 3. Lufaufnahme der ehemaligen Warte aus dem Jahre 1975
  • 4. Federzeichnung der Hofanlage (vor 1990)
  • 5. Wagenschuppenturm des Hofes
  • 6. Aufnahme etwa aus dem Jahre 1905: Franz-Caspar Hoppe, der Ur-Opa des heutigen Eigentümers, mit seiner Frau Bernardine geb. Jungemann, umgeben von ihren Kindern Friedrich (hinten rechts), Franziska (Mitte), Franz, dem Hoferben (hinten rechts), Josef vorn rechts und Bernhard vorn links
  • 7. Franz Hoppe, der Opa des heutigen Eigentümers, und Anna Hoppe geb. Schrop am Tage ihrer Silberhochzeit am 30.11.1943