1998: Grenzstreitigkeiten zw. Erwitte, Westereiden und Westernkotten 1658

Grenzstreitigkeiten zwischen Westernkotten/Erwitte und Westereiden

von Wolfgang Marcus, Bad Westernkotten

[Erstabdruck: Marcus, Wolfgang, Grenzstreitigkeiten zwischen Westernkotten/Erwitte und Westereiden 1658, in: Vertell mui watt, Ausgabe 46 (1998)]

Erst nach dem Ende der weltlichen Herrschaft der Kölner Erzbischöfe und Kurfürsten in napoleonischer Zeit, als Westernkotten und Erwitte und mithin das ganze Herzogtum Westfalen 1802 in das Staatsgebiet von Hessen-Darmstadt kamen, bildete sich nach und nach so etwas wie ein Wir-Gefühl oder besser gesagt eine politisch selbständige Gemeinde Westernkotten heraus. Vorher waren die einzelnen Höfe in ein Geflecht unterschiedlicher rechtlicher, politischer und wirtschaftlicher Zusammenänge eingebunden.

Lediglich zwei die Dorfgemeinschaft verbindende Elemente gab es auch in kurkölnischer Zeit: Zum einen das verbindende Band des katholischen Glaubens und zum zweiten die sog. Bauergemeinde, die ihre Angelegenheiten selbst verwaltete. Wenn auch deren Aufgaben sich im wesentlichen auf die Regelung und Nutzung der Gemeinheitswiesen und -weiden beschränkte, so bildete sich doch die erste den ganzen Ort umfassende organisatorische Einheit auf wirtschaftlich-politischer Ebene.

Die Rechte der Bauergemeinde mit dem Bauerrichter an der Spitze wurden alljährlich bei den Schnadzügen unter Beteiligung der ganzen Gemeinde an Ort und Stelle festgelegt und bestätigt. Bis 1829, als die Preußen eine exakte Landvermessung vornahmen und teilweise die Schnadgänge sogar verboten, wahrten sie Bewohner ihre Rechte, vor allem auch in Auseinandersetzung mit dem Nachbargemeinden.

Dass es dabei auch zu Grenzstreitigkeiten kam, belegt unter anderem ein altes Schnadprotokoll der Gemeinde Westereiden vom 31.Juli 1658 [Akten G1f im Stadtarchiv Rüthen, hier zitiert nach: Schützenverein Sankt Georg Westereiden (Hg.), 125 Jahre Schützenverein Westereiden, Lippstadt 1984, S.37-41]

Die Westereider wollten vor allem im Bereich nördlich der Pöppelsche ihre Huderechte (Weiderechte) mit den Erwitter und Westernkötter Nachbarn klären, holten sich dann aber fast „blutige Nasen“, weil wohl für die Erwitter und Westernkötter die Pöppelsche die natürliche Grenze bildete. Hören wir Auszüge aus dem Protokoll [Anmerkungen und Ergänzungen in Klammern v. Verf.]:

„…Von da herunter nach Norden mitten durch die Bergische Grund, mitten auf Bringschulten Land zu und mittentwers dadurch bis an den Hoinkhauser Fußpad. Denselben Fußweg entlang den Berg wieder hinauf und hinüber bis an den Mescheder hin und oberhalb des Hessen-Fuhrweges hergehend, woselbst der Churfürstl. Richter Bernhardt Honencamp und andere Vorsteher neben sämtlicher bewehrter Mannschaft des Dorfs Erwitte und ihren Fahnen gestanden. Und obwohl denselben in Güte vorgehalten, daß man den alten Hude-Schadzug an der Seite der Pöppelschen über und auf dem Berge die Essermarkgrund zu ziehen gemeint, deshalb auch die Zeugen Joh. Criner, Gerichtsschöffe, und Effert Niggenaber, so hierbei wären, dem Hudezug daselbst beigewohnt, in Person sistiert, daneben auch die von der Churfürstl. Arnsbergischen Canzlei für die Erhaltung des Besitzes der Hude halber ausgegebenen Befehlsschreibens den Churfürstl.Richer und den Vorstehern von Erwitte dargereicht und publice [öffentlich] vorgelesen – in Erinnerung, es würden die von Erwitte den freien begehrten Zug verstattet haben. Dessen jedoch ungeachtet haben der Herr Richter und die Vorsteher neben ihrer bewehrten Mannschaft sich mit Gewalt widersetzt und die Westereidischen mit vielem Rohrstoßen und gefährlichen Drohworten zum Rückgang genötigt, worauf sie … [unter Protest] wieder zurück über die Pöppelsche durch die Westereidische Grund den Kley hinauf und da herunter bis an den Oestereider Lipper-Fußweg, sonst Dummen-Weg genannt [Fußweg vom Gehöft des Domhofes (=Dummenhof) ins Pöppelsche-Tal] gezogen, woselbst im untersten Teil des Weges diesseits der Grund und der Pöppelschen [also im Pöppelschetal, schon auf dem heutigen Gebiet von Westereiden] den Westernkottischen Bauerrichter Wilhelm Schotten neben anderem Vorstand und bewehrter ungestümer Mannschaft angetroffen. Denselben – gleich den Erwittischen vorhin – die Meinung unsererseits über den Hude-Schnadegang eröffnet, aber sie kaum die Worte anhören wollen und genauso mit Stoßen und Schlagen und gefährlichen totschlägerischen Drohworten[!!!] gegen die Westereidischen verfahren und auch vernehmen lassen, daß die von Westereiden gleichfalls nolens volens [ob sie wollen oder nicht], jedoch nach wiederholtem Protest ab- und zurückweichen müssen. Worauf sie gegen die Eikelohische Seite gezogen…“ –

Anzumerken bleibt noch, daß die Westereider sich mit den Eikelohern ohne Probleme einigen konnten!