1790 Saline (Seetzen)

Beschreibung des Salzwerks Westernkotten im Jahre 1790

von U. J. Seetzen (bearbeitet von Wolfgang Marcus)

[aus: Vertell mui watt 2001, Nr. 148 und 149]

Vorbemerkungen

U.J. Seetzen war ein reisender Salinist des ausgehenden 18. Jahrhunderts. In wessen Auftrag er reiste, ist mir nicht bekannt. Auf jeden Fall muß er zahlreiche Salinenorte in ganz Deutschland und auch im Ausland bereist haben, wie die vielen Verweise auch im nachfolgenden Text belegen.

Die nachfolgende Darstellung zur Saline Westernkotten ist seinem Aufsatz: „Beschreibung der Salzwerke zu Karlshafen in der Landgrafschaft Hessen-Cassel, zu Westernkotten und Salzkotten im Hochstift Paderborn (Im Jahre 1790)“ entnommen, erst 10 Jahre später, also 1800, erschienen in der in Leipzig verlegten Zeitschrift „Journal für Fabrik, Manufaktur, Handlung und Mode“, Heft 18, S. 103-122, hier die Seiten 106-111.  Sie gibt einen guten Überblick über das gesamte Salzwerk und nennt teilweise interessante Details. Zeitlich steht diese Beschreibung zwischen der bisher ältesten Beschreibung von Thölde aus dem Jahre 1603 {vgl. Piasecki, Peter, Die erste gedruckte Beschreibung von Bad Westernkotten aus dem Jahre 1603; in: Heimatblätter 2000, S. 41/42] und der Beschreibung der Saline durch den Rentmeister Ignatz Köhler aus dem Jahre 1840 [noch nicht zusammenhängend veröffentlicht] sowie der Beschreibung des Zollaufsehers Wilhelm Stellmacher aus dem Jahre 1893 [vgl.: Marcus, Wolfgang, Die Saline Westernkotten im Jahre 1893; in: Heimatblätter 1998, S. 9-13].

Wolfgang Marcus

„Westernkotten, ein Dorf und Rittersitz, zeichnet sich durch nichts aus als bloß durch seine Saline. Die meisten Häuser, deren einige gut gebaut sind, haben Strohdächer, und nur einige wenige sind mit Ziegeln gedeckt. Ein kleiner Bach fließt durch dieses Dorf; man hätte denselben zu einer Wasserkunst für die Gradirhäuser vortheilhaft benutzen können, wenn er nicht außerhalb dem Dorf eine Mahlmühle triebe, deren Besitzer also immer im Stande gewesen wäre, dem Kunstrade das Wasser zu entziehen. – Diese Saline soll ein sehr hohes Alter haben, die Urkunden davon sind aber verloren gegangen. Noch jetzt hat die dort gebräuchliche Maschinerie eben so viel Ungekünsteltes und Einfaches, als sie vielleicht schon bei ihrer ersten Anlage hatte.

Die Gegend von Westernkotten ist ganz flach, und scheint ein wenig tiefer zu liegen als die Gegend von Erwite. Der Boden besteht aus einer mergelartigen Dammerde, welche auf horizontalen Kalksteinlagen ruht. Besondere Salz liebende Gewächse fand ich hier nicht, welches doch vielleicht der Fall gewesen wäre, wenn ich meinen hiesigen Aufenthalt hätte verlängern können.

Man findet in dieser Gegend des nördlichen Teutschlands eine Menge Salinen, welche ihre Nachbarschaft sowohl als entferntere Gegenden hinlänglich mit Salz versehen. Zieht man eine gerade Linie von Hannover nach Düsseldorf, so wird man in geringer Entfernung auf beiden Seiten derselben etwa folgende finden: Salzhemmendorf, Salz der Helden, Sülbeck, Karlshafen, Salzkotten, Pyrmont, Salazuflen, Salzdorf, Soldorf, Werl, Westernkotten, Brockhausen, Wehrdohle und Rehme. Außer diesen trifft man noch manche andere mehr oder weniger starke unbenutzte Salzquellen bei Beverungen, Erwite, Beleke, Werl, Lippstadt und mehrern andern Orten an.

Zu Westernkotten sind drei Salzbrunnen. Die Brunnensole ist achtlöthig. Nach der Gradirung wird sie mittels hölzerner Spindeln, worauf nur 24 Grade angegeben sind, untersucht. Ist sie stärker, so hilft man sich durchs Rathen. Unten in den Brunnenschächten soll das Wasser nach Schwefel riechen. Einst sollten sie gereinigt werden; mit zweien glückte es, in dem dritten aber wurde der Schwefelgeruch so stark, daß der Arbeiter die Reinigung aufgeben mußte, weil er vor Uebelkeit Gefahr lief zu ersticken. Die Brunnenschächte sind oben mit Bohlen verzimmert; unten aber stehen sie im Ganzen, und zwar, wie man mir versichert, im Kalkstein. Ihre Tiefe ist beträchtlich.

Das gelbliche und trübe Salzwasser wird mittels eines großen Tretrades, worin beständig drei Personen gleichen Schrittes gehen, und zwei großer Eimer in die Höhe gewunden. An jedem Eimer ist eine eiserne Oese, kommen jene nun bis nach oben, so greift die Oese in einen Haken, welcher an einer seitwärts des Brunnen befindlichen Rinne befestigt ist, und dadurch leeren sich die Eimer von selbst aus. Da mehrere Interessenten an dieser Saline Theil haben, so hat jeder seine bestimmten Stunden, wo er Wasser ziehen läßt. Aus der erwähnten Rinne fließt die Sole durch hölzerne Röhren in einen Abschlag. In diesem Abschlage so wohl als in den Rinnen setzt sich viel Eisenocher ab, den man bei einigen Salzwerken Zunder oder Salzmutter nennt. Man will die Beobachtung gemacht haben, daß man, je regnichter die Witterung ist, nicht bloß mehrere, sondern auch stärkere Sole erhält als während der Trockenheit.

Vormals war hier nur ein Gradirhaus, wohinauf die Sole durch Menschenkräfte getrieben wurde. Der Baron von Landsberg war der erste, der zu dieser Absicht Pferde anwendete, welchem auch die übrigen bald folgten. Seit etwa 10 Jahren wurden die beiden neuern Gradirhäuser angelegt. Zwei Gradierwände sind von der gewöhnlichen Einrichtung; diese gehören dem Bar. von Landsberg und sind die besten. Außer diesen trifft man hier noch vier Sommer-Gradirhäuser an. Das längste von jenen, welche dem B. v. Landsberg zugehören, ist 300 Fuß lang, aus Eichenholz äußerst dauerhaft gebaut und mit zwei Strohdächern versehen. Eine der Sommer-Gradirwände ist 200 Fuß, die übrigen aber mögen etwa 100 Fuß lang sein. Man nimmt dazu Dornsträucher, welche von den benachbarten Landleuten herbei geführt werden und 10 bis 15 Jahr ausdauern. Da sich oben an die Wände mehr Dornstein absetzt als unten, so werden sie oben auch eher unbrauchbar.

Um die Brunnensole aus dem Abschlage oder Behälter auf die Gradirwände zu bringen, bedient man sich eines Druckwerks, welches von einem Pferde in Bewegung gesetzt wird. Die Deichsel (Drehbalken) treibt eine aufrecht stehende Welle (Drehstock),  welche mit einem krummen Zapfen versehen ist. Dieser zieht eine horizontale Stange hin und her, und diese wiederum ein perpendikuläres gewöhnliches Kreuz, mit welchem sie in Verbindung steht. Mit jedem der beiden horizontalen Arme dieses Kreuzes ist ein Druckkolben verbunden, welcher die Sole durch hölzerne Röhren in den Tropfkasten treibt, aus welchem sie, je nachdem der Wind ist, in die eine oder die andere ihm zur Seite liegende Rinne fließt, und aus diesen endlich durch die Gradirwände herbtröpfelt. Die nützliche Geschwindstellung hatte man noch nicht eingeführt. Bei günstiger Witterung fällt die achtlöthige Sole nur ein Mal durch eine 42 bis 48 Fuß hohe Wand, wodurch sie schon 24- bis 26löthig wird; bei ungünstiger Witterung aber muß sie diesen Weg noch ein Mal zurücklegen. Außer dem Gradirmeister, welcher bisweilen die Sole aus dem Sumpfe mit Leckschaufeln an die Wände spritzt, sind bei diesem Werke keine Gradirer angestellt. Man machte einst einen Versuch mit der Eisgradirung bei den Gradirhäusern des Hrn.von Landsberg, kam aber damit nicht fort.

Die gradirte Sole sammelt sich in das Reservoir, aus welchem sie durch Hülfe einer Handpumpe etwa 10 Schuh in die Höhe gepumpt, und alsdann durch eine hölzerne Röhre in die Siedepfannen geleitet wird.

Man hat hier 15 große Siedepfannen; 7 und eine halbe gehören dem Hrn. von Landsberg, 2 dem Hrn. von Scharne [Schreibfehler! Es muß von Schade heißen.] und die übrigen einigen andern Privatpersonen. Sie sind aus Eisenblech gemacht, welches man jetzt von dem Ulrichschen Eisenhammer erhält. Wärmepfannen fand ich hier nicht. Jede Pfanne liefert in 9 bis 10 Tagen 90 bis 120 Mollen oder Lippische Scheffel Salz, und man versiedet jährlich etwa 300 Pfannen. Die Mutterlauge wird unbenutzt weggeschüttet; ein Apotheker aus Lippstadt kaufte sie vor einigen Jahren einige Male, gab es dann aber nachher wieder auf. Bei jeder Pfanne ist ein Sieder angestellt, welcher für jeden Lippischen Scheffel seines Fabrikats einen Mariengroschen leichten Geldes aus Siedelohn erhält.

Zum Sieden bedient man sich gewöhnlich des Wasenholzes, wovon den Landleuten, die es zum Verkauf bringen, 40 Bund mit 1 Thaler und (als Trinkgeld) 3 Groschen bezahlt werden. Der Mangel an Brennholz ist diesem Werke gewiß sehr nachtheilig, und es ist zu bedauern, daß der glückliche Versuch, Torf statt Holz zu verbrennen, den man vor wenigen Jahren machte, wegen eines noch fortdauernden Processes nicht weiter verfolgt werden konnte. Ich bin überzeugt, kennte man erst den Nutzen des Torfes zum Salzsieden, sicher würde man ihn allenthalben statt des Holzes anwenden, vorausgesetzt, daß er in der Nähe eines Salzwerkes vorhanden wäre. In den Salinen der Batavischen Republik, wo das Seesalz raffinirt wird, traf ich nie ein anderes Brennmaterial an; und selbst auf Travenpfalze bei Oldeslohe in Holstein, einer noch vor kurzem dem Reichsgrafen zu Münster-Meinhövel zugehörigen Saline, zu Sülze im Hannoverschen, so wie zu Sülze im Herzogthum Mecklenburg, wird der Torf weit häufiger gebraucht als das Holz.

Der Preis des hiesigen Salzes richtet sich nach den Preisen auf der Werlschen und Sassentrupschen Saline, die alle beide von einem größern Ertrage sind. Er stand seit einiger Zeit ziemlich hoch, und man verkaufte hier den Lippischen Scheffel für einen halben Kronenthaler, welcher vormals nur 17 Mariengroschen galt.

Den Dornstein der Gradirwände benutzt man nur in so fern, daß man ihn auf die Wege führt, wo er sehr gute Dienste tut.*

* Einige Tage nach meiner Abreise von Westernkotten erkundigte ich mich bei dem geschickten Salzwerkskenner Korte, Prediger zu Salzkotten, nach jener Saline. Er rühmte die Sommer-Gradirwände sehr, weil die Sole dadurch in einem Falle bis 24löthig werde. Die Säulen der Gradirwände, sagte er, sind 45 Fuß hoch.“