2008: Vor 50 Jahren (1958) den Titel „Bad“ verliehen (1. Teil)

[aus: Vertell mui watt, 2008, Nr. 328 und 329]

Bad Westernkotten 1958-2008: Vor 50 Jahren den Titel „Bad“ erhalten

Von Ortsvorsteher Wolfgang Marcus

Salzproduktion stand am Anfang

Bereits vor dem Jahr 1000 förderten unsere Vorfahren die Sole, die unter weiten Teilen der Siedlungs- und Feldflur vorkommt und einen Salzgehalt von etwa 8 Prozent aufweist, systematisch zutage und erzeugten daraus Salz, das „Weiße Gold“ der Erde, wie es im Mittelalter oft genannt wird.

Anfänge des Badebetriebes

In der Mitte des 19. Jahrhunderts kommt eine weitere Nutzung hinzu: 1842 setzt der von Papen’sche Rentmeister Franz Erdmann die Sole im Bereich des heutigen Kurhauses erstmals zu Heilzwecken ein.

Mit drei hölzernen Badewannen fing es damals an. Damit begründete Franz Erdmann einen Erwerbszweig, der heute das Markenzeichen unseres Ortes ist, das Heilbad!

Bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs spielte die Nutzung der Sole zu Heilzwecken in unserem Ort noch eine untergeordnete Rolle. Der Badebetrieb befand sich in Familienbesitz, die Gäste, die die Sole nutzen – in der Regel in Form von Solewannenbädern – kamen zumeist aus der näheren Umgebung und blieben auch nicht über Nacht: ambulante Tagesgäste würde man heute sagen. Die Fachliteratur spricht etwas abwertend von „Bauernbad“.

Salzproduktion und Badebetrieb eingestellt

Und mitten im Krieg gingen die Kohlen für das Beheizen des Solebadewassers aus, und die Menschen hat im Übrigen andere Sorgen: Das Solbad kam zum Erliegen.

Als dann 1949 auch noch die Salzproduktion, die zwischenzeitlich mal über 80 Beschäftigte hatte, endgültig zum Erliegen kam, sah es in unserem Dorf düster aus.

Neuanfang nach dem 2. Weltkrieg

Weitsichtige Männer erkannten dann aber schnell, dass Bad Westernkottens Zukunft in der Entwicklung als Gesundheitsstandort liegen könnte. So wurde -nach vielen Mühen – 1950 die Solbad Westernkotten GmbH gegründet und der Badebetrieb am 1.5.1950 im heutigen Kurhaus wiedereröffnet. Beteiligt an der Solbad waren damals: der Provinzialverband Westfalen, der Kreis Lippstadt, die Gemeinde Westernkotten, das Amt Erwitte, die Stadt Lippstadt, die Stadt Geseke, das Amt Anröchte, das Amt Störmede und unser Nachbarbad, die Bad Waldliesborn GmbH.

Von da an wurde der Badebetrieb ständig ausgebaut und erweitert. Und in diese Entwicklung reiht sich auch die Erweiterung des Ortsnamen um den Titel „Bad“ nahtlos ein.

Beantragung des Titels „Bad“

Dieses Thema findet sich im Protokollbuch der Gemeinde Westernkotten erstmals am 4.11.1957 [Protokollbuch des Gemeinderates Westernkotten 1952-58, S. 362]. Dort heißt es kurz und knapp: „Namensänderung der Gemeinde Westernkotten in ‚Bad Westernkotten‘. Die Gemeindevertretung beschloss nach Aussprache einstimmig, den Namen der Gemeinde Westernkotten in „Bad Westernkotten“ ändern zu lassen, und zwar mit Rücksicht auf die in den letzten Jahren eingetretene Entwicklung der Gemeinde zum Kurort.“

Verleihung des Titels im Jahre 1958

Im Jahre 1958 feierte die Gemeinde Westernkotten ihr 700jähriges Bestehen. In diesem Zusammenhang fand auch die Verleihung des neuen Titels statt. Dazu schreibt Alfred Beste [in: Bad Westernkotten. Altes Sälzerdorf am Hellweg. Lippstadt 1957, S. 262]: „Den Höhepunkt des Jubiläumsjahres bildete zweifellos die Verleihung des neuen Gemeindenamens ‚Bad Westernkotten‘ anlässlich der 700-Jahr-Feier am 19. Juli 1958. Den Festakt leitete ein Festgottesdienst ein. Anschließend fand die historische Feierstunde im Kurhaus mit den Vertretern des Kreistages, der Gemeindevertretung und der Solbad Westernkotten GmbH statt. Regierungspräsident Schlensker übergab Bürgermeister Anton Schäfermeier die Urkunde, die der Gemeinde seit der Zeit die Bezeichnung ‚Bad Westernkotten‘ zugesteht. Den Antrag hatte die Gemeindevertretung am 7.11.1957 gestellt.“

Festansprachen

Nachfolgend einige Auszüge aus den Festansprachen, wie sie der „Patriot“ 1958 festgehalten hat.

„Regierungspräsident Schlensker, der die Grüße der Landesregierung überbrachte, …hob unter starkem Beifall hervor, dass die Landesregierung NRW beschlossen habe, Westernkotten das Recht zu verleihen, sich fortan und für alle Zeit ‚Bad Westernkotten‘ zu nennen…Heute besitze Bad Westernkotten mustergültige Anlagen, die allen Anforderungen eines modernen Kurbades entsprächen…Der gemeinnützige Charakter des Kurbetriebes aber müsse besonders betont werden. Denn hier sei namentlich für die Bevölkerung des nahe gelegenen Industriegebietes eine Stätte der Erholung und Kräftigung erster Art, weswegen der Landschaftsverband, die Industrie u. a. immer mehr Gäste hierher entsandt hätten. Auch sei bedeutsam, dass hier ein soziales Volksbad bestehe, die Kosten für einen Kuraufenthalt so niedrig wie möglich gehalten würden…“

Der Kämmerer des Landschaftsverbandes, Dr. Böttge, „betonte, dass Bad Westernkotten einen mustergültigen Kurbetrieb aufweise, der zum Glück nicht dem in den großen Bädern gleiche, wo man von einer Kurindustrie sprechen könne. Der Landschaftsverband werde auch in Zukunft das Bad Westernkotten nachhaltig unterstützen.“

Landrat Schröder als Sprecher des Kreises Lippstadt erklärte: „Der Kreistag hat heute mit seiner Festsitzung seiner innigen Verbundenheit mit der alten Solstätte Westernkotten bekundet…Heute ist unser erster Badeort im Kreis aus der Taufe gehoben worden: Bad Westernkotten…Bad Westernkotten gehöre die Zukunft, zumal es die besinnliche Ruhe, die echte Erholungsmöglichkeit gebe in der Unrast unserer Zeit.“

Bürgermeister Jakob Koenen von Lippstadt betonte, „seit Alters her habe zwischen Westernkotten und der Kreisstadt ein freundschaftliches Verhältnis bestanden, dass sich nicht zuletzt auch in verwandtschaftlichen Beziehungen erwiesen habe…Neben den Solen seien an dieser Freundschaft auch die Sohlen beteiligt gewesen. Denn Sohlen waren es, auf denen die Westernkötter tagaus tagein den weiten Weg nach Lippstadt machten, um auf den Werken, auf der Union, der WMI und anderen, ihrem Beruf nachzugehen. Noch vor 25 Jahren hätten sich so zahlreiche Männer und Frauen auf ihren Sohlen an Lippstadt ‚herangemacht‘. Zugleich aber sei Westernkottens Sole eine Rückverbindung, denn „wenn wir uns müde und matt gearbeitet hatten, so hatten wir hier schon seit Jahrzehnten Gelegenheit uns zu erholen.“

Kurdirektor Nave (Bad Driburg) als Vorsitzender des Heilbäderverbandes stellte besonders die Verdienste von Kurdirektor Ewald Klinkhammer, der gleichzeitig Kurdirektor in Bad Waldliesborn sowie Schatzmeister des Deutschen Bäderverbandes war, heraus. „Wenn hier ein Werk vollbracht wurde, das in seiner organischen Gestaltung den Erfordernissen der Gegenwart, dem gehetzten Menschen wirklich Ruhe zu geben, vollends entspricht, so …sei dies das Verdienst von Kurdirektor Klinkhammer.“

„Als Kreisheimatpfleger habe ich an allem herzliche Freude, was an Gutem und Schönem in unserem Heimatkreis geschaffen wird“, hob Landrat a.D. Laumanns hervor und erinnerte an die ernsten Schwierigkeiten, die der Kreis 1946 vorfand. Der Kreis Lippstadt sei damals nach amtlicher Statistik in ganz Westfalen infolge der Massenausquartierung der Fremdarbeiter der am stärksten verwüstete gewesen. „Hinzu kamen die Bevormundungen durch die Besatzung, die großen Notwendigkeiten des Schulbaues wie auch die Eingliederung der Enklaven Lipperode und Cappel. Aber die Neuschöpfung, die Wiedergeburt des Bades Westernkotten gehörte zu den schwierigsten Aufgaben“, legte Landrat a. D. Laumanns weiter dar. Für diese Aufgabe habe er sich aus sozialen und heimatlichen Gründen besonders eingesetzt. Ohne die damalige Opposition wäre die ‚Wiedergeburt‘ Bad Westernkottens bereits eher möglich gewesen. Aber die erste Rechnungslegung sei damals schon besser als geahnt verlaufen. „Die weitere Entwicklung, die das Bad dann nahm, ist so ausgezeichnet verlaufen, dass wir heute sagen können: Westernkotten steht am Wendepunkt seiner Geschichte.“

Amtsdirektor Reichmann dankte sodann auch im Namen des Amtsdirektors Thiemeyer, des Bürgermeisters Maurer von Erwitte und von Bürgermeister Schäfermeier, Bad Westernkotten, allen Rednern und sprach ebenfalls Kurdirektor Klinkhammer seinen besonderen Dank aus, der schon seit 1948 „seine reichen Erfahrungen in den Dienst des Bades stellte und dem wir es in erster Linie zu verdanken haben, dass das Bad einen so starken Aufschwung genommen hat.“