2008: Jagd in Bad Westernkotten (Knoche)

Die Jagd und unser heimisches Wild[1]

Von Heinrich Knoche (Bad Westernkotten)

[Erstveröffentlichung: Knoche, Heinrich, Die Jagd und unser heimisches Wild, in: HB 88 Jg. (2008), S. 113-118]

Jagen in der Steinzeit

Die Anfänge der Jagdausübung finden wir schon im Steinzeitalter:  Tiere wurden in Fallgruben gejagt, dann mit Äxten und Speeren und das Durchschneiden der Fersenadern getötet. Das Fleisch brauchte man zur Ernährung, aus den Fellen machte man Kleidung, die Zähne nahm man als Schmuck, aus den Knochen fertigte man Werkzeuge und Waffen. Die alten Germanen und Wikinger trugen schon den Kopfschmuck des Wildes -Hörner – an ihren Helmen. Dieses deutete schon damals auf  waidgerechte Jagd hin, denn nicht jeder durfte Hörner tragen.

Waidgerechtes Jagen

Nun vorab die Erklärung zwischen waidgerechtem und nicht waidgerechtem Jagen. Unser Westernkötter Wappen ist die Wolfsangel. Als früher der Bestand der Wölfe überhand nahm und massenhaft das Nutzvieh riss, wurde die Wolfsangel konstruiert. Dieses war ein Eisenhaken, welcher in einer bestimmten Höhe an einem Baumast festgebunden wurde. Am unteren Ende wurde ein Fleischköder festgemacht. Der Wolf sprang nach oben, schnappte nach dem Köder und biss zu. Dabei drang der Eisenhaken durch seinen Unterkiefer und der Wolf war aufgehängt und musste elendig zu Grunde gehen. Waidgerecht wäre gewesen, wenn der Wolf im Kampf mit dem Jäger durch den Speer oder Dolch gestreckt worden wäre.

Die Jagd im Mittelalter und der frühen Neuzeit

Jetzt kam das Jagen mit Pfeil und Bogen und die Erfolge wurden größer. Dann erfand 1320 der Mönch Berthold Schwarz das nach ihm benannte Pulver. Die Gewehre, die erfunden wurden, waren Vorderlader, die mit Papier, Pulver und Bleikugeln von vorne gestopft werden mussten. Gezündet wurden sie mit einer Lunte über der Pfanne. Dazu brauchte man zumeist zwei Mann. Friedrich der Große soll einmal sein Leben gerettet haben, indem er einem Franzosen, der schon auf ihn angelegt hatte, zurief: „He, du hast ja gar kein Pulver auf der Pfanne!“ Der Soldat war so verdutzt, dass der Alte Fritz flüchten und sich in Sicherheit bringen konnte.

Später wurde das Steinschloss eingeführt. Gezündet wurde, indem man mit einem Hammer auf einen Flint (Feuerstein) schlug. Daher stammt der Name Flinte. Nun wurde das Zündhütchen erfunden, und 1830 erfand der preußische Hauptmann Schulze das rauchlose Pulver – bot es der preußischen Armee an – verkaufte aber dann das Patent an die Engländer.

Jagdrecht und Jagdwaffen heute

Unsere heutigen Jagdwaffen sind ausnahmslos Hinterlader. Modell 88, 98, MG42 usw. Die Zahlen bedeuten das Jahr der Erfindung.

Zur Jagd benutzen wir Kugelbüchsen und Schrotflinten sowie blanke Waffen – das sind Messer. Außerdem Frettchen, das sind gezähmte, gezüchtete Iltisse und seltener Falken und Habichte.

Früher war es den adligen Herren wie Königen und Grafen, Bischöfen und Kirchenfürsten vorbehalten, die Jagd, besonders die hohe Jagd, auszuführen. Zum Hochwild gehören u.a. Hirsche, Wildschweine, Auerhähne usw. Die Knechte und Vasallen der hohen Herren durften das nicht so wertvolle Niederwild, zu dem auch die Rehe gehören, schießen.

In der französischen Revolution 1789 riss das Volk das Jagdrecht an sich. Jeder konnte jagen, wo und wie er wollte – auf dem kleinsten Grundstück. Die Folge war, dass das Wild fast ausgemerzt wurde. In Deutschland wurde 1934 das Reichsjagdgesetz, welches in der ganzen Welt als  vorbildlich galt, eingeführt. 1945 wurde es außer Kraft gesetzt. Nun gilt das Bundesjagdgesetz und das Landesjagdgesetz von Nordrhein Westfalen. Änderungen und neue Verordnungen kommen fast jährlich dazu. Als Hauptinhalt sagt das Gesetz, dass das Jagdrecht dem Eigentümer auf seinem Grund und Boden zusteht. Es ist untrennbar mit dem Eigentum an Grund und Boden verbunden. Wenn zum Beispiel ein Landwirt 75 ha Land oder Wald zusammen liegen hat, hat er einen Eigenjagdbezirk. Diese sind in Bad Westernkotten Mönnig vom Weringhof, Schulte vom Domhof und zweimal Papen von Antfeld. Alle anderen Bauern haben ihre Ländereien in gemeinschaftliche Jagdgenossenschaftsbezirke zusammengefasst. Die Jagdgenossenschaft ist eine juristische Person öffentlichen Rechtes. In der Genossenschaftsversammlung wird der Jagdvorstand gewählt, welcher aus dem Vorsitzenden und mindestens zwei Beisitzern besteht. Der Vorsitzende vertritt die Genossenschaft gerichtlich und außergerichtlich. Die gemeinschaftlichen Jagdbezirke in Westernkotten haben eine Größe von etwa 650 ha. Deren Pächter waren – als zuerst erwähnte – vor dem 2. Weltkrieg die Herren Kessing, Jesse, Wiese. Während des Krieges bis einschließlich 1955 wurde der gemeinschaftliche Jagdbezirk vom Weringhoff mit bejagt, dann von von Papen und Schäpermeier mit Unterverpachtungen von Hollenbeck und Diesmeier, ab 1998 auch von Ostermann und Gerling.

Nun ist der gemeinschaftliche Jagdbezirk Bad Westernkotten, der geteilt ist, bis zum 31. März 2016 an die Jagdkollegen Antonius Gerling, Erwin Hollenbeck, Willi Ostermann und Werner Plümpe verpachtet. Die gesamte jagdbare Größe der vier Eigen- und zwei gemeinschaftlichen Jagdbezirke Westernkottens beträgt 1060 ha. Jagen darf man nur nach bestandener Jägerprüfung und als Inhaber des Jagdscheines, der das Führen jeder Waffe, auch Pistolen und Revolver, beinhaltet. Die Waffen müssen in die Waffenbesitzurkunde eingetragen sein, diese wird von der Polizeibehörde ausgestellt, wenn das polizeiliche Führungszeugnis einwandfrei ist. In der Jägerprüfung wird sehr viel Wissen verlangt, man bezeichnet sie auch als das grüne Abitur. Bevor man nun jagt, sollte man folgenden Spruch beherzigen:

Das Schießen allein macht den Jäger nicht aus,

wer weiter nichts kann, bleibe lieber zu Haus.

Doch wer sich ergötzet an Wild und Wald,

auch wenn es nicht blitzet und wenn es nicht knallt,

und wer hinaus zieht zur jagdlosen Zeit,

wenn Felder und Wald sind vereist und verschneit,

wenn mager die Aesung und bitter die Not,

wenn hinter dem Wilde einherschleicht der Tod

und wer ihm dann wehret ist Waidmann allein,

der Heger, der Pfleger soll Jäger nur sein.

Wer bloß um das Schießen hinausgeht zur Jagd,

zum guten Waidmann hat er es niemals gebracht.

Denn es ist des Jägers Ehrenschild,

dass er hegt und beschützt sein Wild,

waidmännisch jagt, wie es sich gehört,

den Schöpfer im Geschöpfe ehrt.

 

Jagdprotokoll von 1738

Bevor ich  nun zu unserem heimischen Wild und dessen Erlegung komme, möchte ich noch die Schilderung einer hochherrschaftlichen Jagd vorlesen, die im Jahre 1738 hier in unserer Heimat stattfand und im Archiv in Erwitte nachzulesen ist; protokolliert von einem Gerichtsschreiber Johann Bernd Plöscher. Er schreibt[2]:

„Am 18. Oktober anno 1738 beschlossen die Herren der hochadeligen Häuser zu Erwitte und Westernkotten am 21. Oktober die Jagdgrenzen zu begehen. Dazu waren eingeladen

  • – seine Exzellenz Generalleutnant von Schorlemer, Overhagen
  • – Freiherr von Hörde wegen des Hauses Eringerfeld
  • – Feiherr von Meschede wegen der Häuser Alme, Anröchte, Effeln
  • – Freiherr von Schorlemer zu Hellinghausen wegen des Hauses Menzel
  • – der Vogt und die Administratoren Berndt Jobsten, Bertels, von den Stirper Gutsherren
  • – Capitain von Wreden wegen des Hauses Millinghausen
  • – vom adeligen Hause Droste, Friedrich Wilhelm, Hochwürden Benedikt Wilhelm von Droste, der Kammerpräsident seine Excellenz Theodor Engelbert, welcher Land Droste in Westfalen war
  • – vom Hause Schmissing Rentmeister Kaspar Albert Rustige, Vikarius Becker, und der kurfürstliche Richter Becker
  • – vom Hause Westernkotten Feiherr von Schade und der Domherr von Spiegel aus Hildesheim.

Man traf sich pünktlich um 9.00 Uhr vor dem Schlosse in Erwitte. Nach der Begrüßung setzte sich der stattliche Jagdzug in Bewegung. Am Heiligenhäuschen südlich von Erwitte wurden unter Klingen der Jagdhörner die Hunde geschnallt. Bei der Jagd wurden auch die Grenzen kontrolliert, wie bei den heutigen Schnadgängen. Dann ging’s durchs Feld zur Mühle, Hof zu Osten, dann über Berge bis Hoinkhausen, wo der erste Jagdtag abgeblasen wurde und das erste Nachtquartier bezogen wurde. 7 Hasen wurden erlegt.

Mittwochs, den 22. um 8.00 Uhr ging’s weiter, von Hoinkhausen bis Nettelstädt, durch die Wälder bis Menzel über die Haar und Effeln, nun gerade Weges die nördliche Richtung auf das zwischen Anröchte und Berge stehende Feldkreuz. Nun nach Anröchte abgeschwenkt, wo das 2. Nachtlager beim Wirt Conraden Wiemer aufgeschlagen wurde. 11 Hasen und 2 Schnepfen wurden geschossen.

Am Donnerstag, dem 23. Oktober, wird die Reise vom genannten Kreuze fortgesetzt durch das Anröchter Eichenholz zum Hollhof und hinauf durch das Kliever Feld bis nach Waltringhausen durch die Eichenbüsche – dort hat der Freiherr von Hörde-Schwarzenraben eine große wilde Katze vom Eichenbaum herunter geschossen – dann ging’s weiter an Seringhausen vorbei – diesseits Brüllingsen – an die Soester Landwehr und wieder herunter an die Neuengeseker Warte – beim Pfarrer in Altengeseke im Pastorat wurde das 3. Nachtquartier genommen.

Freitag den 24. Oktober ging die Schnadtjagd weiter über Schallern durch Merklinghausen nach Horn – beim Wirt Kaspar Wirnsell finden die Jäger behaglichen Unterstand und vorzügliche Atzung – hier wird für die 4. Nacht Logement bezogen.

Samstag, den 25., geht’s von Horn nach Ebbinghausen. 3 Hasen wurden aufgejagt – einer wurde zu Tode gehetzt – dann ging’s über Berenbrock durch den Brockbusch von hier aus bis Norden über die Glase, dann das Wasser hinauf zur Steinbrücke an der Gieseler durch die Kämpe der so genannten Wehringer Mühlen Bache bis an das Mühlenschemm, hier wurden die Hunde zusammen gekoppelt und die Herren gingen zum hochadeligen Hause Westernkotten – die übrige Jagdgesellschaft zog weiter an der Mühle vorbei durch das Erwitter Bruch über den Berger Pfad bis auf den Hellweg. Hier fand der Schnadezug sein Ende und man strebte nach 5-tägiger Abwesenheit von zu Hause noch schnell in den Dorfkrug, um einen Abschiedstrunk zu nehmen.“

Nun werden die Aufzeichnungen des kurfürstlichen Gerichtsschreibers, Johann Berndt Plöscher, unvollständig, ohne Angaben des erlegten Wildes usw., denn an den Abenden nach der Jagd wurde immer reichlich der süße Wein und das starke Bier genossen, damit man die täglichen Strapazen des Jagens gut überstand.

Jagdhunde

Wie schon in diesem fast 300 Jahre alten Bericht von den Jagdhunden berichtet wird, ist auch heute der wichtigste Helfer des Jägers der treue ausgebildete Jagdhund, welcher ihm das Wild anzeigt, aufstöbert und bringt. Spezielle Hunde sind die Schweißhunde, die krankes Wild absolut zuverlässig auf der Krankfährte in ihrem Wundbett finden. Diese Hunde können auf Abruf sofort eingesetzt werden, denn in jeder Kreisgruppe, in der die Jäger organisiert sind, befinden sich die Schweißhundstationen. Gesetzlich ist zur Jagdausübung ein mit bestandener Prüfung ausgebildeter Jagdhund vorgeschrieben. Die Ausbildung eines guten Jagdhundes erfordert viel Geduld und dauert etwa 2 Jahre.

Die Sprache der Jäger

Die Jäger bedienen sich auch ihrer eigenen Waidmannssprache, in der sich äußerst gewöhnliche Ausdrücke angenehm aussprechen lassen, z.B. die Hinterlassenschaften des Haarwildes nennt man Losung, des Federwildes Gestüber. Das Geschlechtsteil des Rehbockes nennt man Pinsel und Brunftkugeln, die Ricke hat das Feuchtblatt mit der Schürze, Hasen und Kanin haben Geschröte, alles Haarwild hat das Waidloch, das Flugwild die Kloake.

Die Beine: Rehe und Hasen haben Läufe, Fasane Ständer, Enten Latschen, Tauben Tritte.

Schwänze: Wildschweine haben Pürzel, Fuchs Lunte, Hase und Kanin Blume.

Ohren: Wildschweine haben Teller, Rehe Lauscher, Hase und Kanin Löffel, Füchse Gehöre.

Fleisch ist Wildbret, das Blut ist Schweiß usw. usw.

Selbstverständlich gibt es auch die berühmte Jägerlateinsprache, die mancher von uns gut beherrscht, besonders abends beim Schüsseltreiben, wenn man viel Schnaps trinkt. Ein kleines Beispiel: Eine Jägergruppe hatte in Tirol ein Wildschwein erlegt. Da man ohne Genehmigung kein Wildbret mit nach Deutschland einführen darf, hatte ein Jäger den Einfall die Wildsau rüber zu schmuggeln. Man zog der Wildsau einen Parker des Jägers an, setzte ihr einen Jagdhut auf und legte sie auf die Rückbank des Autos. Der Grenzer grüßte, sagte: „Die Ausweise bitte!“ und fragte: „Was ist mit dem da, auf der Bank?“ Die anderen antworteten: „Der hat zuviel Obstler getrunken und ist nun betrunken.“ „Na ja“, sagte der Grenzer, „lasst ihn schlafen! Grüß Gott! Gute Fahrt!“ Als er nun zu seinen Kollegen in die Zollstation zurückkam, erzählte er lachend, dass einer der deutschen Jäger so besoffen war und lang lag. Da sagten die anderen: „Mein Gott, ist das denn so zum Lachen?“ „Ja, doch“, erwiderte er, „als ich ihn mir so genau beguckte – also der sah genau aus wie eine Wildsau!“

Der heilige Hubertus als Schutzpatron

Als ihren Schutzpatron verehren die Jäger den heiligen Hubertus. Hubertus von Lüttich, geboren um 655, war der Sohn des Herzogs Bertrand von Toulouse. Er lebte in Paris als Pfalzgraf am Hofe von Theoderich III., musste aber von dort fliehen und ging nach Metz. Nach dem Tode seiner Gattin, die bei der Geburt des 1.Kindes gestorben ist, zog er sich von allen Ämtern zurück, lebte sieben Jahre als Einsiedler in den Ardennen und ernährte sich durch die Jagd. Seit dem 15. Jahrhundert wird die Legende vom Jäger Hubertus erzählt, dem am Karfreitag ein mächtiger Hirsch mit dem Kruzifix zwischen dem Geweih erschien. Durch diese Vision bekehrt sei Hubertus zu einem ehrfurchtsvollen Bewahrer der Natur und Heger geworden. Er ließ sich zum Priester weihen und wurde um 706 Bischof von Maastricht. 716 verlegte er den Bischofssitz nach Lüttich. Er gehört zu den 4 heiligen Marschällen und wird auch zu den 14 Nothelfern gezählt. In der Zeit um den Gedenktag am 3. November finden traditionell die nach Hubertus benannten Jagden und Messen statt. Die dem heiligen Hubertus geweihte Messe ist das großartigste jagdkulturelle Brauchtum. Sie ist das Gebet der Jäger, sie sprechen zu Gott im Klingen ihrer Jagdhörner, sie gedenken ihm, sie widmen ihr musikalisches Spiel und bitten durch seine Fürsprache Gott um Hilfe und Schutz.

Im Volksmund meinen einige, die Jäger seien Sünder, weil mancher nicht regelmäßig zur Kirche geht. Da frage ich, was ist schöner als ganz allein in der Natur ein stilles Gebet.

Die heimischen Wildtiere

Rehwild

Nun behandeln wir die direkt um Westernkotten vorkommenden Wildtiere und auch deren Erlegung. Das Rehwild ist in unserer Heimat das größte Wild, welches von uns Jägern erlegt wird. Es gehört zum Niederwild und ist bewirtschaftet, das heißt, dass die untere Jagdbehörde, die ihren Sitz in Soest hat, den Abschuss überwacht. Und das geht folgendermaßen: Im Winter stehen alle Rehe in Sprüngen zusammen, oftmals bis zu 20 Stück. Die Jäger zählen in ihrem Jagdbezirk das Rehwild und beantragen bei der unteren Jagdbehörde in Soest den Abschuss. In Soest hat man den Überblick über den gesamten Bestand, korrigiert hier und dort die angemeldeten Zählungen und erteilt dann den Revierinhabern den verbindlich einzuhaltenden Abschussplan. Zur Kontrolle dienen die jährlich stattfindenden Trophäenschauen, auf denen die Kiefer und Gehörne vorzulegen sind. Damit keine Wildschäden vorkommen, sollen etwa 9 Rehe auf 100 ha geduldet werden. Die Paarungszeit, Blattzeit, ist im Juli bis August. Nach einer Tragezeit von 9 1/2 Monat setzt die Ricke ein bis zwei, selten drei Kitze. In Westernkotten kommen pro Jahr etwa 10 bis 12 Rehe zur Strecke, davon ein Teil als Verkehrsverluste. Immer wieder kommen auch Kitze beim Grasmähen um, die freilaufenden, wildernden Hunde sind eine Geißel im Jagdrevier. Geschossen werden Rehe mit einer Kugelbüchse, deren Lauf ist mit Zügen ausgestattet, die dem Geschoss einen Drall geben, etwa 3500 Umdrehungen pro Sekunde. Beim Betätigen des Abzuges tritt im Gewehrlauf ein Druck von 3600 atü auf. Das Geschoss fliegt pro Sekunde 700 m und gesamt bis zu 5 km weit, deshalb wird mit der Kugel von einer Kanzel aus geschossen, damit ein natürlicher Kugelfang da ist und die Kugel nicht all zu weit in die Erde schlägt, so dass keine Unfälle vorkommen. Eine verirrte Kugel könnte, hier abgeschossen, noch in Erwitte tödlichen Schaden anrichten. Das Reh ahnt nicht, wenn der Jäger nach dem Ansprechen den Abzug betätigt. Es vernimmt nicht mal den Knall und ist in Sekunden verendet. Mit unseren zahmen Haustieren geht es nicht immer so human zu, weder bei den langen Transporten noch in den Schlachtstätten – aber es ist nun mal so. Außerdem ist Wildbret lecker und gesund, mager und eiweißreich.

Nun mal zur Auflockerung einen kleinen Witz:

„Der Ortspfarrer ist zur Kur und wird bei der Beichte von einem Pater aus der Stadt vertreten. Kommt der Jäger und beichtet, dass er einen Rehbock gewildert hat. Fragt der fremde Beichtvater: „Was gibt Ihnen denn ihr Pastor immer für eine Buße auf?“ Sagt der Jäger: „Er gibt mir stets 5 € fürs Kilo!“

Hasen

Der Hase kommt bei uns noch recht oft vor. Er bringt pro Jahr 3 bis 4 mal 2-3 Junge, nach einer Tragezeit von 42 Tagen. Die Kleinen sind sofort behaart und sehend. Hasen bewohnen die offene Landschaft, sie liegen in der Sasse, Pott, immer mit offenen Augen und flüchten meistens im letzten Moment. Im Wald liegt er meist an den Baumwurzeln. Seine größten Feinde sind Krähen und die verwilderten Katzen. Dazu der Fuchs und der Bussard. Die Strecke in unserem Ort beträgt um die 200 Stück. Geschossen wird der Hase, genau wie unser Flugwild, mit der Schrotflinte. Beim Schuss entwickelt sie Patrone einen Druck von 600 atü pro cm² und treibt, je nach Kaliber, 12, 16 oder 20 bis zu 380 kleine Bleikugeln aus dem glatten Gewehrlauf, die in einer 1/8 Sekunde 50 m weit fliegen. Kaliber 12 ist größer als Kaliber 20. Das ist so zu verstehen, wenn man aus einem englischen Pfund Blei, das sind 453 g, Rundkugeln gießt, passen bei Kaliber 12  zwölf Stück und bei Kaliber 20  zwanzig Stück in den Gewehrlauf. Neuerdings nimmt man statt Blei Stahlschote.

Kaninchen

Das Kanin lebt sehr gesellig in Erdhöhlen, Bauten. Es bekommt 6 bis 8 Mal pro Jahr 8-10 Junge, welche nach einer Tragezeit von 28 Tagen nackt und blind geworfen werden. Vorher baut die Häsin eine Setzröhre, etwa 1 m tief in den Boden, darin werden die Kleinen gesäugt. Nach dem Säugen wird die Röhre immer wieder zugebuddelt. Schon seit einigen Jahren lohnt sich das Frettieren hier nicht mehr, weil der Karnickelbesatz, bedingt durch die Viruserkrankung Myxomathose, die jedes Jahr wieder auftritt, sehr stark dezimiert ist. Öfter sieht man die Karnickel im Sommer noch bei uns im Kurpark. Das Kanin ist nicht so groß wie der Hase und das Fell ist nicht braun, sondern grau. Am besten sieht man den Unterschied von hinten, bei der Flucht. Dabei bedeckt der Hase sein Waidloch  mit der Blume, sieht braun aus. Das Kanin dagegen hebt seine Blume, sieht stets weiß aus. Hase und Kanin gehören zum Haarnutzwild.

Haarraubwild

Zum hiesigen Haarraubwild, das von uns Jägern auch erlegt wird, gehören Dachs, Fuchs, Waschbär, Marder und Iltis. Deren Bejagung ist erforderlich, um einen artenreichen Wildbestand zu regulieren, denn Bär, Wolf und Luchs, die dafür früher sorgten, kommen bei uns nicht mehr vor.

Schwarzwild

Schwarzwild, welches wie schon erwähnt, zum Hochwild gehört, kommt bei uns selten vor, ist aber in den Wäldern von Eringerfeld, Brenken und Rüthen Standwild. Jährlich kommen dort etliche Stücke zur Strecke. Das Schwarzwild kann größere Schäden anrichten und verbreitet die gefürchtete Schweinepest und wird deswegen auch stark bejagt. Schwarzwild muss nach der Erlegung vom Tierarzt auf Trichinen untersucht werden, genauso wie unsere Hausschweine. Auch in Westernkotten wurde hier und da mal ein Wildschwein erlegt, oder überfahren oder beim Mähdreschen aufgemüdet.

Fasanen

Nun zu unserem heimischen Federwild, dem Fasan. Die Balzzeit ist Ende März bis Anfang April. Die Henne legt Ende April 8 bis 20 Eier. Die Brutzeit dauert 24 Tage. Die Gesperre bleiben bis zur Herbstmauser zusammen. Der Fasan lebt in Vielehe, das Geschlechterverhältnis muss etwa 1 zu 6 sein. Der Jäger muss versuchen, dieses zu regulieren: Wenn zu viele Hähne da sind, die um die Hennen kämpfen, gibt’s keinen Nachwuchs.

Abends baumen die Fasanen auf, um vor Raubwild und Raubzeug sicher zu sein. Eine Eigenart ist, dass der Fuchs quasi über eine brütende Henne stolpern muss, um dies wahrzunehmen, denn die Henne gibt keine Witterung ab und ihr Gefieder ist mit der braunen Tarnfarben ausgestattet. Die Jahresstrecke in den 5 Westernkötter Revieren beträgt etwa 200 Stück.

Rebhühner

Rebhuhn, auch Feldhuhn genannt, ist schon seit Jahren zum Schutz empfohlen, weil der Besatz sehr gefährdet ist. Früher fand man Gelege bis zu 22 Eiern, die nach 21 Tagen ausgebrütet waren. Heute sieht man nur selten eine Kette Feldhühner. Ein Grund dafür sind die Spritzmittel, die früher im aufgegangenen Mais angewendet wurden. Man hat nach dem Spritzen auf einem Quadratmeter bis zu 30 tote Marienkäfer aufsuchen können. Kleine Feldhuhnküken brauchen sofort nach dem Schlüpfen das Eiweiß. Sie hacken nach den  vergifteten Käfern und verenden. Langsam geht es mit dem Hühnerbesatz wieder bergauf. In ungespritzten und Biofeldern sieht man auch heute wieder Klatschmohn, Korn und andere wilde Feldblumen. Die vom Land bezuschussten Stilllegungs- und Ackerrandstreifenflächen, auf denen nicht gespritzt werden darf, sind richtige Oasen für unser Wild. Dazu dienen vor allen Dingen die von den Jägern angepachteten Flächen, die zu Wildäckern angelegt werden. Man bezeichnet dieses als die Kräuter-Apotheke des Wildes.

Stockente

Die Stockente ist die einzige zur Jagd freigegebene Ente. Sie lebt in Einehe. Die Reinzeit ist im Februar. Sie legt 8-13 Eier. Zum Ausbrüten braucht sie 28-32 Tage. Der Erpel mausert im Juli, trägt dann von Oktober bis Juni sein buntes Prachtgefieder. Die Ente mausert im August. Die Jagdstrecke beträgt hier etwa 80 Stück pro Jahr.

Ringeltauben

Die Ringeltaube ist die größte der Wildtauben, die hier vor allem im Winter massenhaft vorkommt und an Raps- und Gemüsefeldern Schaden anrichtet. In Orten und Parks wird durch den Taubendreck, Gestüber, mancher Platz und manches Gebäude verschmutzt. Das kommt daher, dass alles Flugwild seinen Harn über die Kloake ausscheidet weil Flugwild keine Nieren hat. Der Dreck ist sehr ätzend, deswegen soll die Ringeltaube stark bejagt werden. Den größten Erfolg hat man dabei morgens.

Greifvögel

Nun noch zu den Greifvögeln. Alle Greifvögel wie Bussard, Habicht, Milan, Falke, Sperber auch Eulen, stehen unter Schutz und sind somit für die Jäger tabu. Fischreiher und Kormorane können auf Antrag durch die untere Jagdbehörde freigegeben werden. Die hier neuerdings immer öfter vorkommenden Kanada- und Nilgänse haben bereits eine Jagdzeit erhalten und dürfen in geringer Anzahl erlegt werden.

Wiesenweihe

Nun komme ich zu der Wiesenweihe, über die seit Jahren diskutiert wird. Meine Meinung ist die: Sie ist ein sehr schöner Zugvogel, welcher im Frühjahr aus Afrika und Spanien zu uns kommt, sich hier ernährt und brütet, und dann wieder zurück fliegt. Einige Vogelschützer stellen sich vor, dass man zu ihrem Schutz hier landwirtschaftliche und industrielle Unternehmen in ihrer Entwicklung beeinträchtigen sollte. Wir haben hier selber viele geschützte Greifvögel, die im Winter, zusammen mit den skandinavischen Bussarden, die wegen der großen Kälte bei uns überwintern und auch satt werden, zu tun.

Tatsache und schade ist, dass bei uns die Lerchen, Bachstelzen, Rotschwänzchen, Distelfinken, Zaunkönige und sogar die Sperlinge und Kiebitze immer mehr verschwinden, aber die Krähen und Elstern, auch Eichhörnchen, immer mehr zunehmen.

– Ich hoffe, dass ich hiermit die Ethik des Jagens und die vielfältigen Aufgaben der Jäger näher bringen konnte und danke fürs Zuhören.

Statistische Angaben

Nun noch einige interessante Daten: Der Kreis Soest hat eine Fläche von etwa 130 000 ha, er ist von Nord nach Süd 38 km, von West nach Ost 53 km lang. Erlegt wurden im Jagdjahr 2006/07, einschließlich des überfahrenen Wildes, laut der unteren Jagdbehörde 3236 Rehe, 333 Wildschweine, 6520 Hasen, 1596 Kaninchen, 3509 Fasane, 2532 Wildenten, 12 153 Ringeltauben, 149 Graugänse, 39 Nilgänse, 1186 Füchse, 134 Waschbären, 75 Dachse, 536 wildernde Katzen, 2697 Krähen und 874 Elstern.[3]


[1] Dieser Vortrag wurde erstmals am 22.10.2007 bei der KAB Bad Westernkotten gehalten und anschließend mehrmals vor unterschiedlichem Publikum wiederholt.

[2] Der Text ist nur teilweise wörtlich wiedergegeben.

[3] Dem Vortrag angefügt wurde ein Gedicht des Heimatdichters Franz Kesting, der es nach einer wahren Begebenheit – er selbst hat an der beschriebenen Treibjagd teilgenommen – aufgeschrieben hat: Zwischen Lipp und Kelchesrand – eine wahre Hasengeschichte; vgl. Vertell mui watt, Nr. 318 (2007).